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Schleife zeigt erste William-Krause-Ausstellung
Lausitzer Rundschau05. Oktober 2012
Schlangenkronen-Wirt bietet einheimischen Künstlern Präsentationsmöglichkeiten im Weinzimmer an
SCHLEIFE Um einen Ausstellungsraum reicher ist jetzt die Gemeinde Schleife. Es ist das Weinzimmer in der Gaststätte "Zur Schlangenkrone" im Sorbischen Kulturzentrum. Elvira Rathner und Juliana Kaulfürst vom Verein Kólesko bereicherten die Ausstellungseröffnung mit sorbischen Liedern. Hier werden seit dem gestrigen Donnerstag Original-Gemälde des deutschen Malers William Krause aus Dresden gezeigt. Dieser hatte eine besondere Beziehung zu Schleife, denn er lebte hier von 1902 bis 1912. Seine Gemälde berichten vom Leben der Sorben. Die Sammelleidenschaft packte die Schleifer vor mehr als 15 Jahren. Besser gesagt war es der damalige Bürgermeister Helmut Hantscho. Schon als Kind faszinierten ihn Postkarten seines Vaters, der Laienmaler war. Die Karten zeigten Motive von William Krause und spielten in Schleife. "Meine Oma hat gesagt, mein Vater kann so gut malen, weil ihm Krause über den Kopf gestreichelt hat", gab Hantscho bei der Vernissage am Donnerstag zum Besten.
Jahrzehnte später habe er von einem ehemaligen Schleifer Schulfreund, der in den Westen gegangen war – Hartmut Völkerling – den Hinweis auf einen echten Krause erhalten. Es handelte sich um das Bild "Am Dorfteich". Als Hantscho den Gemeinderat um grünes Licht bat, staunten die Räte nicht schlecht, erinnerte sich der jetzige Bürgermeister Reinhard Bork. Die Gemeinde als Kunstsammler? Doch Hantschos Begeisterung war ansteckend. Und so wurde die Gemeinde Eigentümerin eines echten Krauses. Das Gemälde schmückt heute das Hochzeitszimmer im Sorbischen Kulturzentrum. Inzwischen sind vier weitere dazugekommen. Schleife ist an weiteren Kunstwerken des Dresdners interessiert. "William Krause gehört als Persönlichkeit zur Geschichte unseres Dorfes und Kirchspiels", unterstrich Bork.
In Hartmut Hantscho, dem Sohn des Schleifer Alt-Bürgermeisters, hat die Gemeinde einen Gleichgesinnten an der Seite. Er sei stets auf der Suche nach Werken von Krause, die vom Leben der Sorben in Schleife berichten. Zur Ausstellung steuerte Hantscho zwei Leihgaben hinzu – "Mädchen in Schleifer Tracht vor Gasthof Eschenbach" und "Zum Markt". Kennern der Kunstszene wird jedoch beim Betrachten der Gemälde auffallen, dass eins der Werke nicht von William Krause stammt, sondern von Friedrich Krause-Osten, einem Maler aus Bautzen. Bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag werden die Kunstwerke ausgestellt. Detlef Rölke, der vor zehn Jahren als Gastwirt die "Schlangenkrone" führt, lädt einheimische Künstler herzlich ein, hier im Weinzimmer auszustellen.
Gabriela Nitsche
CD Soll Schleifer Lieder bewahren
Lausitzer Rundschau02. Juli 2018
Der Verein Kólesko präsentiert neues Werk mit 26 sorbischen Stücken.
ROHNE „Schleife ist ein schönes Dorf“ lautet der Titel der brandneuen CD des Vereins Kólesko aus dem namensgebenden Dorf. Sie enthält 20 Volks- und fünf Kirchenlieder sowie einen Choral im Schleifer Sorbisch. Kólesko hatte in den vergangenen Jahren weitere Werke publiziert, beispielsweise das Sorbische Liederbuch (2013) sowie erst Anfang Mai 2018 das Schleifer Sagenbuch. Der Vereinsname bedeutet auf Deutsch so viel wie „Rädchen“ beziehungsweise „Spinnrad“.
