Aktuell/Termine
Reise ins Inland - Gastbeitrag von Marc Oliver Rühle
Der Beitrag - Reise ins Inland - wurde auf der Web-Seite "Sorbisch? Na klar" des Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus unter nachfolgendem Link veröffentlicht:
https://www.sorbisch-na-klar.de/reise-ins-inland-gastbeitrag-von-marc-oliver-ruehle/
Schönster Weihnachtsgruß
Nowy casnik18. März 2021
Kólesko-Verein Sieger beim Wettbewerb „schönster Weihnachtsgruß“
Entscheidung der polnischen Gemeinde Bogatynia. Von Juliana Kaulfürst
Schleife. Im vergangenen Jahr, vor dem zweiten Lockdown, ist der Schleifer Verein „Kólesko“ der Bitte der Kirchengemeinde Schleife gefolgt und hat ein Video als Weihnachtsgruß für die Gemeindeglieder gedreht. Das haben die Sängerinnen und Sänger gern getan; sie wählten zwei Choräle aus, die sie in der Schleifer Kirche gesungen haben (Na poli su šaparje, Něnt chwal ty Boga, ćěsćijan). Zwischen den Chorälen las Juliana Kaulfürstowa einen Schleifer Weihnachtsgruß von Hanzo Hantšo-Hano an seinen Freund Willibald von Schulenburg aus dem Jahre 1896.
Dieses Video, das Gerald Schön gedreht und geschnitten hat, war und (ist noch) auf der Internetseite der Kirchengemeinde Schleife und des Kólesko-Vereins (https://www.kolesko.de/sb/projekty/weihnachtsgruss-2) zu sehen. Im Januar 2021 hat die polnische Gemeinde dazu aufgerufen, digitale Weihnachtsgrüße zum Wettbewerb „Koleda 2021 – Auf kulturellem Weg durch das Dreiländereck“ einzureichen. Das Sorbische Museum in Bautzen hat vermittelt, und so wurde auf Youtube als Beispiel aus der sorbischen Lausitz neben einem Video des Chores Budyšin auch der Gruß von „Kólesko“ vorgestellt. Einen Monat konnte online abgestimmt werden und Ende Februar kam die Nachricht, dass die Mitglieder von „Kólesko“ den Preis für den schönsten Weihnachtsgruß gewonnen haben. Am Mittwoch, dem 17. März, wurde die Urkunde im Landratsamt Bautzen überreicht.
So sitzt die Schleifer Tracht
Lausitzer Rundschau07. Dezember 2020
Tradition Die sorbischen Kindertrachten gelten als die schönsten des Schleifer Kirchspiels. Elvira Hantscho hat die Regeln fürs Anziehen aufgeschrieben. Von Torsten Richter-Zippack
Erst die Strumpfhose, dann der Unterrock. Anschließend das Kittelchen, der rote Rock, die Schürze, das Halstuch, die Haube und weitere Utensilien. Aus insgesamt zwölf Teilen setzt sich die sorbische Schleifer Mädchentracht zusammen. Die Grundfarbe ist rot. „Die Kindertrachten der kleinen Mädchen sind wohl die schönsten unserer Schleifer Tracht“, sagt Elvira Hantscho. Die 48-Jährige muss es wissen: Schließlich gilt sie als ausgemachte Expertin für die Trachten des Schleifer Kirchspiels.
Damit die Tracht bei den Kindern immer korrekt sitzt, hat Elvira Hantscho gemeinsam mit weiteren Protagonisten ihres Vereins Kólesko eine neue Broschüre veröffentlicht. In dem 40-seitigen Werk „Die Schleifer Kindertracht“ werden die Bestandteile der Tracht und die korrekte Anziehordnung beschrieben. „Damit geht ein großer Wunsch vieler Eltern in unserem Kirchspiel in Erfüllung“, sagt Hantscho. Darüber hinaus sei sie immer wieder von den örtlichen Kindereinrichtungen deswegen angesprochen worden. Elvira Hantscho kommt selbst aus einer Schleifer Familie. „Ich habe bereits im Alter von drei oder vier Jahren die sorbische Tracht mit Freude getragen“, erinnert sich die Tochter von Altbürgermeister Helmut Hantscho. Das Trachtenleben beginnt stets mit den klassischen Rottönen der Mädchen. Je älter diese werden, desto stärker treten weitere Farben in den Vordergrund, insbesondere Blau und Grün. Das geschieht bereits mit dem Eintritt ins Schulalter. Feiern die Kinder dann ihre Konfirmation, dürfen sie erstmals die klassischen Kirchgangstrachten tragen.
Trachten in vielen Varianten
Allein von diesen existieren im Kirchspiel um die 150 Varianten, hat Elvira Hantscho recherchiert. Beispielsweise gebe es nur für das Abendmahl verschiedene Trachten für verheiratete und unverheiratete Frauen. Mehr noch: Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Trachten nicht unerheblich gewandelt. „Vieles davon ist leider nicht mehr bekannt“, bedauert Hantscho. Zahlreiche ältere Trachtenträgerinnen leben nicht mehr, die hätten Auskunft geben können. Andere wiederum erinnern sich nur mittels ganz spezieller Fragen. So detailliert niedergeschrieben, wie es Elvira Hantscho jetzt getan hat, hat es zuvor noch niemand. Selbst wer sich sämtliche Kindertrachtenteile besorgt hat, muss nicht wenig beachten. „Die Schürze darf nie länger oder kürzer sein als der Rock“, erklärt Elvira Hantschos Bruder Hartmut Hantscho, der sich ebenfalls in die Broschüre eingebracht hat. „Der Rock muss wie angegossen passen. Und für das Umsetzen der Haube gibt es spezielle Handgriffe. Zum Beispiel ist hierbei das Binden der Haare besonders wichtig“, sagt der Fachmann. „Ich sehe sofort, ob jemand korrekt angezogen ist“, sagt Elvira Hantscho. Für ihre Broschüre hat die Schleiferin mehrere Kinder aus der Kindertagesstätte in Rohne gewonnen. Die zweijährige Paula Ladusch und der ein Jahr ältere Toni Tschöpel durften für die von Gerald Schön, dem künstlerischen Leiter der Kólesko-Gesangsgruppe, angefertigten Fotos Modell stehen. Ebenso die sechsjährige Julia Hantscho, die Tochter von Hartmut Hantscho. Elvira Hantscho trägt zu festlichen Anlässen selbst stets die sorbische Tracht. Seit mehr als 20 Jahren befasst sich die gelernte Bankkaurau mit dieser Thematik. In ihre Fußstapfen tritt die 18-jährige Tochter Rebecca, die ebenfalls sämtliche Kinder- und Jugendtrachten-Zeiten durchleben durfte.
