Gott loben und preisen in Schleifer Sorbisch

Sächsische Zeitung29. Januar 2020

 

Der Verein Kólesko gibt nach jahrelanger Arbeit ein Gesangbuch mit Kirchenliedern,
Psalmen und Gebeten heraus. Von Andreas Kirschke

Endlich liegt es vor. Das Gesangbuche „Něnter comy Boga chwalić“ (Jetzt wollen wir Gott loben) ist das Ergebnis unzähliger Mühen und Fleißarbeit. „Seit 2014 waren wir mit Übersetzen befasst“, schildert Hartmut Hantscho, Vorsitzender des Vereins Kólesko. Jetzt liegt das Schleifer Gesangbuch vor.

Mit dem Advent fängt das Kirchenjahr an. Treffend begrüßte die Gesangsgruppe des Vereins Kólesko (Spinnrad) die Gemeinde bei der Vorstellung des Buches vor Besuchern aus der Ober- und Niederlausitz. „Kak powitam ja tebjo, mój Jezu nejlubšy?“ (Wie soll ich dich empfangen, liebster Jesus?), singen in Schleifer Sorbisch Juliana Kaulfürstowa, Anke Fischer, Elvira Hantscho, Carolin Markowski, Uwe Hermasch und Gerald Schön kraftvoll und mit ganzer Seele in der Kirche. Es folgen Lieder zu Weihnachten, zu den Heiligen Drei Königen, zur Passionszeit, zu Ostern, zu Pfingsten und zu Trinitatis. Schließlich singen sie Lieder zum Danken und Preisen sowie zum Ende des Kirchenjahres.

Es geht um viel mehr als Lieder

Vielseitig kann die Gemeinde das Buch nun nutzen. „Und das zu Andachten. In zweisprachigen Gottesdiensten. Zu unseren sorbischen Gemeindenachmittagen. Und zum Ostersingen in Schleife und in Rohne. Vielleicht eines Tages auch in den anderen Orten des Kirchspiels“, hofft Jadwiga Malinkowa, seit 2014 Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Schleife. „Das Gesangbuch bedeutet Stärkung der Wurzeln und der Identität. Zugleich kann mit ihm die Tradition des Ostersingens im Schleifer Kirchspiel bewahrt werden. Ein Werkzeug ist uns an die Hand gegeben.“

Es ermutigt, das Schleifer Sorbisch wiederzuentdecken, zu pflegen, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Es erinnert an die drei festen Säulen im Kirchspiel. Die Land- und Forstwirtschaft, der christliche Glaube und die sorbische Sprache haben die Dörfer immer geprägt. „Aufs Engste sind diese drei Säulen verbunden mit der Region“, sagt die Pfarrerin. „Und noch zu Zeiten der Pfarrer Matthäus Handrik und Gottfried Rösler in den 1920er- und 1930er-Jahren lernten die Konfirmanden in Psalmen, in Gebeten und im Chor diese Lieder. Auch im Alltag wurde viel gesungen: bei der Arbeit, auf den Singebänken, in der Spinnstube oder zur Weihnachtszeit.“ Im Hochsommer zogen die Mädchen singend in die Felder. Sie baten in der anhaltenden Trockenheit um Regen. Auch daran erinnert das 232-seitige Schleifer Gesangbuch. Es enthält Kirchenlieder, Psalmen und Gebete in Schleifer Sorbisch, ebenso eine kleine Lesehilfe und sprachliche Hinweise.

Die Finanzierung gelang mit Mitteln des Sorben- und Wenden-Beirates der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBBO), der Stiftung „Zuhause in Schleife, Rohne, Mulkwitz“ und der Evangelischen Kirchengemeinde Schleife.

Grundlage für das Schleifer Gesangbuch bildete die von 1884 stammende Sammlung „Stare lube kěrluški Slěpjańskeje Wosady“ (Alte liebe Kirchengesänge der Schleifer Kirchgemeinde) des Schleifer Kleinbauern Hanzo Šymko (Johann Schimko). Hinzu kamen Archiv-Aufnahmen aus den 1950er Jahren, welche die Art und Weise dieses Gesangs dokumentieren. Eine weitere wertvolle Quelle war ein Brief des Schleifer Sägewerks-Besitzers und Schriftstellers Jakub Lorenc-Zalěskis von 1925. Darin nennt er neun typische Schleifer sorbische Osterlieder.