Kólesko gibt es seit dem Jahr 2011. Die 20 Mitglieder befassen sich mit dem Erhalt des sorbischen Kulturgutes im Schleifschen Kirchspiel. „Wir wollen mit unserer CD den heimatlichen Liederschatz bewahren“, bringt Vereinsvorsitzender Hartmut Hantscho das Anliegen auf den Punkt. Mitinitiator Dieter Reddo ergänzt: „Außer uns kennt ja kaum noch jemand diese Werke. Sie würden sonst unwiederbringlich verloren gehen.“ Reddo sammelt seit vielen Jahren die Lieder des Schleifer Kirchspiels, das sieben Dörfer in der Ober- und einen Ort in der Niederlausitz umfasst. „Mein Lieblingslied“, sagt der Klein-Trebendorfer, „heißt auf Deutsch so viel wie `Es ging ein Mädchen Gras sicheln`. Das hat meine Oma in allen möglichen Varianten gesungen“, erinnert sich der heute 77-Jährige. Darüber hinaus haben die CD-Protagonisten ein altes polnisches Volkslied komplett umgedichtet. Dieses handelt ebenfalls von einem Mädchen. Dieses schneidet allerdings kein Gras, sondern begibt sich in eine Kiefernschonung. „Uns hat die Melodie inspiriert“, begründet Dieter Reddo.
Bereits Ende 2013 starteten die ersten Arbeiten am CD-Projekt. So gut wie alle Stücke wurden dem ebenfalls vom Kólesko-Verein herausgegebenen Schleifer Liederbuch entnommen. Die Einstudierung der Titel erfolgte im Weskower Tonstudio des in der Region bekannten Musikers und Pädagogen Gerald Schön. Das Cover der CD gestaltete der in Rohne lebende Maler Jörg Tausch. Gezeigt werden mehrere typische sorbische Instrumente in einer Heidelandschaft. Im Hintergrund ist das Schleifer Gotteshaus als spiritueller Mittelpunkt des Kirchspiels zu sehen.
Für Manfred Hermasch vom sorbischen Dachverband Domowina bedeutet die Kólesko - CD ein „Hilfsmittel zum Erlernen und Bewahren der Schleifer Volkslieder“. Schließlich besitze das Schleifer Sorbisch, das sowohl Elemente aus dem Nieder- als auch aus dem Obersorbischen enthält, eine identifikationsstiftende Wirkung zwischen den Dörfern des Schleifer Kirchspiels. Bis heute, so sagt Hermasch, rätselten Wissenschaftler, warum sich ausgerechnet in der landschaftlich kargen und dünnbesiedelten Region der Muskauer Heide ein solch umfangreicher Liederschatz über Jahrhunderte am Leben halten konnte. „Aber wir Sorben sind halt ein sangesfreudiges Volk“, sagt der Rohner.
In früherer Zeit hatte die jeweilige Kantorki, die Vorsingerin, die Lieder an die nächste Generation weitergegeben.
Einen Bruch gab es allerdings während der DDR-Zeit. Damals wurden viele Texte aus politischen Gründen verändert und Liedstrophen reduziert. „Das hatte mit dem ursprünglichen Charakter dieser Werke kaum mehr etwas gemein“, resümiert Manfred Hermasch. Erst nach der Wende konnten die Lieder wieder ganz authentisch gesungen werden. Bis heute erzählen sie vom schweren Leben der Heidebauern, von der Liebe, den Sagengestalten und der tiefen Zuneigung der sorbischen Landbevölkerung zu ihrer heimatlichen Scholle.
Die insgesamt 500 Kólesko-CD`s sind für zwölf Euro pro Stück auf dem Rohner Njepila-Hof, im Sorbischen Kulturzentrum Schleife, in der Cottbuser Lodka sowie in der Smolerischen Verlagsbuchhandlung in Bautzen zu haben.
Torsten Richter-Zippack
Schleifer Sorbisch erklingt Osternacht in den Dörfern
Lausitzer Rundschau22. April 2014
Vier Schleifer Kantorki und drei Frauen des Vereins "Kólesko" haben in der Osternacht die Botschaft von der Auferstehung des Herrn singend verkündet. Erstmals wurde der Brauch in Schleifer Sorbisch präsentiert.
Angestrengt schaut Gertrud Hermasch auf ihre Uhr. Es ist eine Minute vor Mitternacht. Wenige Augenblicke später beginnen die Glocken der Schleifer Kirche zu läuten. Sie verkünden das Ende der Passions- und den Beginn der Osterzeit. Das ist das Signal für die Chef-Kantorka. "Christ ist auferstanden", heißt es auf Sorbisch. Dann beginnen Gertrud Hermasch und sechs weitere Frauen vor dem Fenster der Schleifer Familie Lehnigk mit dem Gesang.