Nähstube für sorbische Trachten
Seit rund zwei Monaten ist Elvira Hantscho Inhaberin einer eigenen Nähstube für sorbische Trachten. Nur einen Steinwurf vom Sorbischen Kulturzentrum entfernt entstehen ganz individuell zugeschnittene Trachtenteile, werden defekte Sachen wieder in Ordnung gebracht. Wer will, kann sich dort sogar eine komplette neue sorbische Kindertracht zusammen schneidern lassen. Die 48-Jährige verfolgt damit insbesondere ein Ziel: „Ich habe die große Hoffnung, dass es auch in Zukunft viele, viele Gelegenheiten gibt, bei denen die Kindertracht zu sehen ist. Dafür leiste ich meinen kleinen Beitrag.“
Die Schleifer Trachten-Trilogie wächst
Lausitzer Rundschau19. Dezember 2020
Pünktlich vor Weihnachten ist der zweite Teil der Schleifer Trachtenbuch-Trilogie erschienen. Die Vielfalt der Trachten hat Autorin Elvira Hantscho fast verzweifeln lassen. Von Torsten Richter-Zippack
Die Schleifer sorbische Tracht gibt es nicht. Stattdessen besteht die Tracht des Kirchspiels aus den verschiedensten Teilen und Variationen. Zu jedem Anlass und zu jedem Lebensabschnitt unterscheiden sich die Kleidungsstücke und ihre Farben. Dominiert bei den Kindern noch das Rot, treten in zunehmendem Alter eher Blau und Grün in den Vordergrund. Darüber hinaus gibt es Festtagstrachten, Trauertrachten, Alltagstrachten und noch viele mehr.
Die Schleifer Trachtenexpertin Elvira Hantscho hat jetzt mit ihrem Verein Kólesko ein Buch herausgebracht, das die Schleifer Trachten im Kirchenjahr behandelt. „Die Recherchen dafür waren extrem aufwendig“, berichtet die 48-Jährige. Als Grundlage dienten vor allem Fotos, davon sehr viele in schwarz-weiß, ebenso ältere Trachtenbücher. „In diesen Werken werden die Kleidungsvariationen in erster Linie über Bilder präsentiert, allerdings sind die notwendigen Beschreibungen meist ziemlich knappgehalten“, weiß Hantscho. Manchmal waren die Aussagen widersprüchlich. Über-Kreuz-Vergleiche halfen da weiter. „Die Vielfalt unserer Tracht kann einen wirklich fast zum Verzweifeln bringen“, resümiert Elvira Hantscho. Beispielsweise bei Trauerfällen: „Da gibt es je nach Verwandtschaftsgrad unterschiedliche Trauerzeiten, etwa Volltrauer, Tieftrauer, Halbtrauer und Austrauer. Danach unterscheiden auch auch die Trachtenteile“, berichtet Elvira Hantscho. Während Verwandte ersten Grades insgesamt ein Jahr in der Trauertracht gingen, war dies für Verwandte zweiten Grades ein halbes Jahr der Fall.
Als besonders wertvoll bezeichnet die Fachfrau die Unterstützung der Sorbisch-Expertin Juliana Kaulfürst. Die Wissenschaftlerin, die ebenfalls zum Verein Kólesko gehört, übersetzte unter anderem uralte sorbische Handschriften mit Hinweisen auf Trachtenteile.
Nicht zuletzt hat Elvira Hantscho eine ganze Anzahl älterer Frauen befragt, welche Trachtenteile früher getragen worden sind. „Manche wussten das nicht mehr genau, aber als wir auf entsprechende Ereignisse, beispielsweise Trauerfeiern, zu sprechen kamen, kamen die Erinnerungen wieder. Die gelernte Bankkauffrau ist mit der Schleifer Tracht von Anfang an verwurzelt. Sie trägt bereits seit dem Kleinkindalter Tracht. Die 48-Jährige hilft außerdem beim Ankleiden und schneidert in ihrer eigenen Nähstube diverse Teile auch selbst. Mit ihrem Fundus kann Hantscho inzwischen alle Trachtenvariationen abdecken. Zudem kauft der Verein Kólesko historische Trachtenteile auf.
„Wir dürfen die Erinnerung an unsere so vielfältige Tracht nicht verlorengehen lassen“; beschreibt die Schleiferin ihre Intention. Denn das wäre ein kultureller Verlust ohnegleichen. Das Besondere der Schleifer Tracht sei ihre Authentizität, ihre Ursprünglichkeit. Während in anderen Gegenden der sorbischen Lausitz Trachten industriell hergestellt werden, beispielsweise im Spreewald, ist dies im Schleifer Kirchspiel in den meisten Fällen nach wie vor Handarbeit.
