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Jesu Auferstehung verkünden
Sächsische Zeitung19. April 2019
Die Tradition des Ostersingens lebt im Kirchspiel Schleife durch die junge Generation weiter.
Schleife. Fünf Uhr früh am Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, sammeln sie sich an der Schleifer Kirche: Frauen und Mädchen in sorbischer evangelischer Schleifer Halbtrauertracht verkünden symbolisch an den Singebänken die frohe Botschaft der Auferstehung Jesu Christi. Sie singen in Schleifer Sorbisch immer wieder Kirchenlieder, Osterlieder und Auferstehungschoräle wie „Na prěnim dnju po soboće“ (Am ersten Tag nach Sonnabend).
„Die Tracht muss genau stimmen. Ein grüner Rock, weiße Schürze, dicke schwarze Jacke, grüne Haube, weiße Kinnschleife, die lapa (schwarzes Wolltuch) und ein schwarzes Stirnband als Zeichen der Trauer in der Passionszeit gehören dazu. Es ist die über Jahrhunderte überlieferte typische Halbtrauertracht bei uns im Schleifer Kirchspiel“, sagt Elvira Rathner, Mitglied im Verein Kólesko (Spinnrad). Seit 2014 pflegt der Verein die Tradition des Ostersingens.
„Wann der Brauch ursprünglich entstand, ist nicht nachweisbar“, sagt Vorsitzender Hartmut Hantscho. „Tatsache ist: das Singen stammt aus der Zeit der Flurbegehung. Es ging um das Abschreiten und Abstecken der Felder. Die erste nachweislich niedergeschriebene Grenzfestlegung der Flure bei uns im Kirchspiel Schleife geschah im Jahr 1864 im Zuge der Regulierung der gutsherrlichen, bäuerlichen Verhältnisse zwischen dem Besitzer der Standesherrschaft Muskau und den bäuerlichen Wirten zu Schleife.“ Das Singen, so betont er, prägte nicht nur Ostern, sondern das gesamte Kirchenjahr. Zu vielen Anlässen sangen die jungen Mädchen. „Das begann in der Fastenzeit, setzte sich fort in der Passionszeit und zu Ostern und reichte bis zu den Abenden im Herbst in der Spinte“, sagt Elvira Rathner. „Es wurde zu Hochzeiten, bei der Feldarbeit, bei der Ernte oder bei Trauerfällen gesungen.“ Im Singen, so verdeutlicht sie, liegt etwas tief Religiöses und Verbindendes. Davon zeugt auch die Tradition Ostersingen. Mathäus Handrik, 1892 bis 1934 Pfarrer in Schleife, schrieb um 1900 darüber. Mit 18 Jahren, so vermerkte er, traten die jungen Frauen in die Singegemeinschaft des jeweiligen Ortes ein. Mit 28 Jahren traten sie wieder aus. Wer „unehrenhaft“ war (zum Beispiel ein uneheliches Kind hatte), durfte nicht mitsingen. In jedem Ort des Kirchspiels war der Brauch des Ostersingens fest verwurzelt. Es gab feste Routen. Es gab genaue Vorgaben für die Lieder. Von Mitternacht an bis in den frühen Morgen hinein sangen die Frauen vor jedem Haus. An den Singebänken hielten sie zum Abschluss inne. Dort endete traditionell das Ostersingen. „Jedes Dorf hatte seine eigenen Singebänke“, sagt Hartmut Hantscho. „Allein in Schleife gab es – bedingt durch die Größe des Ortes – zwei kleine und zwei große Gruppen. Stets führte eine Kantorka (Vorsängerin) die jeweilige Gruppe an. Kantorka wurde jene Frau, die am besten singen konnte, anstimmen konnte und die Liedtexte sicher beherrschte.“ Bis 1956 – mit Unterbrechung in den Kriegs- und Nachkriegsjahren – lebte der Brauch des Ostersingens in Schleife. Stets freuten sich die Einwohner darauf. „In jenen Häusern, wo sich ein «freudiges Ereignis» ankündigte, wurde etwas mehr gesungen. In jenen Häusern, wo es Trauerfälle gab, wurde kein Halleluja gesungen. So wurde es durch Pfarrer Handrik um 1900 überliefert“, sagt Hartmut Hantscho.
Anfang der 90er-Jahre wiederbelebt
1993 wurde der Brauch in Rohne wieder- belebt. Die Initiative kam von Lenka Noack, Lehrerin im Ruhestand. Mit 13 Frauen hatte sie im November 1990 die Gesangsgruppe „Schleifer Kantorki“ gegründet. Seit 1993 pflegten sie Jahr für Jahr den Brauch des Ostersingens kontinuierlich. Vor rund 20 Häusern in Schleife und in Rohne sangen sie in der Osternacht. Kurz nach dem letzten Läuten der Kirchenglocken begannen sie in Schleife bei Karl-Heinz Lehnigk. Früh am Morgen endeten sie in Rohne an den Singebänken. Es folgte stets die Auferstehungsfeier in der Rohner Friedhofskapelle. „Das Ostersingen ist gelebtes evangelisches Brauchtum. Mit Osterliedern und Kirchenliedern in Schleifer Sorbisch verkünden wir die Botschaft «Jesus ist wahrhaftig auferstanden»“, schilderte Gertrud Hermasch aus Rohne, Mitgründerin der Schleifer Kantorki und bis heute für das Ostersingen aktiv, im Jahr 2015 im Rückblick. Zusammen mit Elvira Rathner sorgt sie sich um die Pflege, die Aufbewahrung und das Ankleiden der Schleifer Tracht für das Ostersingen.
