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Zwei Begeisterte für das Schleifer Sorbisch
Nowy Casnik04. Oktober 2018
Kamenz. Der Zejler-Preis wird in Sachsen als Anerkennung besonderer Leistungen im Interesse der sorbischen Sprache verliehen. In diesem Jahr wurden die Bemühungen für das Schleifer Sorbisch gewürdigt. Die Preisträger sind Juliana Kaulfürst (38) aus Dresden und Dieter Reddo (74) aus Klein Trebendorf. Die Festveranstaltung fand in der evangelischen St.-Annen-Kirche in Kamenz statt. Die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur Eva-Maria Stange (SPD) hat ihnen den Preis überreicht. Dieter Reddo wurde die Sprache in die Wiege gelegt und seit seiner Jugendzeit hat er sich vieles von dem notiert, was er aus den Mündern der Schleifer Menschen gehört hatte: Sprüche, Lieder und Bräuche. Hartmut Hantscho, Vorsitzender des Kólesko-Vereins hatte ihn angeregt, all das zu veröffentlichen. Juliana Kaulfürst hat die beiden unterstützt. Aber ihre Arbeit geht jetzt noch weiter. Demnächst soll ein Schleifer Sorbisch-deutsches Wörterbuch mit 3.000 Wörtern herausgebracht werden.
Die Preisträger geben ihre Begeisterung weiter
Laudatio: Božena Braumanowa und Andrea Paulik21. September 2018
Laudatio der Übersetzerin Božena Braumanowa und der Museumskuratorin Andrea Paulik für die Zejler-Preisträger 2018
„In der Muskauer Heide lässt sich bisweilen ein Vogel mit schönem, bunten Gefieder, goldenem Schwanz und Flügeln sehen … Wem er sich zeigt, dem bringt er Glück.“
Verehrte Anwesende, wir haben die Ehre, die Laudatio für einen Sorben und eine Sorbin zu halten, die beide nicht nur für die Schleifer Region Gold wert sind. Das Eingangszitat entstammt der neuesten Sammlung, dem „Schleifer Sagenbuch“, an der beide mit Fleiß gearbeitet haben. Unsere heutigen Preisträger sind bekannt wie ein bunter Vogel. Sie sind voller Begeisterung für das schöne Schleifer Sorbisch. Sie bringen Glück überall, wo sie mitwirken. Auf den ersten Blick scheinen sie vielleicht ein ungewöhnliches Paar zu sein: Dieter Reddo aus Klein Trebendorf – er wurde vor 74 Jahren in der Schleifer Region geboren und ist dort Zeit Lebens verwurzelt – und die halb so alte 38jährige Juliana Kaulfürst, eine geborene Bautznerin. Sie ist in die Schleifer Region erst später „eingeflogen“ und wohnt jetzt sozusagen mit einem Bein in Schleife und mit dem anderen in Dresden. Ein gewisser Zufall hat die beiden zusammengeführt, und heute sind sie der Motor der Aktivitäten, welche die Dokumentation des Schleifer Sorbisch zum Ziel haben. Und da hier also ein zweifaches Loblied anzustimmen ist, machen wir beide es im Duett.
Einen „Botschafter der sorbischen Kultur” hat man Dieter Reddo zu Recht genannt. Als geschickter Verzierer sorbischer Ostereier hat er sich u. a. um die Dokumentation typischer regionaler Muster gekümmert. Als Kenner der Trachten und Volkstänze sorgt er im Rahmen des Schleifer Hochzeitszuges für den Erhalt dieses Teils der Volkskultur. Beruflich hatte er vorwiegend in der Braunkohleindustrie – im Havariedienst in Schwarze Pumpe – gearbeitet. Es kann jedoch als Glücksfall gelten, dass Dieter Reddo auch gelernter Fleischer ist. So hat er viele Jahre bei Leuten zu Hause Schweine geschlachtet. Und er hatte ein Gespür für das, was er hörte und erfuhr – zumeist im Schleifer Sorbisch. War dies doch für die Generation seiner Eltern damals hinter den Hoftoren die tägliche Umgangssprache. Und er notierte sich alles, was er hörte – über die bäuerliche Arbeit und die Bräuchen, die Schleifer Tracht sowie verschiedene Volksweisheiten und Sprüche. Vor allem aber: die originären Schleifer Volkslieder. Dieter Reddo hat – beginnend ca. 1954 – vielleicht bewusster als so manch anderer empfunden, dass diese Schätze der Schleifer Kultur bedroht sind. Und so hat er an die 200 Schleifer Volksweisen gesammelt, die jedoch über Jahrzehnte bei ihm zu Hause lagerten, bis ...
