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Am Bauernstammtisch wurde gesungen
Serbske Nowiny20. März 2023
Am Bauernstammtisch wurde gesungen. (Jos / SN)
Zum sorbischen Bauernstammtisch wurde am vergangenen Sonnabend auf den Hof des Njepila-Vereins eingeladen. Diese jährliche Veranstaltung hat der Förderverein des Njepila-Hofes einst als einen der ersten feste Terminen für die Veranstaltungsreihe in den Kalender einbezogen. Ziel war es, dass die älteren Rohner und Bewohner aus den umgebenden Dörfer über ihre Erinnerungen an vergangene Dinge und Zeiten berichten. Diese wurde aufgeschrieben und in und in dem Archiv hat man sie gespeichert. Rudi Krautz hatte alles gefilmt und fotografiert. Auf diese Weise ist im Laufe der Jahre ein großer Fundus erwachsen, aus dem Schatz schöpfen die Rohner noch heute. Jene aber, die noch vor Jahren ihr Wissen weitervermittelt haben, sind nicht mehr unter den Lebenden. Auch Rudi Krautz nicht.
Der Bauernstammtisch am vergangenen Sonnabend hat die Rohner Domowina-Ortsgruppe zusammen mit dem Njepila-Hof-Förderverein organisiert. „Diesmal wollten wir selbst aktiv sein “, sagte der Vereinsvorsitzende Manfred Nickel. „Deshalb haben wir uns dieses Jahr entschlossen, gemeinsam zu singen. Vor allem wollten wir unsere alten sorbischen Schleifer Lieder vortragen. “Dazu wurde der Verein Kólesko eingeladen und auch Sänger Gerald Schön war gekommen. Sie stimmten gemeinsam die Melodien aus dem Schleifer Liederbuch an, welche Dieter Reddo, Hartmut Hantscho Juliana Kaulfürst aufgestellt und herausgegeben hatten. Und irgendjemand hat dann ganz nebenbei seine Fähigkeiten des Schleifer Sorbisch vervollständigt. Die eine oder andere Ortsgeschichte der vergangenen oder der neuesten Zeit wurden sich erzählt. Ein äußerlich schönes Bild war, dass fast alle Teilnehmer in der traditionellen sorbischen Tracht gekommen waren.
Sprachführer setzt Jubiläumsjahr die Krone auf
Sächsische Zeitung20. Dezember 2022
Zum Schleifer Sorbisch gibt es jetzt ein dickes Buch – ein Kompendium aus Grammatik,
Wortschatz, Liedern, Rezepten. Von Constanze Knappe
Kurz vor Ende des Jubiläums „750 Jahre Schleife“ wurde den Einwohnern des Ortes und ebenso des ganzen Kirchspiels noch „ein wahres Schatzkästchen“ zuteil: ein eigener Sprachführer, der „Slepjanski rozprajak“. Auf 343 Seiten beinhaltet das Buch in 14 Kapiteln einen Informationsteil zur Schleifer Sprachlandschaft, Schleifer Grammatik, ein Wörterbuch mit fast 3.700 Eintragungen sowie ein Kapitel mit Dialogen im Schleifer Sorbisch, wie sie für die Unterhaltung im Alltag typisch sind. Ergänzt wird dies durch Kochrezepte, Spiele, Reime, Lieder und eine Übersicht zu weiterführender Literatur. Das ein Kilogramm schwere Buch ist als „geballtes Wissen zum Schleifer Sorbisch“ auch inhaltlich ein echtes Schwergewicht. Herausgegeben wurde es vom Verein Kólesko in Zusammenarbeit mit dem Sorbischen Institut in Bautzen.
Das an sich ist durchaus bemerkenswert. Denn welcher Ort kann sonst schon von sich behaupten, einen eigenen Sprachführer zu haben Bedeutsam ist das Vorhaben aber aus verschiedener Sicht. „Regionale Sprachvarianten fördern mehr als die großen Schriftsprachen das Zusammengehörigkeitsgefühl“, betonte Laudator Dr. Fabian Kaulfürst. Miteinander reden und singen, das gehörte in den Dörfern des Schleifer Kirchspiels schon immer zusammen. Doch inzwischen gebe es immer weniger Menschen, die der Sprache im aktiven Gebrauch tatsächlich noch mächtig sind. Der Sprachforscher Dr. Hync Rychtar schätzt deren Zahl auf gerade noch 100. Diese werden früher oder später ausgestorben sein. Umso wichtiger sei es, deren Wissen zu bewahren. Rychtar ist einer der Paten des Buches, von denen es eine ganze Reihe gibt.