Die Männer haben in Schleife allerdings das Nachsehen. „Eine entsprechende Tracht ist mir nicht wirklich bekannt“, sagt Elvira Hantscho. Lediglich der pragmatische Kirchgangsmantel und diverse Tücher zu verschiedenen Anlässen deuten darauf hin. Nicht zu vergessen ist der Gehrock, der bei Hochzeiten getragen wurde.
Teil zwei der Schleifer Trachtenbuch-Trilogie ist ab sofort unter anderem beim Verein Kólesko sowie im Sorbischen Kulturzentrum Schleife zu haben. Dort gibt es auch Band eins, der im vergangenen Jahr erschienen war. Dieses Werk behandelt die Trachten des Christkindes und seiner beiden Begleiterinnen.
Band drei ist bereits in Arbeit
Wann der finale Band der Schleifer Trachtenbuch-Trilogie erscheinen wird, ist derzeit noch unklar. Fest steht allerdings das Thema. In dem Buch sollen die Schleifer Trachten zu verschiedenen hohen Festen und Alltag behandelt werden. In erster Linie geht es um sorbische Hochzeiten, ebenso um Taufen und um die Ausgangs- und Tanztrachten. In das Werk soll auch die bereits im Dezember 2020 publizierte Broschüre über die Kindertrachten einfließen, kündigen die Protagonisten vom Verein Kólesko als Herausgeber an.
Die Wissens-Konservierer
Struga MagazinDezember 2020
Wie die Mitglieder des Vereines Kólesko e.V. im Wettlauf gegen die Zeit kostbare Schleifer Geschichte(n) bewahren
Die Mitglieder des Schleifer Vereins Kólesko meistern seit knapp 10 Jahren einen außergewöhnlichen Marathon. Ihre Mission gleicht einem Wettlauf gegen die Zeit, bei dem es gilt, zügig und zugleich gründlich zu sein. Denn der Verein Kólesko e.V. konserviert ein kostbares und äußerst flüchtiges Gut: altes Wissen aus Schleifer Vergangenheit. Von Christiane Klein
„Es ist eine mühselige Arbeit“, seufzt Hartmut Hantscho und zählt auf, was ihm und den anderen Hobbyhistorikern das Leben so schwer macht: „Es gibt keine Wissensträger mehr, kaum schriftliche Dokumente und nur ganz wenige Fotos. Und die wenigen Quellen, die existieren, sind häufig so spärlich archiviert, dass oft wichtige Angaben wie Jahreszahlen, Namen von Personen oder Ortsangaben fehlen. Und die wenigen Zeitzeugen werden immer älter und erzählen immer weniger.“ Im Jahr 2011 hat er sich mit einigen anderen Schleifern zusammengetan, um der Vergangenheit auf den Grund zu gehen und das, was an Wissen über die alte Zeit noch vorhanden war, festzuhalten. So umfangreich wie möglich, so genau wie möglich und so verständlich wie möglich, damit kommende Generationen verstehen, wo ihre Wurzeln liegen, was ihre Heimat in alter Zeit geprägt hat und wer ihre Vorfahren waren. Wer Geschichte in einem so engen Rahmen wie der Verein Kólesko e.V. bewahrt, dessen Suche nach Fakten gleicht sprichwörtlich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Denn wie die Menschen im Kirchspiel früher gelebt und gearbeitet haben, welche Trachten sie zu welchen Anlässen trugen, ihre Lieder und Sagen, Sitten und Bräuche waren den Leuten zur damaligen Zeit so vertraut und selbstverständlich, dass es nahezu nirgendwo niedergeschrieben wurde.
Wenige Quellen
Die wenigen greifbaren Quellen, die es zur Kultur- und Entwicklungsgeschichte des Kirchspiels gibt, macht Hartmut Hantscho gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Vereins ausfindig und wertet sie aus. Gerade einmal 18 Mitglieder zählt der kleine Verein. Im Vergleich dazu wirkt die Liste der Ziele, die der Verein Kólesko e.V. auf seiner Internetseite www.kolesko.de niedergeschrieben hat, einmal mehr wie ein Mammutprojekt:
◆ Dokumentation, Publikation und Pflege der regionalen sorbischen Sprachvariante des Kirchspiels Schleife – des Schleifer Sorbisch
(Slěpjańska serbšćina, slěpjańšćina) – sowie die Erstellung von sprachkundlichen Beschreibungen
◆ Dokumentation der sorbischen Tracht des Kirchspiels Schleife und ihrer Varianten, Aufarbeitung und Herstellung, Tragen und Sichtbarmachen der Schleifer Tracht bei den verschiedensten Anlässen
◆ Pflege und Bewahrung des sorbischen Volksliedgutes und der traditionellen Musizierweise des Kirchspiels Schleife
◆ Pflege und Fortführung von sorbischen Bräuchen und Traditionen des Kirchspiels Schleife
◆ Dokumentation und Aufarbeitung der sorbischen Kulturgeschichte des Kirchspiels Schleife wie Sagen, Märchen, Sprichwörter, Erzählungen und Namenkunde
◆ Dokumentation und Aufarbeitung der historischen Entwicklungsgeschichte des Schleifer Kirchspiels in Wort und Bild
◆ Dokumentation der bildenden Kunst des Kirchspiels Schleife
◆ Bereitstellung der Ergebnisse der bereits dokumentierten Schleifer Kulturgeschichte in Form von Veröffentlichungen und Druckerzeugnissen.
Für den Vereinsvorsitzenden Herrn Hantscho ist nicht die Frage der Anzahl der Köpfe im Verein entscheidend: „Ich brauche nicht viele. Ich brauche Leute, die was machen und was können.“ Die hat er. Auch wenn seit Sommer mit dem Tod von Dieter Reddo eine ganz entscheidende Stütze des Vereins weggebrochen ist. „Dieter fehlt uns“, sagt Hartmut Hantscho mit tiefem Bedauern.