... Juliana Kaulfürst in die Schleifer Region kam. 2010 kam die ausgebildete Slawistin, um als Koordinatorin für Sprachprojekte des Domowina- Regionalverbandes zu arbeiten. An den beiden Schulen sorgt sie jetzt dafür, dass die Schüler die sorbische Sprache auch außerhalb der Schule anwenden und erleben, so im Klubraum „Sorbische Höhle”, in Sprachcamps oder in der Theatergruppe, für die sie selbst die Stücke schreibt. In jenem Jahr 2010 wurde sie jedoch Dieter Reddo und Hartmut Hantscho aber auch gefragt, ob sie die gesammelten Schleifer Lieder sprachlich bearbeiten würde. Die beiden Männer hatten nämlich einen Plan: ein „Schleifer Liederbuch” herauszugeben. Und sie hat „Ja” gesagt. Was nicht weiter verwundert, wenn man um ihre Musikalität weiß und dass sie selbst gern singt. Schon 2013 konnte der Verein „Kólesko”, welcher sich der Pflege des Schleifer Spracherbes widmet, das fertige Liederbuch samt einer CD der Öffentlichkeit präsentieren. Natürlich ist Juliana Kaulfürst auch Mitglied des Njepila-Vereins, der sozusagen ein Sprachnest darstellt, indem er die Schleifer Sprache auf Veranstaltungen bewusst praktiziert. Jeder Realist sieht jedoch, dass diese Sprache allmählich verloren geht. Und daher haben sich die Mitglieder des Njepila-Vereins vorgenommen, die Wörter für die Bereiche zu sammeln, mit denen sich der Verein unter seinem Motto „Wie es einmal war“ beschäftigt, damit die Sprache nicht aus dem Gedächtnis der Menschen und somit aus der Welt verschwindet. Beim Zusammenstellen dieser Wortlisten waren die Sprachkenntnisse und Aufzeichnungen von Dieter Reddo eine unverzichtbare Quelle. Und als sich Juliana Kaulfürst hinzugesellte, wurde das Unterfangen neu angefacht. Erstens dank ihrer positiven Ausstrahlung, und zweitens, weil sie sich insbesondere um die sprachwissenschaftliche Seite des Materials und um die Korrekturen gekümmert hat. Was ursprünglich als Schleifer Sprachkurs auf dem Njepila-Hof begonnen hatte, daraus ist ein kleines Wörterbuch mit dem Titel „1.000 Wörter Schleifer Sorbisch” entstanden. Und jetzt wird – nach niedersorbischem Vorbild und mit Hilfe der Niedersorben – an einem großen Deutsch-Schleifer-Wörterbuch gearbeitet.
Dieter Reddo ist der Schleifer Dialekt in die Wiege gelegt geworden. In seiner Jugendzeit bekamen jene, die sorbisch sprachen, auch abfällige Bemerkungen zu hören. Auf welche Art und Weise man sich vor solchen Beleidigungen schützt, wissen wir. Und mit den Auswirkungen für die Sprache – die auch mit dem Braunkohlebergbau in Verbindung stehen – müssen wir jetzt umgehen. Juliana Kaulfürst hat sich das Schleifer Sorbisch durch die Lieder und mit Unterstützung älterer Sorben angeeignet, nachdem sie als „Spracharbeiterin auf Montage” nach Schleife gekommen war. Sie ist heute die einzige in ihrem Alter, die fließend das Schleifer Sorbisch spricht, obwohl sie aus einer Familie mit deutschen und erschütteten sorbischen Wurzeln stammt. Doch um ein Feuer zu entfachen, dafür genügt manchmal schon ein Funken Begeisterung, den ihr ihr Vater wohl bereits mitgegeben hat, als er seinen noch kleinen Kindern das Lied „Brězowka jo rjana wjeska“ (Halbendorf – schönes Dorf) vorgesungen hat. Und Begeisterung weitergeben, das kann Juliana Kaulfürst auch auf ganz besondere Art: Indem sie nämlich mit ihrer riesigen Blechtuba den Knirpsen im Kindergarten in Rohne die ersten sorbischen Worte vermittelt – nach dem Motto „Sorbisch lernen mit Musik”.
Unsere beiden Preisträger sind also auf unterschiedlichen Wegen zum Schleifer Sorbisch gekommen, doch beide haben sich dieser Sprache mit Herz und Seele verschrieben. Sie leben die Schleifer Art in Bereichen, die sich heute dazu anbieten bzw. die sie durch ihre Sprachaktivitäten selbst mit gestalten. So gehört Dieter Reddo zu jenen Aktiven, die dem Njepila-Hof als lebendigem Dorfmittelpunkt die sorbische Seele einhauchen, denn er kann Sorbisch und spricht es auch. Juliana Kaulfürst wiederum bringt ihre Schleifer Saite dergestalt zum Klingen, dass sie in der Gesangsgruppe des Vereins „Kólesko” die Schleifer Lieder mit verbreitet. Uneigennützig zu geben und dankbar anzunehmen – das haben die Menschen der Schleifer Region im Blut. Juliana Kaulfürst hat dies auch im Rahmen eines Projektes erlebt, als sie – über fünf Jahre lang – Menschen besuchte, die den wohlklingenden Schleifer Dialekt authentisch sprechen, und sich aus deren Leben berichten ließ. Sie wählte dann Ausschnitte aus dem aufgenommenen Material aus, übertrug diese in die schriftliche Form und übersetzte sie ins Deutsche. Daraus entstand das Buch „Erzählungen aus dem Grastuch”. Auch akustisch kann man die Sprecher nun erleben – auf zwei CDs, die zum Buch gehören. Nicht nur bei diesem aufwendigen Projekt konnte sich Juliana Kaulfürst auf die Unterstützung von Dr. Hync Richter aus Leipzig verlassen. Denn er hat alle bisher erschienenen Schriften mit lektoriert, schließlich ist er in der Lage, das Schleifer Sorbisch bis zum letzten Buchstaben exakt zu verschriftlichen.
Manchmal verschlägt einem das Tempo, mit dem die Schleifer Sprachdenkmale dank der fleißigen und unermüdlichen Arbeit unserer heutigen Preisträger erscheinen, fast den Atem. Seit 2015 hat es jedes Jahr eine Neuerscheinung gegeben. In diesem Jahr im Juni war es das 250-seitige Buch mit Sagen aus dem Schleifer Kirchspiel und der Muskauer Heide, und im Juli erschien die neue CD mit Schleifer Liedern und Chorälen. Das fördert den Stolz der Schleifer Sorben auf das Eigene beträchtlich. Und lässt sogar die Hoffnung aufkeimen, dass das Schleifer Sorbisch vielleicht doch wieder belebt werden kann: Zum Beispiel auf Gesangsveranstaltungen, wenn Menschen, die noch nie einen ganzen Satz im Schleifer Dialekt gesprochen haben, sorbische Worte aus dem Mund kommen. Oder, wenn Schüler im Rahmen von Projekten vom einstigen Leben und Arbeiten auf dem Njepila-Hof erfahren und Dieter Reddo ihnen das in sorbischer Sprache beschreibt. Oder wenn Juliana Kaulfürst zu kulturellen Höhepunkten mit Moderationen im Schleifer Dialekt diese einst verpönte Sprache wieder ins öffentliche Leben trägt, natürlich in Schleifer Tracht. Oder wenn sie das Schleifer Sorbisch auf der Facebook-Seite „Slěpe lubujom” (Ich liebe Schleife) sogar als Kommunikationsmittel über Themen des heutigen Lebens verwendet.