Gute Aussprache, sicheres Auftreten
Gertrud Hermasch kennt den Brauch seit früher Kindheit. Mit fünf Jahren lauschte sie als Mädchen am Fenster den Sängerinnen. Das prägte sich tief in ihr ein. „Damals sangen die Mädchen vor jedem Haus. Ihr Alter reichte von der Konfirmandin bis zur künftigen «Hochzeiterin»“, schilderte die Rohnerin 2015 im Rückblick. Auf gute Aussprache, auf Sicherheit in der Melodie und auf Sicherheit im Auftreten legten die Schleifer Kantorki stets Wert. Heute besteht die Gruppe nicht mehr.
2013 musste das Ostersingen krankheits- und kältebedingt ausfallen. „2014 gab es nur noch vier Kantorki, die das Ostersingen durchführen konnten. Unser Verein Kólesko stieß mit drei Frauen hinzu“, erinnert sich Elvira Rathner. 2015 sangen neben den Erwachsenen Gertrud Hermasch, Marie Hentschel, Annemarie Hein, Elvira Rathner, Petra Nakoinz, Katrin Kluge und Anke Fischer mit Kimberly Stuckas, Rebecca Friemel, Anne Berton und Rebecca Rathner erstmals vier Konfirmandinnen mit. Pfarrerin Jadwiga Malinkowa stellte Kontakt zu den Jugendlichen her. „Danach stellte ich fest, dass wir etwas ändern müssen, wenn der Brauch weiterleben und auch für die junge Generation attraktiv bleiben soll“, sagt Elvira Rathner. 2016 fand kein Ostersingen statt. 2017 folgte der Versuch eines Neuanfangs. Am Ostermorgen um 5 Uhr, kurz vor Sonnenaufgang, trafen sich die Ostersängerinnen direkt an der Schleifer Kirche. Dort standen früher die Singebänke. Dort sangen die Frauen jetzt eine Stunde intensiv Osterlieder, Kirchenlieder und Auferstehungs-Choräle. Mit Rebecca Rathner (aus Schleife), Johanna Klauke (aus Groß Düben) und Leonie Wendel (aus Rohne) nahmen erneut drei Jugendliche teil. Von den Erwachsenen sangen Marie Hentschel (aus Trebendorf), Gertrud Hermasch (aus Rohne), Elvira Rathner (aus Schleife), Petra Nakoinz (aus Schleife), Juliana Kaulfürstowa (aus Dresden), Carolin Markowski (aus Neustadt Spree) und Anke Fischer (aus Schleife) mit. „Dieser Neuanfang – konzentriert auf diese eine Stunde – war intensiv und gelungen. Er hat uns tief berührt. Nach dem Singen nahmen wir in Rohne auf dem Friedhof an der Auferstehungsfeier in der Kapelle teil“, erzählt Elvira Rathner. 2018 waren die drei Jugendlichen erneut mit dabei. Mit Laura Berton aus Schleife kam sogar noch eine weitere Schülerin hinzu. „Der Kern des Brauchs – die Verkündung der Auferstehungsbotschaft – bleibt gewahrt. Durch das einstündige Singen direkt an der Schleifer Kirche können auch Interessierte das Ostersingen miterleben“, sagt Elvira Rathner und unterstreicht: „Es ist jedoch kein Auftritt. Zwar ändert sich die Form, nicht jedoch der Kern des Brauchs. Er bleibt eine stille Andacht. Er bleibt Verkündigung der frohen Botschaft der Auferstehung. Mein Herzenswunsch ist, dass wir Erwachsenen zusammen mit den Vorkonfirmandinnen den Brauch Jahr für Jahr weiterpflegen. So führen wir die Jugendlichen künftig frühzeitig an die Tradition heran. Das Ostersingen soll eine Ehre und Würde für sie sein.“
Noch 2019 will der Verein Kólesko in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirchgemeinde Schleife ein Gesangbuch mit Kirchenliedern herausgeben. Enthalten soll es rund 50 Lieder, darunter auch 15 Oster- und Passionslieder, die die Frauen am Ostermorgen an der Schleifer Kirche singen können. Schleifes Pfarrerin Jadwiga Malinkowa unterstützt das Anliegen, die Tradition weiterzuführen. „Wenn ich ganz früh am Morgen, wenn es noch dunkel ist, die Stimmen der Ostersängerinnen höre, dann beginnt für mich Ostern. Denn der ganze Ostertag ist dann sehr voll mit Gottesdiensten und Begegnungen. Doch der Moment am Ostermorgen mit den Ostersängerinnen ist für mich die schönste Verkündigung der Osterbotschaft: feierlich, behutsam und berührend“, unterstreicht sie. „Ich freue mich, dass sich jedes Jahr auch einige junge Mädchen dafür begeistern können. So erlernen sie die sorbischen Choräle ihrer Großmütter und tragen die Tradition weiter.“
Andreas Kirschke
70. Sorbischer Kirchentag in Schleife
NIEDERLAUSITZ aktuell - hsl10. Juni 2016
Alle evangelischen Sorben und Wenden und weitere Interessenten waren herzlich zum 70. Sorbischen Kirchentag eingeladen, der in diesem Jahr am 28. und 29. Mai in Schleife unter dem Motto „Sie blieben aber beständig“ stattfand. Für die Pfarrerin Jadwiga Mahling war es das erste Mal, dass sie mit der dortigen Gemeinde ein solches Fest vorbereitete. Insgesamt feierten die evangelischen Sorben/Wenden das 70. Jubiläum ihres Kirchentages.