Die Idee zu einem Sprachführer hatte der Schleifer Hartmut Hantscho. Er besorgte über den Sächsischen Mitmachfonds auch finanzielle Mittel für Druck und Herstellung. „Er hat wie ein Kutscher die Zügel fest in den Händen gehalten und die Pferde angetrieben“, hieß es in der Laudatio. Beim Verein Kólesko und beim Sorbischen Institut habe man die Chance erkannt, sodass aus der beabsichtigten kleinen Broschüre ein richtig dickes Buch werden konnte.
Offiziell gilt der Schleifer Sprachführer als Paket Nr. 9 von zehn mehrjährigen Arbeitsprojekten des Sorbischen Instituts zur Schleifer Sprachlandschaft. Ermöglicht wird dies durch eine Zuwendung von 260.000 Euro aus der Sächsischen Wissenschaftsförderung. „Das ist nicht wenig, deshalb können wir aus Schleifer und aus sorbischer Sicht nur dankbar sein“, stellte Laudator Dr. Kaulfürst fest. Autoren es Buches sind seine Schwester Juliana Kaulfürst und Simon Blum, die beide als Projektmitarbeiter beim Sorbischen Institut beschäftigt sind. Sie konnten auf umfangreiche Vorarbeiten, etwa von Hync Rychtar, zurückgreifen. Die studierte Kunstgeschichtlerin war einst von Manfred Herrmasch „zur Förderung des Sorbischen“ nach Schleife geholt worden. Dort war sie vom Dudelsackfestival fasziniert – und ebenso von Hantschos Idee einer kleinen Sprachbroschüre. Fortan habe sie sich „regelrecht reingekniet“.
Der gebürtige Potsdamer Simon Blum hatte enge familiäre Bindungen in die Schleifer Region. Wissenschaftlich in die Tiefen der Sprache einzutauchen, dafür gab 2014 ein Sommerkurs der Sorabistik in Bautzen den Anstoß. Ihm oblag der grammatische Teil des Sprachführers. „Viele Leute denken, dass Grammatik eine langweilige Angelegenheit und die Schleifer Grammatik besonders komplex ist“, erklärte er jetzt.
Als Beispiel benannte er das Wort Dorf (sorbisch: wjes), wofür es im Deutschen vier Formen, im Schleifer Sorbisch sogar 17 gäbe. Das sei „zugegeben manchmal echt knifflig, aber alles andere als langweilig“. Es mache den Charakter einer Sprache aus, wenn sie auch Ecken, Kanten und Schnörkel hat, sagte Simon Blum.
Es klang wie eine Anekdote, als davon die Rede war, dass Simon Blum „einen Freifahrtschein hatte, seinen Opa Hanzo Mrosk Tag und Nacht anzurufen“. Der 89-jährige Trebendorfer kennt den Schleifer Dialekt wie kaum ein Anderer – und steckte seinen Enkel mit der Begeisterung dafür an. So dürfte es Hanzo Mrosk zu Herzen gehen, dass Simon Blum mittlerweile perfekt Sorbisch spricht und obendrein Anderen Mut machen möchte, sich mit dem Sorbischen zu befassen. Der Schleifer Dialekt sei dabei eine Brücke zwischen dem Nieder- und dem Obersorbischen. Das Buch sei keine abstrakte wissenschaftliche Abhandlung, sondern modern aufbereitet und somit eine alltagstaugliche Hilfe, hieß es.
Das Schleifer Sorbisch kehrt ins Volk zurück
Serbske Nowiny08. Dezember 2022
Die Sprachlandschaft in der Mittellausitz blüht auf - erster Sprachführer Schleife (SN / mb).
Für Heinz Richter, dem Nestor des Schleifer Sorbisch, war es ein beeindruckender Moment: Nach einem halben Jahrhundert in Leipzig, wo er 42 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Sorabistik Studierende unterrichtete, ist er vorgestern in seine Heimat zurückgekehrt, wo er gestern Abend die Präsentation des Sprachführers „Schleifer Gesprächsführer“ erlebte. An die hundert Menschen waren in die Kirche in Schleife geeilt, damit sie die neuartige Ausgabe des Buches über die alte Mundart miterleben konnten.