Auch wir aus den umliegenden sorbischen Regionen blicken mit Bewunderung und Ehrfurcht darauf, wie eine Handvoll Enthusiasten Berge zu versetzen vermag. Sie machen uns bewusst, dass es in Zeiten der Globalisierung lohnt, auch kleine kulturelle Inseln zu erhalten, wie es auch das Schleifer Kirchspiel ist. Jurij Koch hat dies – gleichfalls mit dem Bild des Vogels – in der Reminiszenz „Die Schmerzen der sterbenden Art” auf ergreifende Weise beschrieben:
„Ich wünsche mir, dass der schöne Vogel noch im Land wäre. So, wie ich mir die Welt nur mit meiner ethnischen Art vorstellen kann ... Ihr Verschwinden würde Verlust bedeuten. Nach und nach wäre Verarmung im ganzen Land spürbar. Vielleicht sogar auf dem Kontinent, auf dem Planet. Eine Farbe weniger. Mehr Grau. Ein Klang weniger, eine Sprache weniger. Mehr Schweigen. Es ist nicht wahr, dass die Verständigung zwischen den Völkern zunehmen würde, wenn die Welt weniger Sprachen hätte ...“
Und so wünschen wir den Preisträgern und all denen, die bei der Revitalisierung des Schleifer Sorbisch mit ihnen an einem Strang ziehen, dass der Dokumentation die Phase der Aktivierung folgt, zumal auch die Sächsische Staatsregierung das Schleifer Sorbisch in ihrem Maßnahmenplan verankert hat, mit dem sie zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache ermutigt.
Herzlichen Dank!
Zejler-Preis 2018 ging in das Schleifer Kirchspiel
Pomhaj BóhNovember 2018
Aus den Händen der sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst nahmen Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo am 21. September in der ehemaligen St. Annen-Kirche in Kamenz den diesjährigen Zejler-Preis entgegen.
In ihren Glückwünschen verwies die Ministerin auf die Verdienste der Laureaten bei der Dokumentierung und dem zugänglichmachen der Schleifer Mundart und der sorbischen Traditionen in den Schleifer Dörfern. Die Laudationen zur Preisverleihung hielten die Übersetzerin Božena Braumanowa aus Luga und die Museumskuratorin Andrea Paulik aus Radibor. Die Sängerinnen und Sänger der Gruppe „Kólesko“ aus Schleife unter der Leitung von Gerald Schön umrahmten die würdevolle Veranstaltung mit sorbischen Chorälen und Liedern im Schleifer Sorbisch.
Der Laureat Dieter Reddo aus Klein Trebendorf stammt aus dem Schleifer Kirchspiel, wo er vor 74 Jahren geboren wurde und bis heute lebt. Er ist nicht nur als geschickter Ostereierverzierer bekannt, sondern er kennt sich auch mit den Schleifer Trachten und Volkstänzen aus. Beruflich hatte er in der Braunkohleindustrie gearbeitet. Außerdem hat er als gelernter Fleischer bei den Leuten zu Hause Schweine geschlachtet. Was er dabei – meistens auf Sorbisch – an Volksliedern und über die Arbeit und die Trachten, die Bräuche und Weisheiten der Menschen erfahren hat, hatte er sich nach Feierabend zu Hause gewissenhaft notiert. Dieser Schatz lag jahrzehntelang bei ihm zu Hause verborgen. Die Laureatin Juliana Kaulfürst ist Slawistin. Die 38-Jährige stammt aus Bautzen, lebt in Dresden und kümmert sich an den beiden Schleifer Schulen um außerschulische Projekte in sorbischer Sprache. Ihr Wirken in Schleife begann sie im Jahre 2010 als Koordinatorin für Sprachprojekte des dortigen Domowina-Regionalverbands. Damals wurde sie von Dieter Reddo und Hartmut Hantscho gefragt, ob sie die gesammelten Lieder und Notizen sprachlich bearbeiten würde. Aus diesem Anfang hat sich in den vergangenen Jahren eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt. Der Beleg dafür sind mehrere inzwischen herausgebrachte Bücher und CDs. An weiteren Publikationen wird bereits gearbeitet.
Der aufgearbeitete Fundus ist aber nicht nur in den herausgebrachten Materialien enthalten, sondern er bereichert zugleich auch das heutige Kulturleben, wenn in den Gesangs- und Folkloregruppen, in Schulen und Kindergärten oder auch auf dem Njepila-Hof in Rohne und auf dem Schuster-Hof in Trebendorf gesungen und gesprochen wird, die Trachten getragen und nach alter Schleifer Tradition getanzt wird. Die sorbischen Aktivitäten von Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo sowie einer Handvoll weiterer Enthusiasten um sie herum war bis jetzt äußerst fruchtbar. Gottes Segen möge ihr Wirken für das Sorbische auch in den kommenden Jahren begleiten.