Die durchweg in der westslawischen Sprache vorgetragenen Choräle handeln vom Wunder dieser Osternacht. Unter dem Schein von Taschenlampen und Kerzen tragen sie die Frauen in ihrer Halbtrauertracht aus ihren Gesangbüchern vor. "Zum ersten Mal singen wir die Verse im Schleifer Sorbisch", erklärt Gertrud Hermasch. Bislang seien die Choräle auf Obersorbisch vorgetragen worden. Doch im Schleifer Kirchspiel ist bereits der Einfluss der Niederlausitz und damit des Niedersorbisch/Wendischen deutlich spürbar. Daraus resultiert der Schleifer Dialekt. "Wir haben die Texte ins Schleifer Sorbisch umgeschrieben", sagt Gesangsexperte Gerald Schön vom Verein "Kólesko". Und weiter: "So verstehen es die Leute besser."
Das weiß Korla Lehnigk, den die Ostersingerinnen als ersten besuchen, zu würdigen: "Einfach wunderschön." Gemeinsam mit seiner Frau steht der bekennende Sorbe, der im ersten Haus an der Neustädter Straße wohnt, kurz nach Mitternacht am Fenster und lauscht den fröhlichen Chorälen. Genauer gesagt: Das Paar singt teilweise mit. "Von Beginn an besuchen uns die Kantorki Jahr für Jahr in der Osternacht", erzählt der Senior. Das heißt, seit Anfang der 1990er-Jahre. Laut Lehnigk wurde aber auch früher bereits gesungen. "Und zwar in allen Dörfern der Umgebung. Das war so bis zur NS-Zeit."
Nach einer Viertelstunde, oder anders gesagt nach drei Chorälen mit jeweils drei Strophen, verabschieden sich die Singerinnen. Sie müssen weiter, denn 17 Familien in Schleife, Rohne, Groß Düben und Trebendorf warten auf sie. "Manchmal", so berichtet Gertrud Hermasch aus Erfahrung, "können sich die Leute nicht wachhalten. Dann ziehen wir weiter. Das kommt aber nur selten vor." Stattdessen würden die Kantorki zumeist voller Freude erwartet.
In diesem Jahr zählen vier Kantorki zum Kreis der Ostersingerinnen. "Verstärkung" bilden drei jüngere Frauen des Schleifer Traditions- und Brauchtumsvereins "Kólesko". Quasi eine "Co-Produktion", wie Gerald Schön schmunzelnd anmerkt. Der Künstler habe die ursprünglich obersorbischen Choräle in den Schleifer Dialekt übertragen.
Etwa eine Stunde vor Mitternacht hatten sich die Frauen bereits in der alten Rohner Schule zur Generalprobe getroffen. Die einzelnen Verse wurden dabei lediglich angesungen. Manchmal mischten sich ungewöhnliche Töne dazwischen. Meinten zumindest die Kantorki. "Das war bestimmt nicht richtig", glaubt Marie Hentschel aus Trebendorf. "Nein, nein, völlig korrekt. So war es richtig", entgegnet ihr Gerald Schön. Marie Hentschel ist mit ihren 82 Jahren die älteste noch aktive Kantorka. "Ich habe als junges Mädel bereits vor dem Krieg in der Osternacht gesungen", berichtet die sorbische Muttersprachlerin. Das typische rollende R in ihrer Stimme verleiht der Tierpflegerin im Ruhestand eine wunderbare Heimeligkeit. Musikunterricht habe sie indes nie genommen. "Alles selbst beigebracht", sagt Marie Hentschel.
Bis zum Morgengrauen ziehen die sieben Frauen singend durch die Dörfer. "Klar, dass uns irgendwann die Müdigkeit übermannt", weiß Gertrud Hermasch. Dagegen würden Kaffee und Tee helfen. Und natürlich der von Herzen kommende Dank der Besuchten. Auf den Rohner Singebänken im Njepila-Hof sowie mit einer Morgenandacht in der Kapelle des sorbischen Heidedorfes ende das österliche Singen. Auch im kommenden Jahr wollen die Kantorki wieder zu nächtlicher Zeit die Auferstehung verkünden. Allerdings plagen sie Nachwuchssorgen. Von einstmals 30 Frauen seien lediglich sieben übriggeblieben, nur vier konnten dieses Jahr mitsingen. Im Jahr 2013 musste das Ostersingen wegen des Schnees und aufgrund von Krankheit gänzlich ausfallen. "Es bleibt zu hoffen, dass uns dies nicht nochmal passiert", wünscht sich Gertrud Hermasch.