Entstanden war in Kooperation des Vereines „Kólesko“ mit dem Sorbischen Institut (SI). 2.700 Worte auf 343 Seiten, in der Geschichte überhaupt der erste Begleiter umfasst er, mit dem man sich das Schleifer Sorbisch aneignen kann. Damit hat er ein großes Gewicht, ein materielles und besonders ideelles. Der Sprachwissenschaftler Fabian Kaulfürst hält es für möglich, wie er den SN bestätigte, dass es mit dessen Hilfe in Zukunft wieder mehr Menschen im Alltag in bestimmten Situationen das Schleifer Sorbisch anwenden werden. Seine Schwester, die Slawistin Juliana Kaulfürst, hat das Buch zusammen mit dem Linguisten Simon Blum geschaffen, welcher den grammatischen Teil in Verantwortung hatte. Zurückgreifen konnten sich unter anderem auf umfangreiches Material, das sie von Hartmut Hantscho, Vorsitzender des „Kólesko“, vor allem jedoch auf Heinz Richter, „Sprachwissenschaftler mit dem reichstem Wissen über das Schleifer Sorbisch“, zusammengesammelt wurde, wie Fabian Kaulfürst in der Laudatio sagte. Eine wichtige Quelle des lebendigen Sorbischen dieser Region ist Hans Mrosk (89), der Großvater von Simon Blum, durch den hat dieser sich das Schleifer Sorbisch angeeignet.
Den Gruß des sächsischen Ministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus überbrachte Caroline Wagner, die Vorsitzende des Kuratoriums des Sorbischen Instituts, welche bei der Förderung von „Zehn wissenschaftlichen Paketen“ für das Beste des Schleifer Sorbisch in Höhe Von 260.000 Euro eine engagierte Partnerin war. Der „Schleifer Sprachführer“ war die Nummer 9; über weitere Projekte wollen sie die Öffentlichkeit am 23. Januar informieren. Sein Geschick für konzeptionelle Arbeit und Formulierung von Förderanträgen hat der Direktor des SI, Prof. Hauke Bartels, gezeigt.
Glücklich war auch der ehemalige langjährige Vorsitzender des Regionalverbandes „Jakub Lorenc-Zalěski“, Manfred Hermasch, der Juliana Kaulfürst vor mehr als zehn Jahren für Schleifer Gebiet, auf sehr unkonventionelle Art angeworben hatte: Er hat bei der Familie Kaulfürst in Bautzen angerufen, und gedacht, dort ein Talent für die Belebung des Schleifer Sorbisch zu finden. Und so ist Juliana Kaulfürst erstmals beruflich nach Schleife gekommen. Für das gestrige historische Ereignis hat sie wieder ihre Schleifer Tracht angezogen und hat in der Gesangsgruppe des Vereins „Kólesko “unter Leitung von Gerald Schöne mitgesungen, die feierlich die Veranstaltung kulturell umrahmt haben. Unter den Gästen waren der Bürgermeister von Schleife, Jörg Funda, der Direktor der Oberschule Jan Hrjehor, die Domowina-Geschäftsführerin Judit Šołćina und die Vorsitzende des brandenburgischen Sorbenrates Kathrin Schwjela.
Dank des Glaubens aller Akteure, dass das Buchprojekt erfolgreich abgeschlossen wurde, und das mit dieser Tat die Sprache des legendären Hanzo Njepila jetzt wieder erblühen kann. ▶Mein BlickRichter.
„Dieses Buch werden wir im Sorbischunterricht benutzen!“
Nowy Casnik15. Dezember 2022
Kürzlich präsentierte man das neue Buch „Am Anfang war das Wort“ Von Horst Adam
Wer die sorbische Sprache liebt, die im Schleifer Kirchspiel gesprochen wird und wer sich mit ihr etwas näher beschäftigen, und sie erlernen möchte – der hat das alles jetzt „schwarz auf weiß“. Das heißt, das haben wir jetzt in dem neuen etwas dicken Buch, wo wir das finden, was man von der Sprache im Schleifer Kirchspiel wissen sollte, zu welchem acht Dörfer gehören. Es heißt „Am Anfang war das Wort - Schleifer Berichterstatter / Schleifer Sprachführer“ (das Wort „Berichterstatter – hat – man sich beim Schreiben ausgedacht.) Zu Lesen haben wir in dem neuen Buch mehr als genug. Anfangs sollte das nur eine Broschüre sein, aber das alles ist in den zwei Jahren, die daran fleißig gearbeitet wurden, gewachsen auf etwa 340 Seiten! Es wurde alles in vier Hauptteile aufgeteilt. Im ersten findet der Leser viele Informationen – über die Entstehung des Buches, über die Historie und die heutige Situation des Schleifer Sprache (oder Dialekt), darüber, wie wir die Publikation am besten nutzen können, und noch mehr.
Von Konversationen – das heißt von Gesprächen – ist in dieser Sprache die Rede im zweiten Teil. Das ist doch sehr wichtig für den Erhalt und das Erlernen dieser Sprache, damit sich Menschen auf Sorbisch erzählen können. Und dafür suchten sie fast 60 Themen aus dem täglichen Leben – über die Familie, über die Arbeit in der Küche, im Garten oder auf dem Feld, über Gottesdienste, über die Kindertagesstätte, über sorbische Bräuche, über Tiere, über Pflanzen und Blumen und über so manches andere. Und dazu gehören auch sorbische Lieder und Sprichwörter aus diesen Gegenden, kurze lustige Anekdoten und typische Rezepte.