Trudla Mahling
Ein Friseur, der nach der Arbeit den Pinsel schwang
Nowy Casnik11. September 2013
Ausstellungseröffnung zu Ehren von Walter Ruhland im SKC
Schleife. Viele der Gäste, die ins SKC kamen, haben Walter Ruhland noch persönlich gekannt. Er war ein zurückhaltender, nachdenklicher Mensch und er war sehr fleißig. Zu Ruhlands 100. Geburtstag organisierte der Verein Kólesko eine Ausstellung. Walter Ruhland hat seinem Geburtsort als Künstler ein Denkmal gesetzt. Dieses hat Hartmut Hantšo, der Vorsitzende des Vereins Kólesko entdeckt. Er beschäftigt sich mit der Geschichte von Schleife. Sein Vater Helmut, früher in Schleife Bürgermeister, hat ihn dabei unterstützt. Immerhin hatte Walter Ruhland auch ihm die Haare geschnitten. Doch wenn der Friseurmeister nach der Arbeit Schere und Rasiermesser beseite legte, tauchte er in sein anderes Element – als Künstler. Er schnitzte, goss und formte Plastiken. Er malte, zeichnete und machte Holz- und Linolschnitte. Durch viel Probieren, Studieren und Lernen gelangte er zu künstlerischer Vollkommenheit. Das war seine Passion, obgleich ihn sein Lebensweg zunächst in Kriegsgefangenschaft, Vertreibung und Flucht führte.
Einer, der Ruhlands Kunst bestens beurteilen kann, ist der Maler Jan Buck, der in den 60er Jahren regelmäßig zwischen Bautzen und Trebendorf pendelte. Er war auch als Ehrengast bei der Ausstellungseröffnung anwesend. Damals gab es in Trebendorf einen Zirkel sorbischer Laien-Maler, den Buck künstlerisch begleitete. Auch Walter Ruhland gehörte zu seinen Schülern. In der obersorbischen Zeitung Nowa doba vom 3. September 1966 ist ein Portrait des Schleifer Frisuers veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: “Er ist schon über 50, von Beruf Friseur. Doch wenn sich der Tag zu Ende neigt und das Tageswerk vollbracht ist, dann wird er zum Künstler, mit Leib und Seele”. Walter Ruhland hatte damals dem Journalisten der Nowa doba gesagt: Gut zu malen, das ist nicht leicht. Man muss Talent haben. Es mus innerlich aus dir ausbrechen, so dass deine Fähigkeit zum richtigen Zeitpunkt an die Oberfläche dringt.” Mit diesem Ausbruch meint er die Leidenschaft, diese Art Rausch. Walter Ruhland malte alles: Szenen aus dem Dorfleben, sorbische Trachten, Bräuche, das Leben auf den Bauernhöfen, aber auch das Kraftwerk und den Tagebau. Im Jahre 1966 sagte er: “Ich finde, dass man sich auch im Bereich der Volkskunst ständig weiterbilden und arbeiten muss. Wir Trebendorfer waren in der Ausstellung beim Festival der sorbischen Kultur mit vertreten und haben dabei die Erfahrung gemacht, dass vieles nur durch Zufall entstanden oder Glückssache ist.”
Die Ausstellung im SKC ist keinesfalls ein Zufallsprodukt, dafür hat der Verein Kólesko gesorgt. Juliana Kaulfürstowa sagte in ihrer zweisprachigen Laudatio: “Schleife als Ort von Inspiration birgt noch viele Schätze in sich. Sie, liebe Gäste, können auf weitere Ausstellungen gespannt sein”.
J. Schmidtchen
In Kindheitserinnerungen gekramt
Lausitzer Rundschau02. Mai 2014
Neue Ausstellung in Schleife zeigt erstmals Werke von Heinrich Hantscho
SCHLEIFE Die Malereien waren Geschenke. Es gab sie zu runden Geburtstagen oder zu Hochzeiten. Sie haben in Wohnungen einen besonderen Platz gefunden und so die Zeit von Heinrich Hantscho (1903-1985) überdauert. Seit Mittwoch werden einige seiner Werke erstmals in einer Ausstellung unter dem Motto "Schleife – das sorbische Worpswede" gezeigt.
"Es ist schon etwas besonderes", freut sich Helmut Hantscho. Gerade eben hat er im Sorbischen Kulturzentrum Schleife die Laudatio für seinen Vater halten dürfen, nun führt er die Besucher durch die Ausstellung und erklärt. "Hier ist ein schönes Bild mit einem Feld. Da sieht man die Blüten des Klatschmohns. Es sieht so natürlich aus", so Alt-Bürgermeister Hantscho. Vor dem geistigen Auge sieht man fast den Maler am Feldrain mit seiner Staffelei und den Ölfarben sitzen.
Heinrich Hantscho hat auf solchen Feldern als Landwirt gearbeitet. Aber nie am Rand gesessen, um dort zu malen. Motive seiner Malleidenschaft waren oft Postkarten oder Fotos. Und doch sehen die Arbeiten in ihrem feinen Pinselstrich und mit der Liebe zum Detail so aus, als wären sie am Objekt vor Ort entstanden. Seinen Sohn beeindruckt dies noch heute. Auch dass sein Vater, als Landwirt schwere Arbeit gewohnt, so feine Pinselstriche führen konnte. Es muss für Hanos Heinrich - so wurde er überall genannt - ein Ausgleich zu seiner Arbeit gewesen sein, sich an der Staffelei entspannen zu können. Einzutauchen in die Welt der Farben. "Ich kann mich erinnern, dass das Zuschauen interessant, aber langweilig war. Denn es dauerte je nach Format schon seine Zeit, ein Ölbild fertigzustellen", so Hantscho.