Torsten Richter / trt1
Ostersingen in vielen Dörfern
Serbske Nowiny03. April 2018
Schleife/Rohne (FAG/SN). Die Pflege der alten sorbischen Osterbräuche ist weiter auf dem Vormarsch, vor allem in zahlreichen Dörfern der Mittellausitz und in der Niederlausitz. Dort wurde auch in diesem Jahr am frühen Ostersonntagmorgen das Singen gepflegt. In Schleife vor der Kirche fand es in diesem Jahr zum zweiten Mal statt, nachdem der Brauch 1956 verschwunden war. Wieder belebt wurde er vom Kólesko-Verein.
Zehn Frauen, darunter Gertrud Hermašowa, Marja Henčelowa und Lara Berton, sind Ostern sehr früh aufgestanden, um diesen Brauch zu pflegen. Die Jüngste war die 14-jährige Lara Berton, die Älteste Marja Henčelowa mit 86 Jahren. Bereits um halb drei in der Frühe haben die Frauen mit dem Ankleiden begonnen, sie trugen die Schleifer Halbtrauertracht. Pünktlich um halb sechs begannen sie zu singen, obwohl es ziemlich kalt war. Zu den Gästen am Sonntagmorgen gehörte auch die Schleifer Pfarrerin Jadwiga Mahling. „Für die Pflege des Brauches möchten wir vor allem die jungen unverheirateten Mädchen gewinnen. Nach alter Tradition sind sie, aufgeteilt in mehrere Gruppen, in den Dörfern unterwegs gewesen. Das ist mit der heutigen Zeit nicht mehr zu vergleichen. Wir freuen uns, dass es gelungen ist, diesen Brauch wieder zu beleben“, sagte der Kólesko-Vorsitzende Hartmut Hančo.
In Schleife singen die Frauen Choräle im Schleifer Sorbisch. „Das ist nicht mehr ihre Muttersprache, deshalb müssen es vor allem die jungen Frauen lernen, um mitmachen zu können“, fügte Hančo hinzu. Viel Enthusiasmus und die bewusste Traditionspflege sind also zwei wichtige Stützpfeiler, damit das Ostersingen weiterhin stattfinden kann.
In der Kapelle auf dem sorbischen Friedhof in Rohne haben die Pfarrerin Jadwiga Mahling und der Prädikant Manfred Hermasch am Morgen eine Andacht gefeiert, die auch von den Ostersängerinnen musikalisch umrahmt wurde. Dieser Brauch wurde unter anderem auch in Papitz, Ruben, Werben, Limberg und Gulben gepflegt.
Bedeutender Beitrag zur regionalen Identität
Serbske Nowiny08. August 2016
Auf dem Njepila-Hof in Rohne hat sich am vergangenen Freitag eine ansehnliche Anzahl Einwohner aus dem Dorf und der Umgebung versammelt, aber auch Gäste, darunter Geschichtsexperten sowie Kenner und Freunde des Schleifer Sorbisch. Auch das große Medieninteresse war ein Beleg dafür, dass hier ein außergewöhnliches Ereignis stattfindet.
Rohne (JK/SN). Die Mitglieder des Njepila-Vereins und viele engagierte Sorben in der Schleifer Region haben sich jahrelang damit beschäftigt, Begriffe im Schleifer Sorbisch zu sammeln, sie schriftlich zu dokumentieren und für die künftigen Generationen der Schleifer Region zu bewahren. Das aus Bautzen gelieferte frisch gedruckte Wörterbuch mit dem vielsagenden sorbischen Titel „Wie es einmal war – 1000 Wörter im Schleifer Sorbisch“ konnten die Beteiligten und die sie begleitenden Experten vom Sorbischen Institut in Bautzen nun präsentieren.