Im dritten Teil geht es um die Grammatik des Schleifer Sorbisch, und diese ist sehr umfangreich und detailliert beschrieben auf über 100 Seiten. Wir finden dort alles über Substantive, Verben und Adjektive, über Konjugationen und Deklinationen und vieles andere. Das Interessante dabei ist, dass man das oft mit der niedersorbischen und obersorbischen Sprache vergleicht. Dabei zeigte sich, dass die Schleifer Sprache dem Niedersorbischen größtenteils näher ist als der in der Oberlausitz. Das Ende des Buches ist gedacht für ein kleines deutschsorbisches Wörterbuch, für das sie rund 2.700 Wörter aussuchten.
Seine Premiere hatte das Buch in Schleife. Der Verein „Kólesko“, dessen Projekt dieses Buch ist, lud in die dortige Kirche ein, auch deshalb, da er auch eng mit der Schleifer Kirchgemeinde zusammenarbeitet. Gekommen waren rund 70 Menschen unter ihnen die sorbische Pfarrerin Jadwiga Mahling, Bürgermeister Jörg Funda, Leiter des Schulzentrums Jan Hrjehor, von der Domowina die Geschäftsführerin Judith Šołćina und Manfred Hermasch: Auch Marcel Braumann war gekommen, der seit Dezember der Chefredakteur der Serbske Nowiny ist. Und auch Besucher aus der Niederlausitz lockte die sorbische Kulturveranstaltung – unter anderem Katrin Schwjele, die Vorsitzende des brandenburgischen Rates für Angelegenheiten der Sorben / Wenden.
Die vier Sängerinnen der Gruppe „Kólesko“ und Gerald Schön als ihr Dirigent haben mit den Versen im Schleifer Dialekt den Anwesenden einen würdigen sorbischen Kulturabend gebracht. Weil dieser „Berichterstatter“ zum umfangreichen und langjährigen Projekt des Sorbischen Instituts zur sorbischen Sprache im Schleifer Kirchspiel gehört, hielt Dr. Fabian Kaulfürst als Vertreter dieses Instituts die Hauptrede, und zwar in der dortigen sorbischen und deutschen Sprache.
Er lobte all diejenigen, die für das Buch arbeiteten. Das sind der Verein „Kólesko“ und sein Vorsitzender Hartmut Hantscho, der rund zehn Jahre lang alle Vorbereitungen und andere Arbeiten in Verantwortung hatte. Und vier sachkundige Persönlichkeiten, die sehr gut die Schleifer Sprache kennen, die haben gesammelt und aufgeschrieben, was das Besondere in ihrer Grammatik ist: Hans Mrosk aus Trebendorf, sein Enkel Simon Blum, Dr. Heinz Richter und Juliana Kaulfürst. Dass das Buch richtig gelungen war, dafür sorgten Gerald Schön, der sich um die Gestaltung, das Layout, sowie die Druckerei Schiemenz in Stadt, die die 500 Exemplare gedruckt hat. Dass sie am Ende alles bezahlen konnten, dafür gebührt ein großer Dank dem sächsischen Kultusministerium. Dr. Fabian Kaulfürst und Simon Blum (er arbeitet auch im Sorbischen Institut) haben bei dieser Gelegenheit hervorgehoben, dass es in diesem Buch um eine gute, richtige, saubere und originale Schleifer Sprache geht. Sie ist ein Dokument einer noch lebendigen sorbischen Sprache, und brauchte deshalb eine praktische Hilfe. Jan Hrjehor als Leiter der Schleifer Schule sagte dazu, dass er dieses Buch im Sorbischunterricht nutzen wird.
Im Buch wird meistens der Name „Schleifer Dialekt“ verwendet, und zwar als eine Variante der sorbischen Sprache im Herzen der Lausitz. Das Wort „Dialekt“ aber nichts Minderwertiges – sagte dazu Dr. Heinz Richter.
Jeder Dialekt, egal wo auf der Welt, ist auch eine Sprache!
Düstere Prognose für das Kirchspiel Schleife - stirbt sorbischer Dialekt aus?
Lausitzer Rundschau10. Dezember 2022
Acht Dörfer gehören zum Schleifer Kirchspiel. In keiner anderen Region des Landkreises Görlitz ist das Sorbische noch so präsent. Jetzt ist sogar ein eigener Sprachführer für das Schleifer Sorbisch erschienen. Doch die Zukunft scheint düster. Von Torsten Richter-Zippack
Wie kommt ein gebürtiger Potsdamer dazu, das Schleifer Sorbisch zu lernen? Und sogar ein Werk über dieses Thema mitzuverfassen? Diese Fragen werden derzeit Simon Blum gestellt. Schließlich ist der junge Mann Mitautor eines 343-seitigen, mehr als ein Kilogramm schweren Buches namens „Slepjanski rozprajak“, zu Deutsch „Schleifer Sprachführer“. Gemeinsam mit Juliana Kaulfürst vom Sorbischen Institut und mithilfe weiterer Protagonisten hat der studierte Linguistiker und Sorabist das Standardwerk für das Schleifer Sorbisch geschaffen. Als Herausgeber fungieren der Verein Kólesko sowie das Sorbische Institut.