Wenden und Sorben aus der Nieder-, Mittel- und Oberlausitz feierten, beteten und sangen gemeinsam. Der Abendmahlsgottesdienst am Sonntag begeisterte die Teilnehmer, weil in der Liturgie, in den Lesungen der Epistel und des Evangeliums, in den Fürbitten und in den Liedern Obersorbisch, Niedersorbisch und auch der Schleifer Dialekt verwendet wurde. Es gab auch einen sorbischen Kindergottesdienst. Die Rundfunkstationen von RBB und MDR übertrugen live. Der Höhepunkt des Gottesdienstes stellte sicherlich der Gesang der Gruppe „Kólesko“ unter Leitung von Gerald Schön dar.
Die gute Zusammenarbeit des Oberlausitzer Sorbischen Evangelischen Vereins mit dem Niederlausitzer Verein zur Förderung der wendischen Sprache in der Kirche hat dazu geführt, dass Leute aus allen Teilen der Lausitz gekommen waren. Das Treffen der evangelischen Sorben/Wenden begann bereits am Sonnabend nachmittag mit dem Vortrag von Juliane Kaulfürst „Erzählungen aus dem Grastuch – Schleifer Sorbisch in Wort und Schrift“. Neben dem Gottesdienst stand auf dem Programm am Sonntag eine Zusammenkunft im Sorbischen Kulturzentrum Schleife mit Mittagessen und Kaffeetrinken. Der Chor „Rohner Stimmen“ erfreute die Besucher mit sehr schönen Volksliedern. Der Sorbische Kirchentag endete in der Kirche von Schleife mit einer Schlussandacht und einem Konzert für Orgel und Geige unter Leitung der Kreiskantorin Ulrike Scheytt.
Der nächste Sorbische Kirchentag ist als Höhepunkt des Lutherjahres 2017 in Straupitz vorgesehen. Die Kirchenvereine in der Nieder- und Oberlausitz planen diesen für den 25. Juni in der Straupitzer Schinkelkirche.
Schleifer erinnern an ihren Künstler-Pfarrer
Lausitzer Rundschau13. Februar 2017
SCHLEIFE Besonderer Gottesdienst zum 200. Geburtstag von Julius Eduard Wjelan. "Kólesko" präsentierte seinen Choral "Meine Liebe".
Mit einem bewegenden Gottesdienst haben die Schleifer an den 200. Geburtstag ihres Pfarrers Julius Eduard Wjelan (1817 – 1892) erinnert. Darüber hinaus wurde an seinem Grab vor der Kirche ein Kranz niedergelegt. Außerdem gab es für den Kirchenmann, der in den Jahren von 1852 bis 1892 im Kirchspiel als Pastor tätig war, eine besondere Ehre. Denn das fünfköpfige Ensemble "Kólesko" präsentierte Wjelans selbstverfassten Choral "Meine Liebe". Diesen hatte der Pfarrer im Jahr 1869 anlässlich des 50. Geburtstages seines Freundes, des Gödaer Pfarrers Heinrich Immisch, geschrieben. "Man könnte meinen, es handelt sich um ein depressives Stück über Ängste und enttäuschte Hoffnungen. Doch der Choral verbreitet auch die Sehnsucht nach Hoffnung und Halt", erklärte Pfarrerin Jadwiga Mahling.
Manfred Hermasch von der Kirchgemeinde referierte in der gut gefüllten Schleifer Kirche über das Leben des Julius Eduard Wjelan. Demnach erblickte dieser am 1. Februar 1817 als einziger Sohn des Pfarrers Jan Wjelan das Licht der Welt. Nach seiner Ausbildung inklusive Studiums war Wjelan unter anderem als Hauslehrer in Krakau sowie in den Diensten des Fürsten von Pückler tätig. Neben seiner kirchlichen Arbeit befasste sich der Pastor auch mit der Kunst. Er komponierte Kirchenlieder, verfasste Gedichte und zeichnete die sorbischen Trachten im berühmten Buch "Die Volkslieder der Sorben in der Ober- und Niederlausitz" ("Pesnicki") von Leopold Haupt und Jan Arnost Smoler aus den Jahren 1841/1843.
Nicht zuletzt war Wjelan auch für seine satirischen Bilder in sorbischen Tageszeitungen gut bekannt. Der Kirchenmann lebte mit dem Spruch "Fürchtet euch vor Gott mehr als vor Schulrat Bock", den er immer wieder in den Gottesdiensten zitierte. Eine Aussage, die bei der preußischen Obrigkeit auf wenig Gegenliebe stieß. Kein Wunder, dass Julius Eduard Wjelan unter polizeiliche Aufsicht gestellt wurde, was ihm gar nicht behagte, wie Manfred Hermasch anmerkte.