Einen großen Verdienst an der Ausgabe hat die Projektkoordinatorin Juliana Kaulfürst, welche gemeinsam mit dem Njepila-Verein und vielen Menschen aus der Schleifer Region das Material seit 2005 zusammengestellt hatte. Vorwiegend Dingwörter sind darin enthalten, aber auch Eigenschaftswörter und Verben. Dankerfüllt und sichtbar bewegt nahmen die älteren Vereinsmitglieder wie Manfred Nickel und Dieter Reddo das Erscheinen des Wörterbuchs auf. „Auf diese Weise wird etwas Wesentliches bewahrt, was für uns ein Teil unseres Lebens ist und woran wir immer festgehalten haben“, sagte Manfred Nickel in seiner Begrüßung. Der Vorsitzende des Regionalverbands „Jakub Lorenz Zalěski“ Manfred Hermasch dankte allen, die an dem Projekt mitgearbeitet haben. Unter anderem dankte er auch herzlich Dr. Fabian Kaulfürst vom Sorbischen Institut. Er hatte das Wörterbuchmanuskript geschrieben und das Register zusammengestellt. Das Buch enthält einen Anhang mit vielen zusätzlichen Informationen und Illustrationen. Eine kritische Bemerkung konnte Manfred Hermasch jedoch nicht zurückhalten: Die Unterstützung seitens der Stiftung für das sorbische Volk entsprach keinesfalls einer spürbaren Unterstützung für ein anspruchsvolles Projekt dieser Art, dem damit nicht die gebührende Bedeutung beigemessen wurde. Die Veranstaltung in angenehmer sorbischer Atmosphäre hat die Gruppe Kólesko mit Liedern und Musik aus der Schleifer Region umrahmt. Nach dem offiziellen Teil wurden die Gäste vom Niepila-Verein auf ihre bekannte herzliche Weise bewirtet. Noch lange haben sich die Vereinsmitglieder und weitere Interessenten mit den Experten für Sprachwissenschaft unterhalten und stießen mit einem „šćipaty“ auf das Wörterbuch an.
Ein Ereignis von historischer Bedeutung
Serbske Nowiny10. August 2018
Präsentation des ersten Schleifer Wörterbuches auf dem Njepila-Hof
Jetzt haben die Schleifer Sorben ein eigenes Wörterbuch. Am vergangenen Freitag wurde die Neuheit „Kak to jo było – 1000 Slěpjańskich słowow“ in feierlichem Rahmen präsentiert. In seiner Laudatio verwies der Wissenschaftler des Sorbischen Instituts Dr. Fabian Kaulfürst auf die Bedeutung der Publikation. „Meistens erscheinen Wörterbücher für große und öffentliche Sprachen, seltener für Dialekte oder Mundarten. Und gerade deshalb ist das vorliegende Wörterbuch eine großartige Sache, denn darin sind zum ersten Mal die Wörter einer Regionalsprache versammelt.“
Zugleich würdigte Kaulfürst die Bemühungen der vielen Menschen aus dem Schleifer Kirchspiel, die auf die Initiative des Vereins Njepila-Hof Begriffe des Schleifer Sorbisch zu sammeln begannen. So wurde die Idee geboren, sie in schriftlicher Form für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Das bedeutete eine große Herausforderung auch für den Regionalverband „Jakub Lorenc-Zalěski“. Der Vorsitzende Manfred Hermasch hat sich auf diesem Gebiet besonders engagiert.
Stiftung lehnte Förderung ab
Bei der Stiftung für das sorbische Volk hatte Hermasch einen Förderantrag gestellt, jedoch ohne Erfolg. Deshalb versucht er das anspruchsvolle Vorhaben mit Vattenfall-Mitteln umzusetzen. Und er wurde noch mehr motiviert, als er vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Dresden erfuhr, dass das Schleifer Sorbisch im Maßnahmenplan zur Ermutigung und Belebung der Anwendung des Sorbischen explizit genannt wird.
Das Erscheinen dieses Wörterbuchs ist sicherlich der Höhepunkt bei den bisherigen Bemühungen zur Bewahrung des Schleifer Sorbisch und der weiteren Bewusstmachung seiner Bedeutung für die Region. „Jetzt geht es darum, gemeinsam mit Wissenschaftlern des Sorbischen Instituts darüber nachzudenken, wie dieses Verzeichnis ergänzt werden kann. Es könnte eine neue grammatische Betrachtung geben und die Wörter in neue Zusammenhänge gestellt werden. Prof. Dr. Dietrich Scholze und Dr. Fabian Kaulfürst wollen uns dabei unterstützen“, ist Manfred Hermasch überzeugt. Enttäuscht ist er darüber, dass die Stiftung einen erneuten Förderantrag abgelehnt hat. Aber er habe seine Quellen und sei sich sicher, dass er die zukünftigen anspruchsvollen Aufgaben ebenso erfüllen wird.
Allein steht Manfred Hermasch damit nicht da. Die Unterstützung der Vereine Kólesko und Njepila-Hof ist ihm dabei sicher, auch die verschiedener Medien, was von dem öffentlichen Interesse für die Regionalsprache zeugt. Umso mehr war man verwundert, dass die Repräsentanten des öffentlichen Lebens an der Präsentation nicht teilgenommen haben. Die Arbeit soll weitergehen.