So sind über die Jahre zahlreiche Arbeiten entstanden, die vor allem in der Familie oder den Freunden geschenkt wurden. Für die erste Ausstellung des Heinrich Hantscho sind sie teilweise von Leihgebern zur Verfügung gestellt worden oder sind als Fotokopie nach Schleife zurückgekehrt. Die Idee für die Ausstellung hatte Hartmut Hantscho. Als Vorsitzender des örtlichen Kólesko-Vereins ist er seit Jahren Kunstwerken aus Schleife auf der Spur. Sein Vater Helmut Hantscho freut sich nun um so mehr darüber, dass seinem Vater posthum diese Ehre der Ausstellung erteilt wird. Für die Laudatio musste Helmut Hantscho in seinen Kindheitserinnerungen kramen und die Erzählungen der Mutter auffrischen. Nach diesen fing Heinrich Hantscho in der 1920er-Jahren an, Ölbilder zu malen. Das machte er gemeinsam mit dem Gastwirt Richard Lehmann. Lehmann und Hantscho kannten sich unter anderem aus dem Turnverein. Der Gastwirt war einige Jahre älter als der Landwirt. "Ich gehe davon aus, dass Lehmann das Maltalent bei meinem Vater entdeckt hat", erzählt Hantscho im proppenvollen Ausstellungsraum des SKC. Das Maltalent rührt aus Familienerzählungen aus einem besonderen Grund her. So soll Heinrich Hantscho als Kind den Kopf von William Krause gestreichelt bekommen haben. Der Künstler aus Dresden hatte eine besondere Beziehung zu Schleife, denn er verbrachte hier einige Sommer zwischen 1902 bis 1912. Nach dem Kriege war es schwer für Heinrich Hantscho, mit dem Malen fortfahren zu können. Wie alles, waren auch Mal-Utensilien Mangelware. Doch in Görlitz konnte der Engpass dank alter Malbestände überwunden werden. Das letzte Bild entstand 1963. Es wurde Gemeindeschwester Martha geschenkt. Dann konnte er wegen einer Operation nicht mehr malen. "Er hat es versucht, aber das Ergebnis war nicht das, was er erwartet hatte", so Hantscho.
Regina Weiß
Kulturzentrum zeigt Werke von Walter Ruhland
Lausitzer Rundschau07. September 2013
Der Künstler, der sich in vielen Gestaltungsformen probierte, wäre vor einem Monat 100 Jahre alt geworden
SCHLEIFE Anlässlich des 100. Geburtstages von Walter Ruhland aus Schleife präsentiert das Sorbische Kulturzentrum im Ort Werke von ihm. Zahlreiche Besucher kamen zur Eröffnung der Ausstellung am Mittwoch. Der Verein Kólesko übernahm die feierliche Umrahmung der Ausstellungseröffnung im Sorbischen Kulturzentrum Schleife.
Walter Ruhland war Maler, Bildhauer – und Friseurmeister. Viele Einwohner erinnern sich noch an ihn. Er wurde 1913 in Horlitza geboren und starb 1994 in Schleife. Vor vier Wochen hätte der Sorbe 100. Geburtstag gehabt. Dem Schleifer Verein Kólesko unter Leitung von Hartmut Hantscho ist es gelungen, künstlerische Arbeiten Ruhlands für eine Exposition zusammenzutragen. 30 Bilder beziehungsweise Skulpturen sind bis zum 13. Oktober im Sorbischen Kulturzentrum zu bewundern. Ein Großteil der Werke stammt aus dem Fundus der Familie Ruhland. Weitere Arbeiten sind Leihgaben von Privatpersonen. Juliana Kaulfürst hob in ihrer Laudatio besonders die Zielstrebigkeit des Schleifer Künstlers hervor. "Viele mögen ihn noch von früher kennen, er war still und besonnen, nachdenklich. Wenn er in seinem Kunst schaffenden Element war, dann vergaß er alles um sich herum", sagte sie. Die Kunst sei für Ruhland mehr als ein Steckenpferd gewesen. Er probierte sich in vielen Gestaltungsformen aus, legte sich nicht fest. Er schnitzte, goss und formte Plastiken, malte, zeichnete, schnitt Holz- und Linolbilder. "Betrachtet man Ruhlands Kunst, dann erkennt man Heimat, Realitätssinn, Sess- und Gewissenhaftigkeit", sagte Kaulfürst. Sie freute sich besonders über den Besuch des sorbischen Malers Jan Buk aus Bautzen, der gute Kontakte zu Walter Ruhland gepflegt und ihn ein großes Stück seines künstlerischen Weges begleitet hatte. Auch Sohn Gunther Ruhland und Ehefrau Karin waren bei der Eröffnung anwesend: "Ich freue mich sehr, dass es zum 100. Geburtstag gelungen ist, die künstlerischen Arbeiten einmal zu zeigen", so Karin Ruhland. "Die Organisatoren haben sich wirklich sehr viel Mühe gegeben. Mehr hätte ich mich noch gefreut, wenn die Idee einer Ausstellung schon einige Jahre eher entstanden wäre. Doch ich bedanke mich für diese nette Eröffnungsfeier."
Die Ausstellung mit Werken von Walter Ruhlands ist die erste der Reihe "Schleife – das sorbische Worpswede", die der Verein "Kólesko" initiierte. Es werden weitere Ausstellungen folgen.
Martina Arlt/mat1
Die Bilder wiederspiegeln die Seele der Schleifer Region
Serbske Nowiny13. November 2013
Der Schleifer Verein Kólesko macht wieder mit einer Besonderheit von sich reden: Er gab einen Wandkalender mit Bildern von William Edmund Krause aus der Schleifer Region heraus.