Übrigens steht in knapp zwei Monaten das nächste Jubiläum zu Wjelan ins Haus. Denn am 7. April jährt sich sein Todestag zum 125. Mal. Der Pfarrer wurde nach seinen 40 Schleifer Dienstjahren unmittelbar neben der Kirche beigesetzt, wo er noch heute ruht.
Wendischer Stammtisch in Cottbus diskutierte wieder über interessantes Thema: Über das Schleifer Liederbuch
Serbske Nowiny15. März 2013
Cottbus (SN/HA). Die Autoren des neuen Schleifer Liederbuches “Daj mi jeno jajko, how maš hobej dwě” haben sich vorgenommen, in Singeabenden das Buch vorzustellen und zusammen mit den Teilnehmern zu singen. Die Ausgabe erlebte Anfang März ihre erste gelungene öffentliche Präsentation auf dem Njepila-Hof in Rohne. Dabei standen vor allem an die Dörfer in der Schleifer Region im Mittelpunkt. Vorgestern jedoch fand der erste Abend dieser Art in Cottbus statt. Das Wendische Museum hatte zu seinem Wendischen Stammtisch Dieter Reddo aus Klein-Trebendorf eingeladen. Dieser hatte zusammen mit Hartmut Hančo und mit Unterstützung von Juliana Kaulfürst diesen wertvollen Band mit 160 Schleifer Liedern zusammengestellt.
Dieter Reddo, den drei weitere Mitglieder des Njepila-Vereins begleiteten, berichtete den Anwesenden aus seinem Leben sowie über seine gezielte Beschäftigung mit den sorbischen Volksliedern und mit kirchlichen Liedern. Über 55 Jahre hat er fleißig Melodien und Gebete gesammelt. Vor zehn Jahren wurde das Liederbuch in Angriff genommen, jetzt liegt es vor. Dieter Reddo informierte auch darüber, dass derzeit an einem kleinen Wörterbuch über das Schleifer Sorbisch gearbeitet werde. In der Diskussion sprachen die Anwesenden vor allem über die Rolle und die Besonderheiten der sorbischen Sprache und Kultur in der Schleifer Region. Die Vertreter aus dem Domowina-Regionalverband Weißwasser/Niesky berichteten, dass die Bemühungn und Aktivitäten zunehmen, den Schatz an Schleifer sorbischen Besonderheiten zu pflegen und zu bewahren. Mehr Aufmerksamkeit sollte dem Sorbischunterricht in der Witaj-Kita und in den Schulen gewidmet werden. Der Wunsch von Dieter Reddo ist, dass die Niederlausitz und die Schleifer Region auf sorbischem Gebiet besser zusammenarbeiten. “Wir haben viele Gemeinsamkeiten, mehr, als mit der Kamenzer und der Bautzener Region”, sagte er. Und er lud die niedersorbischen Kulturgruppen zum Njepila-Hoffest ein.
Bis in die Nacht gesungen und musiziert
Lausitzer Rundschau06. März 2013
Rohne. Als absolut gelungen hat Hartmut Hantscho die Vorstellung des Schleifer Liederbuchs am Sonnabend auf dem Njepila-Hof in Rohne bezeichnet. Dazu hatten sich die Autoren – Hartmut Hantscho, Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst – interessierte Gäste eingeladen.
Mit 70 Leuten waren in der guten Stube des Hofes sämtliche Plätze restlos belegt. Die Laudatio hielt Dr. Fabian Kaulfürst vom Sorbischen Institut, berichtet Hantscho. Das musikalische Rahmenprogramm wurde durch den Verein kólesko gestaltet. Das Schleifer Liederbuch wurde begeistert aufgenommen. Bis spät in die Nacht sei in gemütlicher Runde gemeinsam Lieder aus dem neuen Liederbuch gesungen worden. Fabian Kaulfürst hatte die Begleitung auf dem Akkordeon übernommen. "Im Zusammenhang mit dem Liederbuch sind weitere Singeabende geplant", kündigt Hartmut Hantscho an.
Bereits am Sonnabend berichtete die RUNDSCHAU ausführlich über die Entstehungsgeschichte des 260 Seiten starken Buches. Durch einen Versehen wurde einem Zitat in dem Text der falsche Autor zugeordnet. Dafür entschuldigen wir uns. Richtig muss es im zweiten Absatz heißen: Als Zwölfjähriger schrieb er das erste Lied auf. Sein Beruf als Fleischer war für seine Vorliebe von Vorteil. "So kam es, dass ich in der Winterzeit in vielen Wirtschaften und Gehöften des Kirchspiels Schleife unterwegs war." Damals lebten in allen Gehöften viele Frauen, die die Tracht trugen, und alle sprachen das Schleifer Wendisch. Wenn sich die Gelegenheit ergab, fragte er sie nach alten sorbischen Volksliedern. Die alten Frauen fühlten sich geehrt, weil gerade ein junger Mann so etwas wissen wollte. "Bereitwillig sangen sie mir viele Lieder vor", erklärt Dieter Reddo, und ergänzt: "Ich habe Bleistift und Zettel genommen, mir die abgehorchten Strophen aufgeschrieben und die Melodien im Kopf bewahrt."
Das Buch mit 160 Liedern aus der Schleifer Region ist erhältlich in der Smolerschen Buchhandlung Bautzen, SKC Schleife, Njepila Hof Rohne und Lotka Cottbus. Die Schutzgebühr für das Schleifer Liederbuch beträgt 20 Euro.