„Schuld“ daran sei sein Großvater Hanzo Mrosk aus Trebendorf. Der 89-Jährige bezeichnet sich selbst als sorbischen Muttersprachler. „Deutsch habe ich erst in der Schule gelernt“, erklärt er. Der ehemalige Rettungswagenfahrer kennt wie kaum ein zweiter die Feinheiten des Schleifer Dialekts. Diese von Herzen kommende Verbundenheit zu Sprache und Heimat habe sich auf seinen Enkelsohn Simon Blum übertragen. „Er spricht mittlerweile perfekt Sorbisch“, lobt Hanzo Mrosk. Inzwischen lebt der Enkel selbst in Trebendorf.
Als besonders wertvoll bezeichnet die Fachfrau die Unterstützung der Sorbisch-Expertin Juliana Kaulfürst. Die Wissenschaftlerin, die ebenfalls zum Verein Kólesko gehört, übersetzte unter anderem uralte sorbische Handschriften mit Hinweisen auf Trachtenteile.
Wie viele Menschen noch das Schleifer Sorbisch können
Allerdings gibt es nicht mehr viele Menschen, die tatsächlich das Schleifer Sorbisch beherrschen. Die „Brücke zwischen dem Nieder- und dem Obersorbischen“ werde vielleicht noch von 100 Menschen benutzt, schätzt Sprachforscher Dr. Hync Rychtar. Zum Vergleich: In den acht Dörfern des Schleifer Kirchspiels leben heute insgesamt rund 4500 Menschen. Der frühere wissenschaftliche Mitarbeiter des Institutes für Sorabistik der Universität Leipzig prognostiziert, dass dies viel zu wenige seien, um diesen Dialekt des Sorbischen auf Dauer zu erhalten. „In vielleicht zehn Jahren werden die letzten Urmutterspracher verstorben sein“ so Rychtar Dann werde es noch ein paar Enthusiasten geben, die versuchen, das Schleifer Sorbisch weiter am Leben zu erhalten. Aber letztlich werde dieser Dialekt wohl nicht überleben.
Was die Gründe für den Niedergang des Schleifer Sorbisch sind
Das zeigt auch ein Blick in die Umgebung des Kirchspiels Schleife. Der einstige Muskauer Dialekt werde längst nicht mehr gesprochen, der ehemalige Blunoer Dialekt auch kaum noch. „Da lässt sich nichts mehr machen“, resümiert Hync Rychtar, der seit Anfang Dezember nach einem halben Jahrhundert Leipzig wieder in seinem Heimatdorf Schleife lebt. Letztlich trage am langsamen Tod dieser Dialekte nicht nur die extrem geringe Anzahl der Nutzer bei, sondern auch der Umstand, dass diese Sprachformen auf dem ländlichen und kirchlichen Leben basieren und sich nur wenig weiterentwickeln. Deshalb sei es aber umso wichtiger, dass es Leute wie Simon Blum, Juliana Kaulfürst und weitere gibt, die das Schleifer Sorbisch jetzt in ein dickes schweres Buch gepackt haben. Blum hat sich dabei um die Grammatik gekümmert. Die habe es, wie generell in den slawischen Sprachen, in sich. So gebe es beispielsweise für das Wort „wjes“, auf Deutsch „Dorf“, 17 unterschiedliche Formen. Im Deutschen seien es dagegen vier. Weitere Begriffe würden von Dorf zu Dorf verschieden ausgesprochen. „Langweilig wird es jedenfalls nie“, kommentiert Simon Blum.
Wer das fundierteste Wissen über den Schleifer Dialekt besitzt
Die Autoren konnten für ihr Projekt, das eines von zehn Arbeitspaketen des Sorbischen Institutes für das Schleifer Sorbisch darstellt, auf eine reiche Vorarbeit zurückgreifen. Beispielsweise von Hync Rychtar. Der Wissenschaftler hatte jahrzehntelang entsprechendes Wortgut gesammelt. Nach Angaben von Sprachwissenschaftler Dr. Fabian Kaulfürst, besitzt Hync Rychtar das breiteste und fundierteste Wissen über das Schleifer Sorbisch.