Nach Auswahl der Gesangslieder sorgte Juliana Kaulfürstowa für die Übersetzungen. Dr. Hync Rychtaŕ übersetzte ebenfalls und korrigierte sorgfältig. Dieter Reddo aus Trebendorf beriet bei dem Projekt immer wieder. Gerald Schön sorgte für die umfangreichen Notierungen der Liedtexte und für die Digitalisierung der Melodien. Jörg Tausch illustrierte das Buch. Für Gestaltung, Satz und Reproduktion sorgte Mirko Markowski. „Ihnen und allen Unterstützern des Projekts gilt herzlicher Dank“, sagt Pfarrerin Jadwiga Malinkowa.

Die Schleifer Liebe zum Gesang

Verwurzelt ist das Gesangbuch im Schleifer Kirchspiel. „Es hat hier seine Gültigkeit. Es zeigt das Leben hier“, unterstreicht Jan Malink, sorbischer evangelischer Superintendent. Das Gesangbuch ergänzt bestehende Quellen wie das Niedersorbische Gesangbuch (von 1574), das Obersorbische Evangelische Gesangbuch (von 1710, neu 2010) und das Katholische Sorbische Gebet- und Gesangbuch Wosadnik (1889, neu 2008). Texte, Noten, Satz, Gestaltung, Illustration und Organisierung der Finanzen erforderten viel Hingabe, verdeutlicht Jan Malink. Doch: „Die Freude, die man hat, ist die Vollendung des Werkes.“

Warum singen gerade die Sorben so gern? Warum hat gerade hier das Singen einen ganz hohen Stellenwert? „Es ist ihre bekannte Glaubenstreue. Es ist ihre Liebe zum Gesang“, zitiert Dr. Thomas Koppehl, seit 2007 Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Schlesische Oberlausitz, den englischen Sprachwissenschaftler Dr. Gerald Stone.

Das Schleifer Gesangbuch, so unterstreicht der Superintendent, enthält Lieder, die zu Herzen gehen. „Es liegt ein reicher Segen darauf“, bekräftigt er und ergänzt: „Der Heilige Geist ist es, der die Herzen bewegt, um Gottes Wort im Schleifer Sorbisch zu verkünden.“ Als Ansporn, Impuls und Motivation sieht Dr. Hartmut Leipner, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der wendischen Sprache in der Kirche, das Schleifer Gesangbuch. „Auch wir wollen unser Niedersorbisches Evangelisches Kirchengesangbuch wieder neu herausgeben“, erläutert er. „Die Erstausgabe von 2007 ist vergriffen. Wir wollen das Gesangbuch modernisieren und die Liturgie erweitern.“ Gern ist er zur Vorstellung des Schleifer Gesangbuches gekommen. Er sieht das Buch als Bereicherung des kirchlichen Lebens und des Liedgutes der Sorben. „Zur Zukunftsfähigkeit eines Volkes gehört die Traditionspflege“, meint er. „Das Schleifer Gesangbuch trägt dazu bei.“


Projekte

Schleifer Gesangbuch - Kirchenlieder, Psalmen und Gebete

Durch die Aufarbeitung historischer Quellen einerseits und der Textübersetzungen von ober- und niedersorbischen Chorälen ins Schleifer Sorbisch andererseits wurde eine Sammlung von 50 Liedern zusammengestellt und damit die Dokumentation einer fast ausgestorbenen Regionalsprache durch den Verein Kólesko fortgesetzt.

Das Ostersingen

Durch die Frauengesangsgruppe Slěpjańske kantorki wurde 1992 ein tief religiöser Brauch wieder belebt, der Mitte der 50er Jahren in unserem Kirchspiel zwar verschwand aber im Bewusstsein der wendischen Einwohner stets haften blieb.

Gesangs- und Musikgruppe

Anknüpfend an die Herausgabe des Schleifer Liederbuches wurde im Jahr 2012 eine Vokalgruppe ins Leben gerufen, mit dem Ziel die gesammelten Schleifer Volkslieder in ihrer ursprünglichen Art und in ansprechender künstlerischer Qualität einem breiten Publikum darzubieten. Bald kamen Musiker hinzu, um die Sänger zu begleiten.

SBslěpjańšćina – Schleifer Sorbisch DE Deutsch – němski