G. Nitsche
Mit Gesang in den Ostertag
Tag des Herrn - Katholische Wochenzeitung17. April 2019
Die Sorben sind bekannt für ihr reiches Brauchtum, besonders zu Ostern. Im evangelischen Kirchspiel Schleife pflegen Frauen und junge Mädchen wieder den Brauch des Ostersingens.
Fünf Uhr am Ostermorgen kurz vor Sonnenaufgang: An der Kirche in Schleife versammeln sich Frauen und Mädchen in traditioneller sorbischer Tracht, wie sie hier im Ort üblich ist. Sie nehmen auf den Singebänken nahe der Kirche Platz und verkünden mit Liedern die frohe Botschaft der Auferstehung Jesu Christi: „Na prěnim dnju po soboće“ (Am ersten Tag nach Sonnabend) – wie einer der Auferstehungschoräle heißt.
Die Tracht muss genau stimmen
Seit 2014 pflegt der Verein Kólesko (Spinnrad), wieder die Tradition des Ostersingens. Vereinsmitglied Elvira Rathner: Die Sängerinnen tragen die typische Halbtrauertracht wie sie im Schleifer Kirchspiel üblich ist. „Die Tracht muss genau stimmen: ein grüner Rock, weiße Schürze, dicke schwarze Jacke, grüne Haube, weiße Kinnschleife, die Lapa (schwarzes Wolltuch) und ein schwarzes Stirnband als Zeichen der Trauer.“
„Wann der Brauch entstand, ist nicht nachweisbar“, sagt Kólesko-Vorsitzender Hartmut Hantscho. „Tatsache ist: Das Singen stammt aus der Zeit der Flurbegehung. Es ging um das Abschreiten und Abstecken der Felder. Die erste nachweislich niedergeschriebene Grenzfestlegung der Flure bei uns im Kirchspiel geschah im Jahr 1864 im Zuge der Regulierung der gutsherrlichen, bäuerlichen Verhältnisse zwischen dem Besitzer der Standesherrschaft Muskau und den bäuerlichen Wirten zu Schleife.“ Das Singen, so betont Hantscho, gehörte damals nicht nur zu Ostern, sondern prägte das gesamte Kirchenjahr.
Zu vielen Anlässen sangen die jungen Mädchen – von der Fastenzeit bis zu den herbstlichen Abenden in den Spinnstuben“, sagt Elvira Rathner. Gesungen wurde auch zu Hochzeiten, bei Trauerfällen und bei der Feldarbeit. Über die Tradition des Ostersingens schrieb um 1900 Mathäus Handrik (Pfarrer in Schleife von 1892 bis 1934): Mit 18 Jahren traten die jungen Frauen in die Singegemeinschaft des jeweiligen Ortes ein, mit 28 Jahren schieden sie wieder aus. Wer „unehrenhaft“ war (zum Beispiel ein uneheliches Kind hatte), durfte nicht mitsingen. In jedem Ort des Kirchspiels war der Brauch des Ostersingens fest verwurzelt. Dabei gab es genaue Vorgaben für die Lieder. Von Mitternacht an bis in den frühen Morgen hinein sangen die Frauen vor den Häusern. An den Singebänken bei der jeweiligen Kirche hielten sie zum Abschluss inne. Dort endete traditionell das Ostersingen.
Hartmut Hantscho: „Allein in Schleife gab es – bedingt durch die Größe des Ortes – zwei kleine und zwei große Gruppen. Stets führte eine Kantorka (Vorsängerin) die jeweilige Gruppe an. Kantorka wurde jene Frau, die am besten singen und anstimmen konnte und die Liedtexte sicher beherrschte.“ Bis 1956 – mit Unterbrechung in den Kriegs- und Nachkriegsjahren – lebte der Brauch des Ostersingens in Schleife. Stets freuten sich die Einwohner darauf. „In jenen Häusern, wo sich ein ,freudiges Ereignis‘ ankündigte, wurde etwas mehr gesungen. In jenen Häusern, wo es Trauerfälle gab, wurde auf das Halleluja verzichtet.“
1993 wurde der Brauch auf Initiative von Lenka Noack in zum Kirchspiel Schleife gehörenden Rohne wieder belebt. Sie gründete die Gesangsgruppe „Schleifer Kantorki“. Kurz nach dem letzten Läuten der Kirchenglocken zogen die Sängerinnen los von Haus zu Haus. Früh am Morgen endeten sie in Rohne an den Singebänken. Es folgte die Auferstehungsfeier in der Friedhofskapelle.
Als Kind am Fenster gelauscht
„Das Ostersingen ist gelebtes evangelisches Brauchtum“, sagt Gertrud Hermasch aus Rohne, Mitgründerin der „Schleifer Kantorki“ und bis heute beim Ostersingen aktiv. Sie kennt den Brauch seit ihrer Kindheit. Mit fünf Jahren lauschte sie als Mädchen am Fenster den Sängerinnen. Das prägte sich tief ein.2013 musste das Ostersingen krankheits- und kältebedingt ausfallen. 2014 gab es nur noch vier Kantorki. Unterstützung kam vom Verein Kólesko. 2015 beteiligten sich auch erstmals vier Konfirmandinnen. Pfarrerin Jadwiga Malinkowa stellte den Kontakt zu den Jugendlichen her. Um das Ostersingen für die jungen Sängerinnen attraktiver zu machen, kam es nach einer Pause im Jahr 2016 zu einem Neuanfang mit geändertem Konzept. Elvira Rathner: Am Ostermorgen um 5 Uhr treffen sich die Sängerinnen an der Schleifer Kirche. Dort singen sie eine Stunde lang ihre Osterlieder. Im Anschluss findet in Rohne auf dem Friedhof die Auferstehungsfeier statt. „Wir haben zwar die Form des Brauches verändert, der Kern aber bleibt gewahrt“, sagt Elvira Rathner. „Wir verkünden die Auferstehungsbotschaft.“ Sie wünscht sich, dass die Erwachsenen zusammen mit den Vorkonfirmandinnen den Brauch Jahr für Jahr weiterpflegen.