Die Idee für den jetzigen Sprachführer geht übrigens auf Hartmut Hantscho zurück. Der Schleifer hat in der Vergangenheit schon mehrere Buchprojekte begleitet. Jetzt arbeitet er an der Schleifer Chronik, die bereits im kommenden Jahr erscheinen soll. Ebenfalls für 2023 sei der dritte Teil des Trachtenbandes mit dem Titel „Hohe Feste“ unter Regie von Hantschos Schwester Elvira Hantscho geplant.
Der Sprachführer für das Schleifer Sorbisch Das 343 Seiten umfassende Hartcover-Buch setzt sich aus vier Teilen zusammen. Zu den allgemeinen Informationen über die Schleifer Sprachlandschaft gesellt sich die Alltagskommunikation mit entsprechenden Beispielen. Darüber hinaus fehlt auch die Grammatik mit diversen Tabellen nicht. Das Buch wird abgerundet durch ein Wörterverzeichnis mit rund 2700 Einträgen. Zudem gibt es ein reichhaltiges Quellen- und Literaturverzeichnis. Der Sprachführer ist zum Preis von 20 Euro unter anderem im Sorbischen Kulturzentrum Schleife sowie in den Lodkas in Bautzen und Cottbus erhältlich.
Reise ins Inland - Gastbeitrag von Marc Oliver Rühle
Der Beitrag - Reise ins Inland - wurde auf der Web-Seite "Sorbisch? Na klar" des Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus unter nachfolgendem Link veröffentlicht:
https://www.sorbisch-na-klar.de/reise-ins-inland-gastbeitrag-von-marc-oliver-ruehle/
Schönster Weihnachtsgruß
Nowy casnik18. März 2021
Kólesko-Verein Sieger beim Wettbewerb „schönster Weihnachtsgruß“
Entscheidung der polnischen Gemeinde Bogatynia. Von Juliana Kaulfürst
Schleife. Im vergangenen Jahr, vor dem zweiten Lockdown, ist der Schleifer Verein „Kólesko“ der Bitte der Kirchengemeinde Schleife gefolgt und hat ein Video als Weihnachtsgruß für die Gemeindeglieder gedreht. Das haben die Sängerinnen und Sänger gern getan; sie wählten zwei Choräle aus, die sie in der Schleifer Kirche gesungen haben (Na poli su šaparje, Něnt chwal ty Boga, ćěsćijan). Zwischen den Chorälen las Juliana Kaulfürstowa einen Schleifer Weihnachtsgruß von Hanzo Hantšo-Hano an seinen Freund Willibald von Schulenburg aus dem Jahre 1896.
Dieses Video, das Gerald Schön gedreht und geschnitten hat, war und (ist noch) auf der Internetseite der Kirchengemeinde Schleife und des Kólesko-Vereins (https://www.kolesko.de/sb/projekty/weihnachtsgruss-2) zu sehen. Im Januar 2021 hat die polnische Gemeinde dazu aufgerufen, digitale Weihnachtsgrüße zum Wettbewerb „Koleda 2021 – Auf kulturellem Weg durch das Dreiländereck“ einzureichen. Das Sorbische Museum in Bautzen hat vermittelt, und so wurde auf Youtube als Beispiel aus der sorbischen Lausitz neben einem Video des Chores Budyšin auch der Gruß von „Kólesko“ vorgestellt. Einen Monat konnte online abgestimmt werden und Ende Februar kam die Nachricht, dass die Mitglieder von „Kólesko“ den Preis für den schönsten Weihnachtsgruß gewonnen haben. Am Mittwoch, dem 17. März, wurde die Urkunde im Landratsamt Bautzen überreicht.
So sitzt die Schleifer Tracht
Lausitzer Rundschau07. Dezember 2020
Tradition Die sorbischen Kindertrachten gelten als die schönsten des Schleifer Kirchspiels. Elvira Hantscho hat die Regeln fürs Anziehen aufgeschrieben. Von Torsten Richter-Zippack
Erst die Strumpfhose, dann der Unterrock. Anschließend das Kittelchen, der rote Rock, die Schürze, das Halstuch, die Haube und weitere Utensilien. Aus insgesamt zwölf Teilen setzt sich die sorbische Schleifer Mädchentracht zusammen. Die Grundfarbe ist rot. „Die Kindertrachten der kleinen Mädchen sind wohl die schönsten unserer Schleifer Tracht“, sagt Elvira Hantscho. Die 48-Jährige muss es wissen: Schließlich gilt sie als ausgemachte Expertin für die Trachten des Schleifer Kirchspiels.