Fülle an Publikationen
In den zurückliegenden Jahren ist es dem kleinen Verein gelungen, eine beeindruckende Fülle an Wissen festzuhalten. Das beweist der umfangreiche Stapel an Publikationen, die der Verein Kólesko e.V. inzwischen herausgegeben hat: Das „Schleifer Sagenbuch – Kak Slěpjańska cerkwja swój torm krydła“ gehört ebenso dazu wie das „Schleifer Gesangbuch – Kirchenlieder, Psalmen und Gebete“, ein Notenheft für Akkordeon, die CD „Slěpe jena rjana wjeska“ und das Schleifer Liederbuch „Daj mi jeno jajko, how maš hobej dwě“.
Die Bewahrung historischen Liedgutes spielt für den Verein Kólesko e.V. eine besondere Rolle und so hat der Verein nicht nur kirchliche Lieder ins Schleifer Sorbisch übersetzt, sondern lässt diese auch regelmäßig bei kleinen Konzerten erklingen.
Zweiter Teil des Trachtenbuches
„In diesem Jahr sind leider etliche Auftritte ausgefallen. Aber wir hatten auch so reichlich zu tun“, sagt Hartmut Hantscho mit Blick auf das neueste Werk. Anfang Dezember hat der Verein sein aktuelles Buch veröffentlicht. Auf den 1. Teil des Trachtenbuches „Dźěćetko“ folgte jetzt die Fortsetzung „Gładźarnica - Die Schleifer Tracht: II. Das Kirchenjahr“. Darin stehen das Fertigen und Ankleiden der verschiedenen Kirchgangs- und Trauertrachten im Kirchspiel Schleife im Mittelpunkt. In Wort und Bild bekommen Leser einen umfassenden Einblick in die Trachten, die zu besonderen kirchlichen Anlässen wie Weihnachten, Ostern, Passionszeit und Pfingsten getragen wurden, aber auch zu einfachen Gottesdiensten, zu Trauerfeiern und vielem mehr. Unterstützung hatte der Verein Kólesko e.V. diesmal durch den „Sächsischen Mitmach-Fonds“ 2019 erhalten, wo der Verein mit seiner Idee in der Kategorie Lebendige Zweisprachigkeit – Stärkung der sorbischen Sprache und Volksidentität ein Preisgeld erhielt. Der zweite Teil der Trachtenbuchreihe wird mit Sicherheit nicht die letzte Publikation der Schleifer Geschichtsforscher sein. Derzeit arbeiten die Mitglieder in Kooperation mit dem Sorbischen Institut Cottbus an einem Sorbischen Sprachführer. Parallel sind nach Angaben des Vereins „Gładźarnica – Die Schleifer Kindertracht. Ty sy cujare šwarnje hugótowana!“, „Gładźarnica - Die Schleifer Tracht: III. Hohe Feste und Alltag“ und eine „Bilderchronik – 750 Jahre Schleife“ in Arbeit. Trotz der enormen „Fleißarbeit“, die in jedem einzelnen Projekt steckt, „macht es auch Spaß. Und wir würden es nicht machen, wenn das Interesse nicht da wäre“, betont Hartmut Hantscho.
Ostersingen in Schleife am 12.04.2020
Pomhaj BóhMai 2020
In gewohnter Tradition versammelten sich am Ostersonntagmorgen beim Sonnenaufgang Sängerinnen auf den Bänken an der Gemeindekirche zum Ostersingen. Unter den sieben Sängerinnen in der sorbischen Tracht befand sich in diesem Jahr erstmals auch die Gemeindepfarrerin Jadwiga Mahling. Eine weitere Neuheit in diesem Jahr war, dass die Sängerinnen nicht wie bisher das sorbische Kirchengesangbuch verwendeten, sondern das neue Schleifer Liederbuch „Něnter comy Boga chwalić“, das der Schleifer Kólesko-Verein Anfang dieses Jahres herausgegeben hat. T.M.
Sorbisches Gesangbuch für das Schleifer Kirchspiel wurde präsentiert
Pomhaj BóhMärz 2020
Das Kirchspiel Schleife hat seit diesem Jahr sein eigenes Gesangbuch mit Chorälen im Schleifer Sorbisch. Unter dem Titel „Něnter comy Boga chwalić“ wurde es in mehrjähriger Arbeit von den Mitgliedern des Kólesko-Vereins zusammengestellt. Darüber haben Juliana Kaulfürst und der Vereinsvorsitzende Hartmut Hantšo bereits in einem Interview in der PB-Januarausgabe berichtet.
Die öffentliche Buchpräsentation fand am Samstagnachmittag, dem 25. Januar, in der Schleifer Kirche mit einer zweisprachigen Veranstaltung statt, zu der Juliana Kaulfürstowa rund 50 Interessenten begrüßen konnte. Aufgeteilt in mehrere thematische Bereiche interpretierte die Gesangsgruppe des Kólesko unter der Leitung von Gerald Schön Choräle für verschiedene Abschnitte und Anlässe des Kirchenjahres. Die Gemeindepfarrerin Jadwiga Mahling wies in ihrer Laudatio auf die religiösen sorbischen Traditionen des Schleifer Kirchspiels hin und würdigte das neue Liederbuch als einen Beitrag zur Stärkung der hiesigen christlichen und sorbischen Wurzeln. Nicht nur für die Veranstaltungen der Kirchengemeinde, sondern auch für die Weiterführung des Ostersingens bietet das Buch eine gute Grundlage. Mit Worten der Anerkennung, Blumen und einer Süßigkeit als Geschenk dankte die Pfarrerin für die geleistete Arbeit.