In diesem Jahr will der Verein Kólesko in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchgemeinde Schleife ein Gesangbuch mit Kirchenliedern herausgeben. Enthalten soll es rund 50 Lieder, darunter auch 15 Oster- und Passionslieder, die die Frauen am Ostermorgen an der Schleifer Kirche singen können.
Pfarrerin Jadiwga Malinkowa unterstützt das Anliegen: „Wenn ich ganz früh am Morgen, wenn es noch dunkel ist, die Stimmen der Ostersängerinnen höre, dann beginnt für mich Ostern. Der ganze folgende Ostertag ist dann sehr gefüllt mit Gottesdiensten und vielen Begegnungen. Doch der Moment am Ostermorgen mit den Ostersängerinnen ist für mich die schönste Verkündigung der Osterbotschaft: feierlich und berührend.“ Dass die Jugend diese Tradition aufnimmt und weiterpflegt, freut sie dabei besonders.
Von Andreas Kirschke
25 Jahre Stiftung für das sorbische Volk
ONLINE - Minderheitensekretariat 24.Oktober 2016
Mit einer Festveranstaltung im Stadthaus Cottbus beging die Stiftung für das sorbische Volk letzte Woche Samstag, 22.10.2016, ihr 25-jähriges Gründungsjubiläum. Unter den Ehrengästen waren der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk, MdB als Vertreter der Bundesregierung, der Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Uwe Gaul und die Staatssekretärin des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg Dr. Ulrike Gutheil. Gutheil ist neue Beauftragte für Angelegenheiten der Sorben/Wenden des Landes Brandenburg. Darüber hinaus nahmen zahlreiche Regionalvertreter der Lausitz, Mitglieder des Bundestages und der beiden Landtage aus Sachsen und Brandenburg teil, wie auch zahlreiche Vertreter sorbischer Vereine und Institutionen.
Mit einem bunten kulturellen Programm wurde der Festakt begangen. Die Festansprache hielt der stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates und Bautzener Landrat Michael Harig. Vom Kammerstreichorchester des Sorbischen National-Ensembles bis zu den drei Kulturgruppen – des Niedersorbischen Kinder- und Jugendensemble, der sorbischen Volkstanzgruppe Schmerlitz aus der Oberlausitz sowie der Gesangsgruppe Kólesko aus Schleife/Mittellausitz waren alle Regionen der Lausitz vertreten und boten die kulturelle Vielfalt der Sorben/Wenden dar.
In seinem Grußwort erklärte Bundesbeauftragter Koschyk, dass das Bemühen um den Erhalt und die Pflege der sorbischen Sprache und Kultur sich aus seiner Sicht nicht im Bewahren des Bestehenden, von Brauchtum und Traditionen erschöpfen dürfe. „Um die sorbische Sprache und Kultur für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zukunftsfest zu machen, sind weitere Anstrengungen erforderlich. Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen und eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Stiftung sind aus meiner Sicht hierfür unabdingbar. Nach meiner Wahrnehmung hat die Stiftung bereits begonnen, hier die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen“, so Bundesbeauftragter Koschyk.
Minderheitensekretariat der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands
Der Pinsel ist ihm ein liebgewordener Begleiter
Předźenak, Samstagsbeilage der sorbischen Tageszeitung Nowa Doba03.09.1966
Walther Ruhland, Mitglied des Trebendorfer Zirkels sorbischer Laienmaler
Über fünfzig ist er schon, von Beruf Friseur, und mit Enthusiasmus ist er, wenn die Dämmerung anbricht und der Arbeitstag beendet ist, Künstler. Er ist, wie gesagt, kein Berufskünstler. Er ist Friseurmeister in Schleife und heißt Walter Ruhland.
„Es ist nicht leicht, gut zu malen. Man braucht die Fähigkeiten und dazu, nun, um es so zu sagen, eine gewisse innere Explosion, die zur rechten Zeit die Fähigkeiten an die Oberfläche schleudert“, sagt er.
Mit der Explosion meint er den Ausbruch von Begeisterung. „Mir ist nicht immer nach Malen“, erzählt er, „aber ich weiß, dass man in der Kunst, auch in der Volkskunst, nicht ohne Fleiß, ohne Disziplin auskommt. Und deshalb freue ich mich, dass wir uns in Trebendorf in einen Zirkel zusammengefunden haben. Wir lernen zusammen. Das macht sich besser.“
Über Walter Ruhland wie über einen volkstümlich bildenden Künstler zu schreiben, ist eigentlich nur so eine Vereinfachung. Schließlich ist er Maler, Grafiker und Bildhauer; er ist vielseitig und dem zugetan, was die Welt um ihn herum ist: Dorfszenerien, sorbische Trachten, Leute aus Schleife, Kohlegruben usw. bildet er ab.