Damit die Tracht bei den Kindern immer korrekt sitzt, hat Elvira Hantscho gemeinsam mit weiteren Protagonisten ihres Vereins Kólesko eine neue Broschüre veröffentlicht. In dem 40-seitigen Werk „Die Schleifer Kindertracht“ werden die Bestandteile der Tracht und die korrekte Anziehordnung beschrieben. „Damit geht ein großer Wunsch vieler Eltern in unserem Kirchspiel in Erfüllung“, sagt Hantscho. Darüber hinaus sei sie immer wieder von den örtlichen Kindereinrichtungen deswegen angesprochen worden. Elvira Hantscho kommt selbst aus einer Schleifer Familie. „Ich habe bereits im Alter von drei oder vier Jahren die sorbische Tracht mit Freude getragen“, erinnert sich die Tochter von Altbürgermeister Helmut Hantscho. Das Trachtenleben beginnt stets mit den klassischen Rottönen der Mädchen. Je älter diese werden, desto stärker treten weitere Farben in den Vordergrund, insbesondere Blau und Grün. Das geschieht bereits mit dem Eintritt ins Schulalter. Feiern die Kinder dann ihre Konfirmation, dürfen sie erstmals die klassischen Kirchgangstrachten tragen.
Trachten in vielen Varianten
Allein von diesen existieren im Kirchspiel um die 150 Varianten, hat Elvira Hantscho recherchiert. Beispielsweise gebe es nur für das Abendmahl verschiedene Trachten für verheiratete und unverheiratete Frauen. Mehr noch: Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Trachten nicht unerheblich gewandelt. „Vieles davon ist leider nicht mehr bekannt“, bedauert Hantscho. Zahlreiche ältere Trachtenträgerinnen leben nicht mehr, die hätten Auskunft geben können. Andere wiederum erinnern sich nur mittels ganz spezieller Fragen. So detailliert niedergeschrieben, wie es Elvira Hantscho jetzt getan hat, hat es zuvor noch niemand. Selbst wer sich sämtliche Kindertrachtenteile besorgt hat, muss nicht wenig beachten. „Die Schürze darf nie länger oder kürzer sein als der Rock“, erklärt Elvira Hantschos Bruder Hartmut Hantscho, der sich ebenfalls in die Broschüre eingebracht hat. „Der Rock muss wie angegossen passen. Und für das Umsetzen der Haube gibt es spezielle Handgriffe. Zum Beispiel ist hierbei das Binden der Haare besonders wichtig“, sagt der Fachmann. „Ich sehe sofort, ob jemand korrekt angezogen ist“, sagt Elvira Hantscho. Für ihre Broschüre hat die Schleiferin mehrere Kinder aus der Kindertagesstätte in Rohne gewonnen. Die zweijährige Paula Ladusch und der ein Jahr ältere Toni Tschöpel durften für die von Gerald Schön, dem künstlerischen Leiter der Kólesko-Gesangsgruppe, angefertigten Fotos Modell stehen. Ebenso die sechsjährige Julia Hantscho, die Tochter von Hartmut Hantscho. Elvira Hantscho trägt zu festlichen Anlässen selbst stets die sorbische Tracht. Seit mehr als 20 Jahren befasst sich die gelernte Bankkaurau mit dieser Thematik. In ihre Fußstapfen tritt die 18-jährige Tochter Rebecca, die ebenfalls sämtliche Kinder- und Jugendtrachten-Zeiten durchleben durfte.
Nähstube für sorbische Trachten
Seit rund zwei Monaten ist Elvira Hantscho Inhaberin einer eigenen Nähstube für sorbische Trachten. Nur einen Steinwurf vom Sorbischen Kulturzentrum entfernt entstehen ganz individuell zugeschnittene Trachtenteile, werden defekte Sachen wieder in Ordnung gebracht. Wer will, kann sich dort sogar eine komplette neue sorbische Kindertracht zusammen schneidern lassen. Die 48-Jährige verfolgt damit insbesondere ein Ziel: „Ich habe die große Hoffnung, dass es auch in Zukunft viele, viele Gelegenheiten gibt, bei denen die Kindertracht zu sehen ist. Dafür leiste ich meinen kleinen Beitrag.“
Die Schleifer Trachten-Trilogie wächst
Lausitzer Rundschau19. Dezember 2020
Pünktlich vor Weihnachten ist der zweite Teil der Schleifer Trachtenbuch-Trilogie erschienen. Die Vielfalt der Trachten hat Autorin Elvira Hantscho fast verzweifeln lassen. Von Torsten Richter-Zippack
Die Schleifer sorbische Tracht gibt es nicht. Stattdessen besteht die Tracht des Kirchspiels aus den verschiedensten Teilen und Variationen. Zu jedem Anlass und zu jedem Lebensabschnitt unterscheiden sich die Kleidungsstücke und ihre Farben. Dominiert bei den Kindern noch das Rot, treten in zunehmendem Alter eher Blau und Grün in den Vordergrund. Darüber hinaus gibt es Festtagstrachten, Trauertrachten, Alltagstrachten und noch viele mehr.