Außer der Pfarrerin Jadwiga Mahling und dem Direktor der Oberschule Schleife Wolfgang Goldstein sind auch Einwohner zu der Veranstaltung gekommen. Der Bedeutung dieses Augenblicks tat das keinen Abbruch. Die Anwesenden waren sich dieses historischen Augenblicks bewusst und darin einig, dass man sich weiterhin um die Pflege und Bewahrung des Schleifer Sorbisch bemühen wird. Die älteren Einwohner empfanden die Präsentation des Wörterbuches als Krönung ihres Lebens, wie es unter anderem Dieter Reddo in seinen Erinnerungen an die Anfangszeit des Njepila-Hofes formulierte. Die Menschen, welche die Wörter gesammelt haben, haben sie in der Form bewahrt, wie sie sie gehört und verwendet haben. Überwiegend handelt es sich um Substantive, aber es sind auch viele Adjektive und Verben dabei. Diese nun zu ergänzen, das wird nun die nächste Aufgabe sein. Die Älteren möchten dieses Vorhaben soweit als möglich unterstützen. Einen großen Dank sprachen sie all denjenigen aus, die am Wörterbuch fleißig mitgearbeitet haben, wie Hartmut Hantscho, Juliana Kaulfürstowa und Antje Krawcoc.
Die drohende Gefahr des herannahenden Tagebaus haben weder die Einheimischen noch die Gäste vergessen. Stark bleiben und sich der Erweiterung von Tagebauen widersetzen - darin waren sich die Anwesenden einig. Mögen sie auch noch in vielen Jahren singen „Rowno jena rjana wjeska …“.
Jan Kral
"Kak to jo było – wie es einmal war"
Lausitzer Rundschau08. August 2016
Njepila-Verein Rohne stellt erstes Wörterbuch im Schleifer Sorbisch vor / 1000 Wörter gesammelt
ROHNE Es war eine langwierige und nicht einfache Geburt. Bis die 1000-Wörter-Sammlung "Kak to jo było – Wie es einmal war" im Schleifer Sorbisch auf die Welt kam, ging der Njepila-Verein über zehn Jahre damit schwanger.
Umso größer die Freude über dieses stattliche "Kind". Freitagabend stellte es der Verein vor Freunden in der guten Stube seines Dreiseitenhofes vor. In einer Auflage von 550 Stück war der 88 Seiten starke Wortschatz erst am Abend zuvor aus der Druckerei gekommen. Voll Freude wurde das Büchlein mit wunderschönen Illustrationen von Jörg Tausch in die Hände genommen. In seiner Laudatio sagte Manfred Hermasch: Nunmehr liege ein Werk vor zum Erlernen und Vertiefen des Schleifer Sorbisch. Das Sachbuch folgt auf das Schleifer Liederbuch (2013) und auf "Erzählungen aus dem Grastuch – Płachta pełna hulicowańkow” (2015).
Vereinsvorsitzender Manfred Nickel gestand: "Das bewegt das Herz, wenn man spürt, wie lebendig unser Schleifer Dialekt ist." Er dankt in seinem Vorwort den Beteiligten, vor allem seinem Mitstreiter Dieter Reddo, aber auch Antje Krautz, die in den Anfangsjahren den Verein unterstützte, und den Kursteilnehmern. Denn 2005 organisierte der Njepila-Verein einen Sprachkurs rund um das Schleifer Sorbisch. Nicht nur die Traditionen ihres Namensgebers Hanzo Njepila wolle der Verein für die Nachwelt bewahren, auch die Sprache der Menschen von einst auf Höfen und Feldern. Mühevoll sei es gewesen, Wörter aufzuschreiben und neue zu sammeln. "Wir haben alles so aufgeschrieben, wie die Wörter im Mund gewachsen sind", so Dieter Reddo. Er selbst hatte früher beim Schlachten auf den Dörfern des Kirchspiels viel Schleifer Sorbisch gehört und es all die Jahre im Kopf behalten. "Nun haben wir etwas, was wir an die Kinder und Enkel weitergeben können, wenn wir nicht mehr sind", freut sich der Trebendorfer und meint ob der vielen Mühe, die alle investierten: "Uns kann nur der liebe Gott bezahlen, mit wie viel Herzblut wir dabei waren."