Wand- und Abreißkalender für 2014 gibt es in den Geschäften jede Menge. Trotz dieses Riesenangebots fallen aber ab und zu auch einige besondere Ausgaben auf. Zu diesen gehört der Wandkalender 2014 “Schleife – Das sorbische Worpswede” mit zwölf farbigen Bildern des am 18. November 1875 in Dresden geborenen und dort am 30. Juni 1925 auch verstorbenen Malers William Edmund Krause. Er war ein Vertreter der so genannten Brauchtumsmalerei. Den bemerkenswerten Kalender hat der im Dezember 2011 gegründete Schleifer Verein Kólesko mit seinen 13 Mitgliedern herausgebracht, der sich die Pflege sorbischer Bräuche, Volkslieder und des Schleifer Dialekts auf die Fahne geschrieben hat. All das sind bemerkenswerte Aktivitäten! Außer der Singegruppe und dem inzwischen veröffentlichten Schleifer Liederbuch debütiert der Verein nun mit diesem Wandkalender. Zusammengestellt und bearbeitet hat ihn Hartmut Hantscho, einer der Mitgründer des Vereins. Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst haben die Ausgabe lektorisiert.
Auf der Rückseite des Titelblattes mit dem Motiv “Der Hochzeitsgast”, welches noch einmal auf dem Blatt für den Monat Juli zu finden ist, ist ein umfangreicher deutschsprachiger Text zum Leben und künstlerischen Werk von William Krause von Dr. Maria Mirtschin abgedruckt. Der Leser erfährt, dass sich der Dresdener Künstler seit 1902 fast jedes Jahr beim
Schleifer Pfarrer Matej Handrik einquartiert hatte, um die verschiedensten Motive – die Schleifer Sorben bei der Arbeit und bei geselligen Anlässen – mit dem Pinsel darzustellen. Dr. Mirtschin erklärt auch, wie es zur Bezeichnung “Schleife – Das sorbisches Worpswede” kam. Die Kolonie Worpswede hatten im Jahre 1889 Künstler in Niedersachsen gegründet. In der dortigen Natur, der Bauernidylle samt den Besonderheiten dieses Landstrichs, wie den Sümpfen, fanden die Künstler interessante Motive für ihre Bilder. Viele Künstler ließen sich – ähnlich wie die Maler in Worpswede – auch von der Idylle der Schleifer Region inspirieren. Und daher bezeichnete der Kulturhistoriker Ota Wićaz Schleife eben als “sorbisches
Worpswede”.
Der Kalender 2014 mit den Bildern Krauses eröffnet eine Serie weiterer Ausgaben, wobei immer ein anderer Maler in den Mittelpunkt gestellt werden soll, der in der Vergangenheit in der Schleifer Region künstlerisch tätig war. Zu den markantesten Künstlern, die die sorbische Seele dieses Landstrichs überzeugend in ihren Bildern darstellten, gehört William Edmund Krause. Deshalb hat sich der Verein Kólesko für ihn als ersten Künstler in dieser Serie entschieden.
Leider erscheint der Text auf der Titel- und auf der Rückseite des Kalenders nur auf Deutsch. Die Monatsblätter sind dagegen zweisprachig beschriftet – Deutsch und Schleiferisch, was besonders reizvoll ist. Zu den Bildern und dem zweisprachigen Kalender ist für jeden Monat auch ein passendes Sprichwort in Deutsch und Schleiferisch zu finden. Auf dem Januarblatt steht beispielsweise: “Mädchen in Schleifer Tracht vor dem Gasthof Eschenbach / Wenn im Januar Gras wächst, wird es zu Johanni licht und niedrig sein”. Die wunderbaren Bilder über die Arbeit und das Leben der Schleifer Sorben in vergangenen Zeiten machen den Kalender zu einem Schmuckstück. Für die viele Mühe sei dem Verein Kólesko gedankt, weil es mit dieser Ausgabe auch die sorbische Kultur in die Öffentlichkeit bringt.
Alphons Lehmann
Schleife zeigt erste William-Krause-Ausstellung
Lausitzer Rundschau05. Oktober 2012
Schlangenkronen-Wirt bietet einheimischen Künstlern Präsentationsmöglichkeiten im Weinzimmer an
SCHLEIFE Um einen Ausstellungsraum reicher ist jetzt die Gemeinde Schleife. Es ist das Weinzimmer in der Gaststätte "Zur Schlangenkrone" im Sorbischen Kulturzentrum. Elvira Rathner und Juliana Kaulfürst vom Verein Kólesko bereicherten die Ausstellungseröffnung mit sorbischen Liedern. Hier werden seit dem gestrigen Donnerstag Original-Gemälde des deutschen Malers William Krause aus Dresden gezeigt. Dieser hatte eine besondere Beziehung zu Schleife, denn er lebte hier von 1902 bis 1912. Seine Gemälde berichten vom Leben der Sorben. Die Sammelleidenschaft packte die Schleifer vor mehr als 15 Jahren. Besser gesagt war es der damalige Bürgermeister Helmut Hantscho. Schon als Kind faszinierten ihn Postkarten seines Vaters, der Laienmaler war. Die Karten zeigten Motive von William Krause und spielten in Schleife. "Meine Oma hat gesagt, mein Vater kann so gut malen, weil ihm Krause über den Kopf gestreichelt hat", gab Hantscho bei der Vernissage am Donnerstag zum Besten.
Jahrzehnte später habe er von einem ehemaligen Schleifer Schulfreund, der in den Westen gegangen war – Hartmut Völkerling – den Hinweis auf einen echten Krause erhalten. Es handelte sich um das Bild "Am Dorfteich". Als Hantscho den Gemeinderat um grünes Licht bat, staunten die Räte nicht schlecht, erinnerte sich der jetzige Bürgermeister Reinhard Bork. Die Gemeinde als Kunstsammler? Doch Hantschos Begeisterung war ansteckend. Und so wurde die Gemeinde Eigentümerin eines echten Krauses. Das Gemälde schmückt heute das Hochzeitszimmer im Sorbischen Kulturzentrum. Inzwischen sind vier weitere dazugekommen. Schleife ist an weiteren Kunstwerken des Dresdners interessiert. "William Krause gehört als Persönlichkeit zur Geschichte unseres Dorfes und Kirchspiels", unterstrich Bork.