Der sorbische Superintendent Jan Mahling verwies in seinem Grußwort auf die alte Tradition bei den Sorben, dass außer den drei großen Kirchengesangbüchern – dem evangelischen ober- und niedersorbischen sowie dem katholischen – immer wieder auch besondere lokale Gesangbücher herausgegeben und verwendet wurden. In diese Tradition reiht sich jetzt auch das neue Schleifer Liederbuch ein. Zu der Neuerscheinung gratulierte auch der Superintendent Dr. Thomas Koppehl aus Niesky. Er sei stolz darauf, dass er in seinem Kirchenkreis jetzt eine Kirchgemeinde mit einem eigenen Gesangbuch hat und er betonte, dass die sorbische Kultur ein großer Reichtum für die evangelische Kirche sei. Beide Redner dankten allen, die an der Neuerscheinung beteiligt waren und wünschten dem Buch, dass es oft verwendet wird.
Die würdige Veranstaltung endete mit dem gemeinsam gesungenen bekannten Choral „Wjel´ki Bóžo, chwalbu ći“. Viele haben sich das Buch gleich dort gekauft. Der weitere Austausch wurde im Pfarrgemeinderaum auf dem Pfarrhof fortgesetzt, wo alle zu einem Imbiss und zur Unterhaltung eingeladen waren.
Trudla Mahling
Gott loben und preisen in Schleifer Sorbisch
Sächsische Zeitung29. Januar 2020
Der Verein Kólesko gibt nach jahrelanger Arbeit ein Gesangbuch mit Kirchenliedern,
Psalmen und Gebeten heraus. Von Andreas Kirschke
Endlich liegt es vor. Das Gesangbuche „Něnter comy Boga chwalić“ (Jetzt wollen wir Gott loben) ist das Ergebnis unzähliger Mühen und Fleißarbeit. „Seit 2014 waren wir mit Übersetzen befasst“, schildert Hartmut Hantscho, Vorsitzender des Vereins Kólesko. Jetzt liegt das Schleifer Gesangbuch vor.
Mit dem Advent fängt das Kirchenjahr an. Treffend begrüßte die Gesangsgruppe des Vereins Kólesko (Spinnrad) die Gemeinde bei der Vorstellung des Buches vor Besuchern aus der Ober- und Niederlausitz. „Kak powitam ja tebjo, mój Jezu nejlubšy?“ (Wie soll ich dich empfangen, liebster Jesus?), singen in Schleifer Sorbisch Juliana Kaulfürstowa, Anke Fischer, Elvira Hantscho, Carolin Markowski, Uwe Hermasch und Gerald Schön kraftvoll und mit ganzer Seele in der Kirche. Es folgen Lieder zu Weihnachten, zu den Heiligen Drei Königen, zur Passionszeit, zu Ostern, zu Pfingsten und zu Trinitatis. Schließlich singen sie Lieder zum Danken und Preisen sowie zum Ende des Kirchenjahres.
Es geht um viel mehr als Lieder
Vielseitig kann die Gemeinde das Buch nun nutzen. „Und das zu Andachten. In zweisprachigen Gottesdiensten. Zu unseren sorbischen Gemeindenachmittagen. Und zum Ostersingen in Schleife und in Rohne. Vielleicht eines Tages auch in den anderen Orten des Kirchspiels“, hofft Jadwiga Malinkowa, seit 2014 Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Schleife. „Das Gesangbuch bedeutet Stärkung der Wurzeln und der Identität. Zugleich kann mit ihm die Tradition des Ostersingens im Schleifer Kirchspiel bewahrt werden. Ein Werkzeug ist uns an die Hand gegeben.“
Es ermutigt, das Schleifer Sorbisch wiederzuentdecken, zu pflegen, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Es erinnert an die drei festen Säulen im Kirchspiel. Die Land- und Forstwirtschaft, der christliche Glaube und die sorbische Sprache haben die Dörfer immer geprägt. „Aufs Engste sind diese drei Säulen verbunden mit der Region“, sagt die Pfarrerin. „Und noch zu Zeiten der Pfarrer Matthäus Handrik und Gottfried Rösler in den 1920er- und 1930er-Jahren lernten die Konfirmanden in Psalmen, in Gebeten und im Chor diese Lieder. Auch im Alltag wurde viel gesungen: bei der Arbeit, auf den Singebänken, in der Spinnstube oder zur Weihnachtszeit.“ Im Hochsommer zogen die Mädchen singend in die Felder. Sie baten in der anhaltenden Trockenheit um Regen. Auch daran erinnert das 232-seitige Schleifer Gesangbuch. Es enthält Kirchenlieder, Psalmen und Gebete in Schleifer Sorbisch, ebenso eine kleine Lesehilfe und sprachliche Hinweise.
Die Finanzierung gelang mit Mitteln des Sorben- und Wenden-Beirates der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBBO), der Stiftung „Zuhause in Schleife, Rohne, Mulkwitz“ und der Evangelischen Kirchengemeinde Schleife.
Grundlage für das Schleifer Gesangbuch bildete die von 1884 stammende Sammlung „Stare lube kěrluški Slěpjańskeje Wosady“ (Alte liebe Kirchengesänge der Schleifer Kirchgemeinde) des Schleifer Kleinbauern Hanzo Šymko (Johann Schimko). Hinzu kamen Archiv-Aufnahmen aus den 1950er Jahren, welche die Art und Weise dieses Gesangs dokumentieren. Eine weitere wertvolle Quelle war ein Brief des Schleifer Sägewerks-Besitzers und Schriftstellers Jakub Lorenc-Zalěskis von 1925. Darin nennt er neun typische Schleifer sorbische Osterlieder.