Vor einigen Jahren waren die Njepila-Mitstreiter jedoch an ihre Grenzen gelangt. Sie fanden im Kolesko-Verein tatkräftige Hilfe. Hartmut Hantscho kümmerte sich in unzähligen Stunden um die Digitalisierung, Juliana Kaulfürst korrigierte und überarbeitete sowie ergänzte den Wortschatz. Ihr Bruder Fabian war mit seiner lexikographischen Erfahrung behilflich. Dieser gratulierte am Freitag von Herzen zur Neuerscheinung. Denn das Buch enthält weitaus mehr als 1000 Wörter – zu jedem einzelnen Wort gibt es einen Beispielsatz.
Gabriela Nitsche
Im Schleifer Kirchspiel findet wieder das Ostersingen statt
Nowy Casnik04. April 2018
Schleife. Am Ostersonntag fand hier zum zweiten Mal in neuerer Zeit wieder das Ostersingen vor der Kirche statt (der alte Brauch wurde hier bis 1956 gepflegt, im vergangenen Jahr wurde er wieder belebt.). Die Initiative kam vom Kólesko-Verein, der 2011 gegründet wurde und heute 20 Mitglieder hat. Hartmut Hantscho ist der Vorsitzende. Die Sängerinnen mussten sehr früh aufstehen. Alle Generationen waren vertreten: Die Jüngste, Lara Berton, ist erst 14 Jahre alt. Die Älteste, Marie Henšelowa ist 86. An diesem Tag trugen alle Frauen die Halbtrauertracht. Einige Trachtenteile besitzen sie selbst, weitere Teile haben sie sich aus dem Fundus des Vereins besorgt. Die älteren Sängerinnen kleiden sich selbst an, die jungen brauchen Helferinnen. Elvira Rathner hatte deshalb alle Hände voll zu tun: Seit halb drei in der Früh kleidete sie der Reihe nach sechs Mädchen an. Denn Punkt 5.30 Uhr mussten alle trotz des kalten Wetters an der Kirche sein, um bis zum Sonnenaufgang Choräle über die Auferstehung Jesu singen. Zu den Menschen, die sich dieses Ereignis angeschaut haben, gehörte die Pfarrerin Jadwiga Mahling.
„Wir möchten für diese Tradition vor allem unverheiratete Mädchen gewinnen, so wie es früher Brauch war. Damals sind sie in Gruppen durch das Dorf gegangen. Das kann man mit der heutigen Zeit nicht mehr vergleichen. Aber wir sind froh, dass wir diesen Brauch wieder beleben konnten“, berichtet der Vorsitzende Helmut Hančo aus Schleife. Die Osterchoräle werden auf Sorbisch gesungen. „Das ist nicht mehr unsere Muttersprache, und deshalb müssen besonders die jungen Mädchen und Frauen sich anstrengen, um die Lieder auswendig zu lernen. Das ist notwendig, um mitmachen zu können. Für die Bewahrung der Tradition im Schleifer Kirchspiel ist viel Enthusiasmus und Liebe zur Tradition notwendig“, meint Hančo.
Martina Arlt
“Und die sorbischen Lieder lieben auch ihn”
Nowy Casnik13. März 2013
Anmerkungen zum Liederbuch “Slěpjański spěwnik”
Überall in der Nieder- und der Oberlausitz, wo Sorben/Wenden leben, bemühen sich die Menschen, die sorbische Sprache und Kultur zu erhalten, sie zu pflegen oder sie wieder zu neuem Leben zu erwecken. Und in einer Region sind diese Bemühungen und Aktivitäten besonders stark und erfolgreich: im Schleifer Kirchspiel, das mit seinen acht Dörfern nicht gerade groß ist. Schon seit längerem bewegt sich dort eine ganze Menge und das verdient aufrichtige Anerkennung. Und das auch deshalb, weil alle diese sorbischen Aktivitäten und Projekte meistens Initiativen aus dem Volk selbst sind, wenn auch unterstützt von der Domowina und weiteren. Die Liste der Aktivitäten ist lang – das SKC, das Schleifer Folkloreensemble, die Kantorki, die Gruppe Rowniske głose, der bilinguale Unterricht an der Schleifer Schule, die Witaj-Kita in Rohne, die Domowina-Ortsgruppen, der Njepila-Hof, das Schuster-Haus in Trebendorf, sorbische Gottesdienste in der Schleifer Kirche und noch vieles mehr.