In Hartmut Hantscho, dem Sohn des Schleifer Alt-Bürgermeisters, hat die Gemeinde einen Gleichgesinnten an der Seite. Er sei stets auf der Suche nach Werken von Krause, die vom Leben der Sorben in Schleife berichten. Zur Ausstellung steuerte Hantscho zwei Leihgaben hinzu – "Mädchen in Schleifer Tracht vor Gasthof Eschenbach" und "Zum Markt". Kennern der Kunstszene wird jedoch beim Betrachten der Gemälde auffallen, dass eins der Werke nicht von William Krause stammt, sondern von Friedrich Krause-Osten, einem Maler aus Bautzen. Bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag werden die Kunstwerke ausgestellt. Detlef Rölke, der vor zehn Jahren als Gastwirt die "Schlangenkrone" führt, lädt einheimische Künstler herzlich ein, hier im Weinzimmer auszustellen.
Gabriela Nitsche
CD Soll Schleifer Lieder bewahren
Lausitzer Rundschau02. Juli 2018
Der Verein Kólesko präsentiert neues Werk mit 26 sorbischen Stücken.
ROHNE „Schleife ist ein schönes Dorf“ lautet der Titel der brandneuen CD des Vereins Kólesko aus dem namensgebenden Dorf. Sie enthält 20 Volks- und fünf Kirchenlieder sowie einen Choral im Schleifer Sorbisch. Kólesko hatte in den vergangenen Jahren weitere Werke publiziert, beispielsweise das Sorbische Liederbuch (2013) sowie erst Anfang Mai 2018 das Schleifer Sagenbuch. Der Vereinsname bedeutet auf Deutsch so viel wie „Rädchen“ beziehungsweise „Spinnrad“.
Kólesko gibt es seit dem Jahr 2011. Die 20 Mitglieder befassen sich mit dem Erhalt des sorbischen Kulturgutes im Schleifschen Kirchspiel. „Wir wollen mit unserer CD den heimatlichen Liederschatz bewahren“, bringt Vereinsvorsitzender Hartmut Hantscho das Anliegen auf den Punkt. Mitinitiator Dieter Reddo ergänzt: „Außer uns kennt ja kaum noch jemand diese Werke. Sie würden sonst unwiederbringlich verloren gehen.“ Reddo sammelt seit vielen Jahren die Lieder des Schleifer Kirchspiels, das sieben Dörfer in der Ober- und einen Ort in der Niederlausitz umfasst. „Mein Lieblingslied“, sagt der Klein-Trebendorfer, „heißt auf Deutsch so viel wie `Es ging ein Mädchen Gras sicheln`. Das hat meine Oma in allen möglichen Varianten gesungen“, erinnert sich der heute 77-Jährige. Darüber hinaus haben die CD-Protagonisten ein altes polnisches Volkslied komplett umgedichtet. Dieses handelt ebenfalls von einem Mädchen. Dieses schneidet allerdings kein Gras, sondern begibt sich in eine Kiefernschonung. „Uns hat die Melodie inspiriert“, begründet Dieter Reddo.
Bereits Ende 2013 starteten die ersten Arbeiten am CD-Projekt. So gut wie alle Stücke wurden dem ebenfalls vom Kólesko-Verein herausgegebenen Schleifer Liederbuch entnommen. Die Einstudierung der Titel erfolgte im Weskower Tonstudio des in der Region bekannten Musikers und Pädagogen Gerald Schön. Das Cover der CD gestaltete der in Rohne lebende Maler Jörg Tausch. Gezeigt werden mehrere typische sorbische Instrumente in einer Heidelandschaft. Im Hintergrund ist das Schleifer Gotteshaus als spiritueller Mittelpunkt des Kirchspiels zu sehen.
Für Manfred Hermasch vom sorbischen Dachverband Domowina bedeutet die Kólesko - CD ein „Hilfsmittel zum Erlernen und Bewahren der Schleifer Volkslieder“. Schließlich besitze das Schleifer Sorbisch, das sowohl Elemente aus dem Nieder- als auch aus dem Obersorbischen enthält, eine identifikationsstiftende Wirkung zwischen den Dörfern des Schleifer Kirchspiels. Bis heute, so sagt Hermasch, rätselten Wissenschaftler, warum sich ausgerechnet in der landschaftlich kargen und dünnbesiedelten Region der Muskauer Heide ein solch umfangreicher Liederschatz über Jahrhunderte am Leben halten konnte. „Aber wir Sorben sind halt ein sangesfreudiges Volk“, sagt der Rohner.
In früherer Zeit hatte die jeweilige Kantorki, die Vorsingerin, die Lieder an die nächste Generation weitergegeben.
Einen Bruch gab es allerdings während der DDR-Zeit. Damals wurden viele Texte aus politischen Gründen verändert und Liedstrophen reduziert. „Das hatte mit dem ursprünglichen Charakter dieser Werke kaum mehr etwas gemein“, resümiert Manfred Hermasch. Erst nach der Wende konnten die Lieder wieder ganz authentisch gesungen werden. Bis heute erzählen sie vom schweren Leben der Heidebauern, von der Liebe, den Sagengestalten und der tiefen Zuneigung der sorbischen Landbevölkerung zu ihrer heimatlichen Scholle.