Die Schleifer Trachtenexpertin Elvira Hantscho hat jetzt mit ihrem Verein Kólesko ein Buch herausgebracht, das die Schleifer Trachten im Kirchenjahr behandelt. „Die Recherchen dafür waren extrem aufwendig“, berichtet die 48-Jährige. Als Grundlage dienten vor allem Fotos, davon sehr viele in schwarz-weiß, ebenso ältere Trachtenbücher. „In diesen Werken werden die Kleidungsvariationen in erster Linie über Bilder präsentiert, allerdings sind die notwendigen Beschreibungen meist ziemlich knappgehalten“, weiß Hantscho. Manchmal waren die Aussagen widersprüchlich. Über-Kreuz-Vergleiche halfen da weiter. „Die Vielfalt unserer Tracht kann einen wirklich fast zum Verzweifeln bringen“, resümiert Elvira Hantscho. Beispielsweise bei Trauerfällen: „Da gibt es je nach Verwandtschaftsgrad unterschiedliche Trauerzeiten, etwa Volltrauer, Tieftrauer, Halbtrauer und Austrauer. Danach unterscheiden auch auch die Trachtenteile“, berichtet Elvira Hantscho. Während Verwandte ersten Grades insgesamt ein Jahr in der Trauertracht gingen, war dies für Verwandte zweiten Grades ein halbes Jahr der Fall.
Als besonders wertvoll bezeichnet die Fachfrau die Unterstützung der Sorbisch-Expertin Juliana Kaulfürst. Die Wissenschaftlerin, die ebenfalls zum Verein Kólesko gehört, übersetzte unter anderem uralte sorbische Handschriften mit Hinweisen auf Trachtenteile.
Nicht zuletzt hat Elvira Hantscho eine ganze Anzahl älterer Frauen befragt, welche Trachtenteile früher getragen worden sind. „Manche wussten das nicht mehr genau, aber als wir auf entsprechende Ereignisse, beispielsweise Trauerfeiern, zu sprechen kamen, kamen die Erinnerungen wieder. Die gelernte Bankkauffrau ist mit der Schleifer Tracht von Anfang an verwurzelt. Sie trägt bereits seit dem Kleinkindalter Tracht. Die 48-Jährige hilft außerdem beim Ankleiden und schneidert in ihrer eigenen Nähstube diverse Teile auch selbst. Mit ihrem Fundus kann Hantscho inzwischen alle Trachtenvariationen abdecken. Zudem kauft der Verein Kólesko historische Trachtenteile auf.
„Wir dürfen die Erinnerung an unsere so vielfältige Tracht nicht verlorengehen lassen“; beschreibt die Schleiferin ihre Intention. Denn das wäre ein kultureller Verlust ohnegleichen. Das Besondere der Schleifer Tracht sei ihre Authentizität, ihre Ursprünglichkeit. Während in anderen Gegenden der sorbischen Lausitz Trachten industriell hergestellt werden, beispielsweise im Spreewald, ist dies im Schleifer Kirchspiel in den meisten Fällen nach wie vor Handarbeit.
Die Männer haben in Schleife allerdings das Nachsehen. „Eine entsprechende Tracht ist mir nicht wirklich bekannt“, sagt Elvira Hantscho. Lediglich der pragmatische Kirchgangsmantel und diverse Tücher zu verschiedenen Anlässen deuten darauf hin. Nicht zu vergessen ist der Gehrock, der bei Hochzeiten getragen wurde.
Teil zwei der Schleifer Trachtenbuch-Trilogie ist ab sofort unter anderem beim Verein Kólesko sowie im Sorbischen Kulturzentrum Schleife zu haben. Dort gibt es auch Band eins, der im vergangenen Jahr erschienen war. Dieses Werk behandelt die Trachten des Christkindes und seiner beiden Begleiterinnen.
Band drei ist bereits in Arbeit
Wann der finale Band der Schleifer Trachtenbuch-Trilogie erscheinen wird, ist derzeit noch unklar. Fest steht allerdings das Thema. In dem Buch sollen die Schleifer Trachten zu verschiedenen hohen Festen und Alltag behandelt werden. In erster Linie geht es um sorbische Hochzeiten, ebenso um Taufen und um die Ausgangs- und Tanztrachten. In das Werk soll auch die bereits im Dezember 2020 publizierte Broschüre über die Kindertrachten einfließen, kündigen die Protagonisten vom Verein Kólesko als Herausgeber an.
Sorbischer evangelischer Kirchentag in Schleife
11.06.20239:30 Uhr Ev. Kirche Schleife
Mitwirkung beim Sorbischen evangelischen Kirchentag in Schleife