„Wir sind noch längst nicht dort, wohin wir wollen“, behauptet er vom Trebendorfer Künstlerzirkel. Aber sei es denn auch so, wir wissen, was wir wollen.“ Er lobt den sorbischen Künstler Jan Buk, der dem Trebendorfer Kreis getreu Pate steht – auch im Zusammenhang mit der Beharrlichkeit im künstlerischen Schaffen.
„Mir scheint, wir brauchen auch in der sorbischen Volkskunst beständige Arbeit. Wir Trebendorfer haben uns zum Beispiel auch an der Ausstellung anlässlich des Festivals der Sorbischen Kultur beteiligt und dabei gesehen, dass Vieles an der Ausstellung noch zu sehr ein Kind des Zufalls ist.“
So fasst er kritisch seinen Eindruck von der Laienkunst-Ausstellung zusammen – und in seinem künstlerischen Alltag geht er weiter seinen Weg, der zu besseren Fertigkeiten und zu größerer Begeisterung führt. Damit gebührt ihm Ehre, denn er geht nicht den Weg eines Einzelgängers.
S.K.
Trebendorfer singen mit der Gruppe "Kólesko" im Schuster-Haus
Lausitzer Rundschau24. März 2014
Trebendorf. So richtig gemütlich war es am Samstag zum musikalischen Nachmittag im Schuster-Haus in Trebendorf. Der Ofen wurde angefeuert, denn das Wetter zeigte sich an diesem Tag nicht mehr von der warmen Seite wie noch vergangene Woche.
Mehr als 40 Besucher aus den umliegenden Dörfern Mühlrose, Halbendorf, Rohne und natürlich aus Trebendorf hatten sich in dem Schuster-Haus eingefunden.
Zur Umrahmung des Nachmittags hatten sich die Organisatoren um Angelika Balzke als Vorsitzende der Domowina-Ortsgruppe die Singegruppe "kólesko" eingeladen. "Heute sind wir neun Mitwirkende. Für diese Gruppe hat sich Helmut Hantscho den Hut aufgesetzt. Es werden Lieder aus dem Schleifer Liederbuch gesungen. Gern können die Volkslieder auch mitgesungen werden", wandte sich Gerald Schön an das Publikum.
Durch das Programm führten an diesem Nachmittag Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst in deutscher und sorbischer Sprache. Lieder wie "Dort hinter unseren Gärten", "Brüderchen, sag mir doch" oder "Komm du heute Abend zu mir" brachte die Gruppe den Gästen im Rahmen der musikalischen Darbietung zu Gehör. Gern stimmten die Besucher bei den alten Liedern aus der sorbischen Heimat mit ein.
Zu den fleißigen Helfern gehörten neben Angelika Balzke und Kathleen Reichert auch Ute Zeisig und Anna Lysk. "Dieser Singenachmittag soll bei uns in Trebendorf einmal eine Tradition werden. Die Gäste kommen gern zu uns, sie lieben die Gemütlichkeit, und darüber sind wir sehr froh", so Kathleen Reichert von der Domowina-Ortsgruppe. Angelika Balzke und Anna Lysk sorgten für leckeren Blechkuchen, der allen gut schmeckte.
Zu den nächsten kulturellen Höhepunkten der Trebendorfer Domowina-Ortsgruppe mit ihren 70 Mitgliedern gehören folgende Veranstaltungen: 26. April Frühlingskonzert mit dem Männerchor Bad Muskau in der Gaststätte "Kastanienhof"; 28. April Maibaum-Girlande wickeln auf dem Schuster-Hof; Ende April Kartoffeln stecken am Schuster-Hof; 25. Mai Musikalischer Sonntagvormittag auf dem Schuster-Hof.
Elf Jahre für Schleife gepowert
Lausitzer Rundschau12. Februar 2018
Schleife. Die Hantschos gehören zu Schleife wie die Sorben und die Struga. Mehrere von ihnen brachten es bis ins Bürgermeisteramt. Helmut Hantscho führte das Dorf vom Sozialismus in die Marktwirtschaft.
Was waren das für Jahre, damals direkt nach der Wende! Wenn Helmut Hantscho über diese Zeit des Aufbruchs spricht, beginnen seine Augen zu leuchten. Im Mai 1990 war der gebürtige Schleifer zum Bürgermeister gewählt worden. „Nach 40 Jahren war ich der Erste, der tatsächlich aus dem Dorf stammte“, erinnert sich der heute 79-Jährige nicht ohne Stolz.
„Damals saß das Geld lockerer als jetzt.“ Schließlich sei der Modernisierungsbedarf riesengroß gewesen. Beispielsweise in der Schule sowie in der Kindertagesstätte. Dort mussten zunächst die dringendsten Malerarbeiten erledigt werden. Darüber hinaus fädelte Hantscho zu Beginn der 1990er-Jahre den Bau von zwei Buswartehäuschen ein.