Nach Auswahl der Gesangslieder sorgte Juliana Kaulfürstowa für die Übersetzungen. Dr. Hync Rychtaŕ übersetzte ebenfalls und korrigierte sorgfältig. Dieter Reddo aus Trebendorf beriet bei dem Projekt immer wieder. Gerald Schön sorgte für die umfangreichen Notierungen der Liedtexte und für die Digitalisierung der Melodien. Jörg Tausch illustrierte das Buch. Für Gestaltung, Satz und Reproduktion sorgte Mirko Markowski. „Ihnen und allen Unterstützern des Projekts gilt herzlicher Dank“, sagt Pfarrerin Jadwiga Malinkowa.
Die Schleifer Liebe zum Gesang
Verwurzelt ist das Gesangbuch im Schleifer Kirchspiel. „Es hat hier seine Gültigkeit. Es zeigt das Leben hier“, unterstreicht Jan Malink, sorbischer evangelischer Superintendent. Das Gesangbuch ergänzt bestehende Quellen wie das Niedersorbische Gesangbuch (von 1574), das Obersorbische Evangelische Gesangbuch (von 1710, neu 2010) und das Katholische Sorbische Gebet- und Gesangbuch Wosadnik (1889, neu 2008). Texte, Noten, Satz, Gestaltung, Illustration und Organisierung der Finanzen erforderten viel Hingabe, verdeutlicht Jan Malink. Doch: „Die Freude, die man hat, ist die Vollendung des Werkes.“
Warum singen gerade die Sorben so gern? Warum hat gerade hier das Singen einen ganz hohen Stellenwert? „Es ist ihre bekannte Glaubenstreue. Es ist ihre Liebe zum Gesang“, zitiert Dr. Thomas Koppehl, seit 2007 Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Schlesische Oberlausitz, den englischen Sprachwissenschaftler Dr. Gerald Stone.
Das Schleifer Gesangbuch, so unterstreicht der Superintendent, enthält Lieder, die zu Herzen gehen. „Es liegt ein reicher Segen darauf“, bekräftigt er und ergänzt: „Der Heilige Geist ist es, der die Herzen bewegt, um Gottes Wort im Schleifer Sorbisch zu verkünden.“ Als Ansporn, Impuls und Motivation sieht Dr. Hartmut Leipner, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der wendischen Sprache in der Kirche, das Schleifer Gesangbuch. „Auch wir wollen unser Niedersorbisches Evangelisches Kirchengesangbuch wieder neu herausgeben“, erläutert er. „Die Erstausgabe von 2007 ist vergriffen. Wir wollen das Gesangbuch modernisieren und die Liturgie erweitern.“ Gern ist er zur Vorstellung des Schleifer Gesangbuches gekommen. Er sieht das Buch als Bereicherung des kirchlichen Lebens und des Liedgutes der Sorben. „Zur Zukunftsfähigkeit eines Volkes gehört die Traditionspflege“, meint er. „Das Schleifer Gesangbuch trägt dazu bei.“
Schleifer heben sorbischen Kirchenlieder-Schatz
Lausitzer Rundschau23. Januar 2020
Neuerscheinung Zum ersten Mal erscheint ein Kirchenliederbuch auf Schleifer Sorbisch. Die Macher vom Verein Kólesko und der örtlichen Kirchgemeinde kämpfen damit gegen das Vergessen. Von Torsten Richter-Zippack
In Schleife lebte einst der Kleinbauer Johann Schimko (1847-1906). Neben seiner Landwirtschaft pflegte der Sorbe eine ganz besondere Leidenschaft. Er sammelte Liedgut in Schleifer Sorbisch und veröffentlichte im Jahr 1884 ein kleines Gesangbuch. Warum Schimko das tat, verliert sich heute im Dunkel der Geschichte, sagt Hartmut Hantscho, Vorsitzender des Schleifer Vereins Kólesko. Kólesko hat Schimkos Werk wieder ausgegraben. „Teilweise zerrissen und unvollständig“, weiß Hantscho. Möglicherweise umfasste die Broschüre 16 Seiten, vielleicht auch mehr. Im Sorbischen Institut in Bautzen sind die Schleifer Protagonisten fündig geworden. Denn selbst im heimischen Kirchspiel weiß kaum mehr jemand von der Existenz dieser seltenen Schrift. Mithilfe weiterer Quellen haben die Kólesko-Männer und Frauen 50 Kirchenlieder im Schleifer Sorbisch zusammengetragen. Hinzu kommen zwölf Gebete und Psalmen, ebenso Glaubensbekenntnisse. Herausgekommen ist ein 229-seitiges Buch. Das Werk erscheint noch in diesem Januar.
Magische Ringe Dabei handele es sich um weit mehr als nur um ein Kirchenliederbuch, sagt Hartmut Hantscho. Die Menschen in früherer Zeit glaubten, dass sie mit ihren Gesängen magische Ringe um ihre Saaten legen könnten, die Unheil fern halten. Im Vorwort des Buches heißt es, dass darüber hinaus durch das Singen geistlicher Lieder an ganz bestimmten Terminen der Missernten und Katastrophen vergangener Jahre erinnert wurde. Zudem soll der Gesang der Frauen im Totenhaus vor der Beerdigung den Aufstieg der Seele des Verstorbenen in den Himmel erleichtert haben. „Die alten Wenden in unserem Kirchspiel sangen gern, oft und dann meistens laut“, weiß Hartmut Hantscho. Damit konnte angeblich sogar der Orgelklang in der Schleifer Kirche übertönt werden. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden in Schleife wöchentlich sorbische Gottesdienste gefeiert. Darüber hinaus sind die Lieder und Choräle in den Spinnstuben und auf den Singebänken in der Osternacht gesungen worden. „Diesen großen Liederschatz zu heben und der breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war ein Hauptgrund für das neue Gesangbuch“, sagt die Schleifer Pfarrerin Jadwiga Mahling, die mit der evangelischen Kirchgemeinde ebenso am Werk mitgewirkt hat. „Wir wollen die heutigen Sänger motivieren, den Liedgutschatz unserer Region, der eng mit dem christlichen Leben verbunden war, zu bewahren und natürlich zu singen“, empfiehlt die Kirchenfrau. Heute sind die Schleifer Gottesdienste dank der sorbischen Pfarrerin und Muttersprachlerin Jadwiga Mahling in aller Regel zweisprachig.