Die insgesamt 500 Kólesko-CD`s sind für zwölf Euro pro Stück auf dem Rohner Njepila-Hof, im Sorbischen Kulturzentrum Schleife, in der Cottbuser Lodka sowie in der Smolerischen Verlagsbuchhandlung in Bautzen zu haben.
Torsten Richter-Zippack
Schleifer Sorbisch erklingt Osternacht in den Dörfern
Lausitzer Rundschau22. April 2014
Vier Schleifer Kantorki und drei Frauen des Vereins "Kólesko" haben in der Osternacht die Botschaft von der Auferstehung des Herrn singend verkündet. Erstmals wurde der Brauch in Schleifer Sorbisch präsentiert.
Angestrengt schaut Gertrud Hermasch auf ihre Uhr. Es ist eine Minute vor Mitternacht. Wenige Augenblicke später beginnen die Glocken der Schleifer Kirche zu läuten. Sie verkünden das Ende der Passions- und den Beginn der Osterzeit. Das ist das Signal für die Chef-Kantorka. "Christ ist auferstanden", heißt es auf Sorbisch. Dann beginnen Gertrud Hermasch und sechs weitere Frauen vor dem Fenster der Schleifer Familie Lehnigk mit dem Gesang.
Die durchweg in der westslawischen Sprache vorgetragenen Choräle handeln vom Wunder dieser Osternacht. Unter dem Schein von Taschenlampen und Kerzen tragen sie die Frauen in ihrer Halbtrauertracht aus ihren Gesangbüchern vor. "Zum ersten Mal singen wir die Verse im Schleifer Sorbisch", erklärt Gertrud Hermasch. Bislang seien die Choräle auf Obersorbisch vorgetragen worden. Doch im Schleifer Kirchspiel ist bereits der Einfluss der Niederlausitz und damit des Niedersorbisch/Wendischen deutlich spürbar. Daraus resultiert der Schleifer Dialekt. "Wir haben die Texte ins Schleifer Sorbisch umgeschrieben", sagt Gesangsexperte Gerald Schön vom Verein "Kólesko". Und weiter: "So verstehen es die Leute besser."
Das weiß Korla Lehnigk, den die Ostersingerinnen als ersten besuchen, zu würdigen: "Einfach wunderschön." Gemeinsam mit seiner Frau steht der bekennende Sorbe, der im ersten Haus an der Neustädter Straße wohnt, kurz nach Mitternacht am Fenster und lauscht den fröhlichen Chorälen. Genauer gesagt: Das Paar singt teilweise mit. "Von Beginn an besuchen uns die Kantorki Jahr für Jahr in der Osternacht", erzählt der Senior. Das heißt, seit Anfang der 1990er-Jahre. Laut Lehnigk wurde aber auch früher bereits gesungen. "Und zwar in allen Dörfern der Umgebung. Das war so bis zur NS-Zeit."
Nach einer Viertelstunde, oder anders gesagt nach drei Chorälen mit jeweils drei Strophen, verabschieden sich die Singerinnen. Sie müssen weiter, denn 17 Familien in Schleife, Rohne, Groß Düben und Trebendorf warten auf sie. "Manchmal", so berichtet Gertrud Hermasch aus Erfahrung, "können sich die Leute nicht wachhalten. Dann ziehen wir weiter. Das kommt aber nur selten vor." Stattdessen würden die Kantorki zumeist voller Freude erwartet.
In diesem Jahr zählen vier Kantorki zum Kreis der Ostersingerinnen. "Verstärkung" bilden drei jüngere Frauen des Schleifer Traditions- und Brauchtumsvereins "Kólesko". Quasi eine "Co-Produktion", wie Gerald Schön schmunzelnd anmerkt. Der Künstler habe die ursprünglich obersorbischen Choräle in den Schleifer Dialekt übertragen.
Etwa eine Stunde vor Mitternacht hatten sich die Frauen bereits in der alten Rohner Schule zur Generalprobe getroffen. Die einzelnen Verse wurden dabei lediglich angesungen. Manchmal mischten sich ungewöhnliche Töne dazwischen. Meinten zumindest die Kantorki. "Das war bestimmt nicht richtig", glaubt Marie Hentschel aus Trebendorf. "Nein, nein, völlig korrekt. So war es richtig", entgegnet ihr Gerald Schön. Marie Hentschel ist mit ihren 82 Jahren die älteste noch aktive Kantorka. "Ich habe als junges Mädel bereits vor dem Krieg in der Osternacht gesungen", berichtet die sorbische Muttersprachlerin. Das typische rollende R in ihrer Stimme verleiht der Tierpflegerin im Ruhestand eine wunderbare Heimeligkeit. Musikunterricht habe sie indes nie genommen. "Alles selbst beigebracht", sagt Marie Hentschel.
Bis zum Morgengrauen ziehen die sieben Frauen singend durch die Dörfer. "Klar, dass uns irgendwann die Müdigkeit übermannt", weiß Gertrud Hermasch. Dagegen würden Kaffee und Tee helfen. Und natürlich der von Herzen kommende Dank der Besuchten. Auf den Rohner Singebänken im Njepila-Hof sowie mit einer Morgenandacht in der Kapelle des sorbischen Heidedorfes ende das österliche Singen. Auch im kommenden Jahr wollen die Kantorki wieder zu nächtlicher Zeit die Auferstehung verkünden. Allerdings plagen sie Nachwuchssorgen. Von einstmals 30 Frauen seien lediglich sieben übriggeblieben, nur vier konnten dieses Jahr mitsingen. Im Jahr 2013 musste das Ostersingen wegen des Schnees und aufgrund von Krankheit gänzlich ausfallen. "Es bleibt zu hoffen, dass uns dies nicht nochmal passiert", wünscht sich Gertrud Hermasch.
Torsten Richter / trt1