Das Jahr 1992 war für die deutsch-sorbische Gemeinde ein besonders gutes. „Damals wurden wir mithilfe des Weißwasseraner Landrates Erich Schulze als sächsisches Förderdorf ausgewählt. Außerdem gab es 3,5 Millionen Mark für die Erschließung des Gewerbestandortes Strugaaue“, berichtet Helmut Hantscho. Das Geld sei vom Dresdener Regierungspräsidium, dem Vorläufer der heutigen Landesdirektion, gekommen. „Klopfen Sie einfach an meine Tür“, habe der damalige Amtsleiter Hantscho geraten. So konnte die Finanzierung relativ zügig und unkompliziert vonstattengehen.
Darüber hinaus musste sich der Bürgermeister um seine 50 bis 60 ABM-Kräfte kümmern. „Arbeit gab es ja genug“, berichtet Helmut Hantscho, der seine wichtigsten Tätigkeiten als Gemeindeoberhaupt in einem handgeschriebenen Manuskript festhalten hat. Die tüchtigen Männer und Frauen hätten nicht nur das Ortsbild in Schuss gehalten, sondern ebenso im örtlichen Wald kräftig zugepackt.
Eines seiner größten Vorhaben sei die Errichtung des Sorbischen Kulturzentrums gewesen. „Wir standen vor der riesigen Aufgabe, den heruntergekommenen Gasthof Eschenburg zu sanieren, zu erweitern und ihm eine neue Nutzung zu geben. „Im Vorfeld gab es gar keine Vorstellung, wie das SKC mal aussehen sollte.“ Für insgesamt sechs Millionen Mark wandelte sich die Gastwirtschaft zum Kulturzentrum. Dieses Jahr jährt es sich zum 20. Mal, dass das SKC eingeweiht wurde. „Wir haben richtig gepowert“, kommentiert Hantscho.
Ein weiteres Mammutprojekt sei die ehemalige Munitionsfabrik, kurz Muna, gewesen. Nach dem Abzug der russischen Streifkräfte im Jahr 1993 wollte ein Berliner Investor dort Klärschlämme entsorgen. Diesem ziemlich windigen Ansinnen, wie es Helmut Hantscho formuliert, sei die Gemeinde zuvorgekommen. Stattdessen wandelte sich die Muna zum Wald. Heute ist von der früheren Nutzung so gut wie nichts mehr zu sehen.
Übrigens: Helmut Hantscho ist nicht der erste Bürgermeister in seiner Familie. Jan Hantscho-Hano (1846 – 1901) war bereits ab 1882 Gemeindevorsteher in Schleife. Helmut Hantschos Sohn Hartmut wollte Anfang der 2000er-Jahre Vater als Bürgermeister beerben. Bei der Wahl unterlag er jedoch mit lediglich 37 Stimmen Unterschied seinem Konkurrenten Hans Hascha. „Ich bin eigentlich ganz froh, dass es nicht geklappt hatte. Denn Bürgermeister ist schon ein ziemlich hartes Brot“, kommentiert Helmut Hantscho.
Der 79-Jährige lebt noch immer auf dem elterlichen Gehöft, das die Hantschos nachweislich bereits im Jahr 1797 bewohnten. Sorbisch wird allerdings kaum noch gesprochen. „Ich verstehe zwar die Sprache, aber im Alltag sprechen wir deutsch.“ Froh sei Hantscho, dass sich seine beiden Kinder für das Sorbische interessieren. Sie engagieren sich im „Kolesko“-Verein, der sich unter anderem Schleifer Traditionen auf die Fahnen geschrieben hat.
Helmut Hantscho hat Zeit seines Lebens in der Landwirtschaft gearbeitet. Sein Heimatdorf musste er fast nie für länger verlassen. „Nur zur Armeezeit und in den Jahren von 1973 bis 1975.“ Damals, so erzählt der Schleifer, war er wegen angeblicher „Schädigung des sozialistischen Eigentums“ zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Immerhin zwei Jahre musste Hantscho im Gefängnis Berlin-Rummelsburg absitzen.
Seit dem Jahr 1978 engagiert sich Helmut Hantscho für die Fortführung der Schleifer Ortschronik. Ab 1990 wurde er als Bürgermeister auch formell dafür zuständig. Den Höhepunkt bildete anno 1997 die Herausgabe der Schleifer Chronik. Auf diesem Werk baut auch die erst Ende Januar 2018 erschienene Chronik des Autors Gerhard Fugmann auf.
Zum jetzigen Bürgermeister Reinhard Bork pflegt Helmut Hantscho ein gutes Verhältnis. Einen Rat will er dem Amtsinhaber jedoch nicht geben. „Während meiner Zeit hatten wir ganz andere Bedingungen. Das lässt sich mit heute kaum vergleichen“, lautet die plausible Begründung.
Stattdessen fröhnt der 79-Jährige regelmäßigen Treffen mit früheren Arbeitskollegen, dem Kartenspiel sowie Haus, Hof und Garten. Und natürlich seiner historischen Landgerätesammlung. Denn die Hantschos waren nicht nur clevere Bürgermeister und Landwirte, sondern auch tüchtige Zimmerleute. Helmut Hantscho ist seit Ende 2017 stolzer Besitzer eines ganz besonderen hölzernen Gegenstandes. Der 79-Jährige wurde nämlich für sein Lebenswerk mit dem „Schleifer Ehrenpreis“ geehrt. Die entsprechende Skulptur schuf allerdings keiner der Hantschos, sondern der örtliche Holzkünstler Thomas Schwarz.
Torsten Richter-Zippack