Nächtelang Melodien gesucht Einfach war die insgesamt zweijährige Arbeit am Schleifer Kirchenliederbuch indes keineswegs, betont Hartmut Hantscho. So lagen oftmals nur die Texte vor, aber keine Melodien. „Da haben wir nächtelang in den alten obersorbischen Gesangbüchern nach passenden Melodien gesucht. Manchmal war es wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen“, beschreibt der Kólesko-Vorsitzende die durchweg ehrenamtliche Arbeit. Hin und wieder mussten sich die Buch-Protagonisten auch mit manchem Widerstand auseinandersetzen. „Einige Leute meinten, dass die Lieder im Schleifer Sorbisch heute doch kaum noch jemand verstehe“, erinnert sich Hantscho. „Wir betreiben aber Traditionspflege. Und selbst wenn es nur noch drei oder vier Schleifer verstünden, hätten wir das Buch auch gemacht.“ Nicht zuletzt sei es wenig sinnvoll, beispielsweise den Ostergottesdienst in sorbischen Trachten feiern, aber auf Deutsch singen zu wollen. Das neue Schleifer Gesangbuch mit dem Titel „Něnter comy Boga chwalić“ wird an diesem Sonnabend, 25. Januar, ab 16 Uhr in der Schleifer Kirche präsentiert. Für die passenden Klänge sorgt die sorbische Gesangsgruppe von Kólesko.
Neues Gesangbuch mit Chorälen im Schleifer Sorbisch
Pomhaj BóhJanuar 2020
Gespräch mit Juliana Kaulfüst und Hartmut Hančo vom Schleifer Kólesko-Verein
“Něnter comy Boga chwalić – Slěpjańske spiwarske knigły” – so heißt der Titel des Kirchengesangbuchs im Schleifer Sorbisch, das der Kólesko-Verein jetzt in Schleife herausgibt. Was kann der Nutzer darin finden?
JK: Das neue Schleifer Gesangbuch enthält 50 Choräle sowie Gebete und Psalmen, die für das Schleifer Kirchspiel von der Tradition her immer wichtig waren. Zugleich hatten wir die Kirchgemeindenachmittage und die Feste im Blick, bei denen mit Freude gemeinsam gesungen wird, und deshalb haben wir einige Volkslieder mit einbezogen, die im Schleifer Liederbuch “Daj mi jeno jajko” noch nicht veröffentlicht sind.
Außerdem findet der Leser ein Vorwort, in dem die Bedeutung des Kirchengesangs in Schleife kurz beschrieben wird. Das ist aber nur ein erster Eindruck, sozusagen ein Vorgeschmack auf die Thematik. Zum Jahresende 2020 erscheint der 2.Teil des “Trachtenbuches”, und darin werden alle Varianten der Kirchgangstracht und die dazugehörigen Kirchentraditionen gesondert dargestellt. Das neue Gesangbuch ist illustriert, die Zeichnungen sind von dem Rohner Künstler Jörg Tausch. Wir möchten aber auch auf die kleine Aussprachehilfe für das Schleifer Sorbisch und einige Erklärungen zu dieser Mundeart am Ende des Buches hinweisen.
Das Gesangbuch ist in Kapitel gegliedert, die sich am Ablauf des Kirchenjahres orientieren. Welche Kapitel sind das?
HH: Die Kapitel unseres Gesangbuches sind nach den Festen bzw. Feiertagen des liturgischen Kalenders gegliedert, die heute im sorbischen Schleifer Kirchgemeindeleben den größten Anteil ausmachen, was da sind: Advent, Weihnachten, Epiphanias, die Passionszeit, Ostern, Pfingsten und Trinitatis. Weitere Lieder der zweiten Jahreshälfte haben wir in den Kapiteln “Dank und Lob” und “Abschluss des Kirchenjahres” zusammengefasst. Es folgen “Gebete und Psalmen” sowie volkstümliche Lieder unter dem Titel “Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind”.
Woher stammen die einbezogenen Choräle – aus deutschen und sorbischen Kirchengesangbüchern oder aus weiteren Quellen?
Den Kern bildet die Sammlung von Hanzo Šymko aus Schleife, die 1884 herausgegeben wurde, die vor allem Oster-, Passions und Dankeschoräle enthält. Bei weiteren Chorälen handelt es sich um Übersetzungen aus ober- und niedersorbischen sowie deutschen Gesangbüchern verschiedener Ausgaben. Außerdem liegen uns Aufnahmen von Schleifer Sängerinnen aus den vergangenen Jahrzehnten sowie Aufnahmen von Gebeten und Psalmen vor, aus denen wir ebenfalls schöpfen konnten.
Wer war an der Erstellung der Gesangbücher beteiligt und wie lange wurde daran gearbeitet?
Šymkos Choräle haben wir als Kólesko-Verein bereits 2014 bearbeitet, um einige davon in das Repertoire unserer Gesangsgruppe aufnehmen zu können. Seit dieser Zeit haben wir weitere übersetzt, durchgesehen, recherchiert; das neue Gesangbuch ist also das Ergebnis der Arbeit in den vergangenen fünf bis zehn Jahren. Denn als Verein und Musikgruppe wollten wir unsere Bemühungen für das Schleifer Sorbisch konsequent fortsetzen.