Überall dort wird das spezielle Schleifer Sorbische groß geschrieben – eben jene regionale Sprache, die Kultur, Tracht und alles, was in der Schleifer Region einzigartig ist, was ein bisschen anders ist als in der Niederlausitz oder in der Kamenzer Region. Und die Aktivitäten im Kirchspiel werden immer mehr auf das Ureigene ausgerichtet. Richtig so! Ein Grund dafür ist wohl der, dass der reiche Schatz, den die Heimatregion zu bieten hat, die Menschen in einer Zeit vereint, in der einem großen Teil des Schleifer Kirchspiel die Gefahr droht, abgebaggert zu werden.
Und die verstärkte Hinwendung zur eigenen Kultur und Sprache kann eine Art Sicherheit dafür sein, dass diese bewahrt werden, auch wenn es dazu kommen sollte, dass die Menschen ihr Haus an einem anderen Ort im Kirchspiel neu
aufbauen müssen.
Das neueste Beispiel für die Schleifer Aktivitäten – und damit für den starken Lebenswillen – ist das Liederbuch “Slěpjański spěwnik” mit dem Titel “Daj mi jedno jajko, how maš hobej dwě”. Es enthält insgesamt 160 typische Schleifer Volkslieder – im Schleifer Sorbisch und auf Deutsch, mit Noten und zwei CDs. Es eignet sich also wunderbar zum Singen – allein oder in der Gruppe - und auch zum Lernen dieser Lieder und der Sprache.
Vor zehn Jahren wurde die Idee für dieses Liederbuch geboren. Dieter Reddo aus Klein-Trebendorf, der schon seit 55 Jahren fleißig alle Schleifer Lieder sammelt, gab den Impuls dazu; und Hartmut Hantscho aus Schleife, der viele Jahre als Tänzer im Schleifer Ensemble mitgemacht hat, war sofort Feuer und Flamme dafür. Später gesellte sich die aus Bautzen stammende Juliana Kaulfürst hinzu, die schon seit einigen Jahren in Schleife für das Sorbische arbeitet.
Am 2. März konnten sie nun ihr Produkt präsentieren und luden zur Premiere in den Njepila-Hof ein. Das Vereinszimmer war rappelvoll mit rund 70 geladenen Gästen.
Leider mussten viele, die auch gern dabei gewesen wären, an diesem Tag zu Hause bleiben. Es war ein wunderbarer sorbischer Kulturabend, an dem viel gesungen wurde – selbstverständlich Lieder aus dem Buch. Elvira Rathner, Anke Fischer, Juliana Kaulfürst und Uwe Hermasch traten als neue Gruppe auf; und Veit Hanusch und Gerald Schön begleiteten den Gesang.
Und viele schöne Worte – im Schleifer Sorbisch, auf Obersorbisch und Deutsch – wurden gesprochen – von Dieter Redo und Dr. Fabian Kaulfürst. Letzterer berichtete über die lange Geschichte der sorbischen Volkslieder in der Schleifer Region und würdigte die unermüdlichen Aktivitäten für die Herausgabe des neuen Liederbuches.
Lobende Worte fand er insbesondere für all diejenigen, die die Lieder über die Jahrhunderte gepflegt und erhalten haben. Dazu gehört auch Dieter Reddo. “Du liebst die sorbischen Lieder sehr, aber die Lieder lieben auch dich, sonst wären sie schon längst aus deinem Kopf entwischt”, sagte Kaulfürst. Er betonte, dass das Buch auch eine wichtige Dokumentation des Schleifer Sorbisch mit all seinen grammatikalischen und lexikalischen Besonderheiten und Schönheiten sei.
Dieter Redo, der ebenso wie die anderen Autoren, viele Bücher signieren musste, war an diesem Abend der Glücklichste von allen. “Lange hat´s gedauert, aber jetzt ist es vollbracht”, sagte er. Auch wenn die Ratlosigkeit streckenweise groß war ...
Das Schleifer Liederbuch ist das erste Produkt des neuen sorbischen Vereins Kólesko, dem ca. 15 Mitglieder angehören. Sein Betätigungsfeld sind die Schleifer Mundart und die Kultur und vor allem die Geschichte des Schleifer Kirchspiels. Er steht also nicht in Konkurrenz zu anderen Gruppen und Vereinen, im Gegenteil! Er möchte dafür sorgen, dass das Liederbuch in viele Häuser einzieht. Demnächst werden die Mitglieder zu diesem Zweck Gesangsabende organisieren.
Das Liederbuch ist fertig; nun sind alle auf das Schleifer Wörterbuch gespannt, an dem eine Gruppe des Njepila-Hof-Vereins schon lange arbeitet.
Horst Adam