Uns hat vor allem Dr. Heinz Richter aus Leipzig zur Seite gestanden, der die Gebete und Psalmen übersetzt und die Choralübersetzungen von Juliana Kaulfürst gewissenhaft korrigiert hat. Einige der Choräle haben wir von Dieter Reddo aus seiner Privatsammlung übernommen. Ein Kirchengesangsbuch ist immer ein religiöses sowie ein Musikbuch.
Waren an der Erstellung des Schleifer Gesangbuches auch Theologen und Kirchenmusiker beteiligt?
Mit Jadwiga Mahling haben wir in Schleife eine Pfarrerin, die Sorbisch in den Gottesdiensten, bei Gemeindenachmittagen und Besuchen der Gläubigen in den Schleifer Dörfern bewusst und gern verwendet. Auch sie hatte den Wunsch, Choräle und Gebete im Schleifer Sorbisch vorliegen zu haben und sie hat uns eine Liste der Choräle aufgeschrieben, die die Grundage des Kirchenjahres bilden. Kirchenmusiker waren nicht einbezogen. Der Leiter der Gesangsgruppe des Kólesko-Vereins Gerald Schön verfügt aber über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Kirchenmusik. Er hat den Notensatz geschrieben und die musikalische Seite des Buches gestaltet.
Seit 2007 gibt es ein neues niedersorbisches Kirchengesangbuch, in dem auch einige Lieder im Schleifer Sorbisch enthalten sind. Seit 2010 gibt es auch ein neues obersorbisches Gesangbuch. Jahrhundertelang war im Schleifer Kirchspiel das obersorbische Gesangbuch in Gebrauch. Wozu ist im Jahre 2020 ein eigenes Gesangbuch im Schleife Sorbisch notwendig?
JK: Der Bedarf ist gegeben. Auf der einen Seite für unseren Verein, um bei den Gottesdiensten und zu kirchlichen Festen im Schleifer Sorbisch singen zu können, zumal das Ziel des Kólesko-Vereins in der Pflege und Anwendung des Schleifer Sorbisch besteht. Auf der anderen Seite ist das ein Wunsch vor allem der älteren Schleifer Gläubigen. Es stimmt, dass in Schleife immer das obersorbische Gesangbuch verwendet wurde. Aber wenn man sich die alten Tonaufnahmen zum Beispiel von den Ostersängerinnen anhört, dann stößt man auf etwas sehr Interessantes: Sie haben die Choräle für ihren Bedarf ins Schleifer Sorbisch übersetzt. Das ist eine eindrucksvolle Mischung aus der obersorbischen Schriftsprache und dem Schleifer Sorbisch. Auch die Schleifer Kantorki haben in ihren Gesangsvorlagen in der Osternacht immer auch Schleifer Sprachelemente in obersorbischen Texten gehabt – neben den bekannten, rein Schleifer Chorälen. Die alten Menschen freuen sich, wenn sie zum Beispiel den 23. Psalm lesen können, den sie als Konfirmanden beim sorbischen Pfarrer im Konfirmandenunterricht in ihrem Dialekt gelernt hatten, der ihnen jetzt wieder für eine Andacht zu Hause zur Verfügung steht. Und es ist für sie wie Balsam für die Seele, wenn die sorbische Pfarrerin zu ihnen kommt und mit ihnen zusammen im Schleifer Sorbisch betet und singt.
Wird das neue Gesangbuch jetzt anstelle des bisherigen obersorbischen bei den sorbischen Gemeindenachmittagen und anderen sorbischen kirchlichen Veranstaltungen in Schleife zum Einsatz kommen?
Das hoffen wir und deshalb haben wir das Buch auch vorbereitet. Wer im Schleifer Sorbisch singen und beten möchte, der hat jetzt die Grundlage dafür vorliegen. Wir wünschen uns, dass dieses Buch bei jeder Gelegenheit zum Einsatz kommt.
Ist das neue Gesangbuch auch für Interessenten außerhalb des Schleifer Kirchspiels gedacht?
JK: Das Schleifer Gesangbuch ist nicht in erster Linie für die überregionale Nutzung gedacht, sondern es soll die Trojka aus Schleifer Kirche-Schleifer Tracht-Schleifer Sorbisch wieder zusammenbringen. Es ist ein Ergebnis unserer Vereinsarbeit explizit für den Bedarf im Schleifer Kirchspiel. Aber vielleicht finden sich Interessenten für diese Publikation zum Beispiel aus dem soziolinguistischen Bereich. Dann entspricht das ebenfalls unserem Ziel, die kleine, aber noch lebendige Mundart zu dokumentieren, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Einblicke in die tiefe Verbundenheit des Schleifer Sorbisch mit der Kirche zu vermitteln. Die Sprache und die Religion haben hier immer eine untrennbare Einheit gebildet.
Wann und wo wird das neue Gesanbuch öffentlich übergeben?
HH: Die Übergabe des Buches “Něnter comy Boga chwaliś – Slěpjańske spiwarske knigły” findet am 25. Januar 2020 um 16 Uhr in der Schleifer Kirche statt. Als Sänger des Kólesko-Vereins stellen wir Choräle aus jedem Kapitel vor, und bestimmt werden wir Gott im schönen Schleifer Sorbisch auch gemeinsam mit den Gläubigen preisen.
Herzlichen Dank Ihnen beiden für das Gespräch, Gratulation zu dem neuen Buch und weiterhin viel Kraft für alle Bemühungen um die sorbischen Traditionen des Schleifer Kirchspiels.
Die Fragen stellte Trudla Mahling.