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Bis in die Nacht gesungen und musiziert
Lausitzer Rundschau06. März 2013
Rohne. Als absolut gelungen hat Hartmut Hantscho die Vorstellung des Schleifer Liederbuchs am Sonnabend auf dem Njepila-Hof in Rohne bezeichnet. Dazu hatten sich die Autoren – Hartmut Hantscho, Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst – interessierte Gäste eingeladen.
Mit 70 Leuten waren in der guten Stube des Hofes sämtliche Plätze restlos belegt. Die Laudatio hielt Dr. Fabian Kaulfürst vom Sorbischen Institut, berichtet Hantscho. Das musikalische Rahmenprogramm wurde durch den Verein kólesko gestaltet. Das Schleifer Liederbuch wurde begeistert aufgenommen. Bis spät in die Nacht sei in gemütlicher Runde gemeinsam Lieder aus dem neuen Liederbuch gesungen worden. Fabian Kaulfürst hatte die Begleitung auf dem Akkordeon übernommen. "Im Zusammenhang mit dem Liederbuch sind weitere Singeabende geplant", kündigt Hartmut Hantscho an.
Bereits am Sonnabend berichtete die RUNDSCHAU ausführlich über die Entstehungsgeschichte des 260 Seiten starken Buches. Durch einen Versehen wurde einem Zitat in dem Text der falsche Autor zugeordnet. Dafür entschuldigen wir uns. Richtig muss es im zweiten Absatz heißen: Als Zwölfjähriger schrieb er das erste Lied auf. Sein Beruf als Fleischer war für seine Vorliebe von Vorteil. "So kam es, dass ich in der Winterzeit in vielen Wirtschaften und Gehöften des Kirchspiels Schleife unterwegs war." Damals lebten in allen Gehöften viele Frauen, die die Tracht trugen, und alle sprachen das Schleifer Wendisch. Wenn sich die Gelegenheit ergab, fragte er sie nach alten sorbischen Volksliedern. Die alten Frauen fühlten sich geehrt, weil gerade ein junger Mann so etwas wissen wollte. "Bereitwillig sangen sie mir viele Lieder vor", erklärt Dieter Reddo, und ergänzt: "Ich habe Bleistift und Zettel genommen, mir die abgehorchten Strophen aufgeschrieben und die Melodien im Kopf bewahrt."
Das Buch mit 160 Liedern aus der Schleifer Region ist erhältlich in der Smolerschen Buchhandlung Bautzen, SKC Schleife, Njepila Hof Rohne und Lotka Cottbus. Die Schutzgebühr für das Schleifer Liederbuch beträgt 20 Euro.
G. Nitsche
Mit Gesang in den Ostertag
Tag des Herrn - Katholische Wochenzeitung17. April 2019
Die Sorben sind bekannt für ihr reiches Brauchtum, besonders zu Ostern. Im evangelischen Kirchspiel Schleife pflegen Frauen und junge Mädchen wieder den Brauch des Ostersingens.
Fünf Uhr am Ostermorgen kurz vor Sonnenaufgang: An der Kirche in Schleife versammeln sich Frauen und Mädchen in traditioneller sorbischer Tracht, wie sie hier im Ort üblich ist. Sie nehmen auf den Singebänken nahe der Kirche Platz und verkünden mit Liedern die frohe Botschaft der Auferstehung Jesu Christi: „Na prěnim dnju po soboće“ (Am ersten Tag nach Sonnabend) – wie einer der Auferstehungschoräle heißt.
Die Tracht muss genau stimmen
Seit 2014 pflegt der Verein Kólesko (Spinnrad), wieder die Tradition des Ostersingens. Vereinsmitglied Elvira Rathner: Die Sängerinnen tragen die typische Halbtrauertracht wie sie im Schleifer Kirchspiel üblich ist. „Die Tracht muss genau stimmen: ein grüner Rock, weiße Schürze, dicke schwarze Jacke, grüne Haube, weiße Kinnschleife, die Lapa (schwarzes Wolltuch) und ein schwarzes Stirnband als Zeichen der Trauer.“
„Wann der Brauch entstand, ist nicht nachweisbar“, sagt Kólesko-Vorsitzender Hartmut Hantscho. „Tatsache ist: Das Singen stammt aus der Zeit der Flurbegehung. Es ging um das Abschreiten und Abstecken der Felder. Die erste nachweislich niedergeschriebene Grenzfestlegung der Flure bei uns im Kirchspiel geschah im Jahr 1864 im Zuge der Regulierung der gutsherrlichen, bäuerlichen Verhältnisse zwischen dem Besitzer der Standesherrschaft Muskau und den bäuerlichen Wirten zu Schleife.“ Das Singen, so betont Hantscho, gehörte damals nicht nur zu Ostern, sondern prägte das gesamte Kirchenjahr.
Zu vielen Anlässen sangen die jungen Mädchen – von der Fastenzeit bis zu den herbstlichen Abenden in den Spinnstuben“, sagt Elvira Rathner. Gesungen wurde auch zu Hochzeiten, bei Trauerfällen und bei der Feldarbeit. Über die Tradition des Ostersingens schrieb um 1900 Mathäus Handrik (Pfarrer in Schleife von 1892 bis 1934): Mit 18 Jahren traten die jungen Frauen in die Singegemeinschaft des jeweiligen Ortes ein, mit 28 Jahren schieden sie wieder aus. Wer „unehrenhaft“ war (zum Beispiel ein uneheliches Kind hatte), durfte nicht mitsingen. In jedem Ort des Kirchspiels war der Brauch des Ostersingens fest verwurzelt. Dabei gab es genaue Vorgaben für die Lieder. Von Mitternacht an bis in den frühen Morgen hinein sangen die Frauen vor den Häusern. An den Singebänken bei der jeweiligen Kirche hielten sie zum Abschluss inne. Dort endete traditionell das Ostersingen.
Hartmut Hantscho: „Allein in Schleife gab es – bedingt durch die Größe des Ortes – zwei kleine und zwei große Gruppen. Stets führte eine Kantorka (Vorsängerin) die jeweilige Gruppe an. Kantorka wurde jene Frau, die am besten singen und anstimmen konnte und die Liedtexte sicher beherrschte.“ Bis 1956 – mit Unterbrechung in den Kriegs- und Nachkriegsjahren – lebte der Brauch des Ostersingens in Schleife. Stets freuten sich die Einwohner darauf. „In jenen Häusern, wo sich ein ,freudiges Ereignis‘ ankündigte, wurde etwas mehr gesungen. In jenen Häusern, wo es Trauerfälle gab, wurde auf das Halleluja verzichtet.“
1993 wurde der Brauch auf Initiative von Lenka Noack in zum Kirchspiel Schleife gehörenden Rohne wieder belebt. Sie gründete die Gesangsgruppe „Schleifer Kantorki“. Kurz nach dem letzten Läuten der Kirchenglocken zogen die Sängerinnen los von Haus zu Haus. Früh am Morgen endeten sie in Rohne an den Singebänken. Es folgte die Auferstehungsfeier in der Friedhofskapelle.
Als Kind am Fenster gelauscht
„Das Ostersingen ist gelebtes evangelisches Brauchtum“, sagt Gertrud Hermasch aus Rohne, Mitgründerin der „Schleifer Kantorki“ und bis heute beim Ostersingen aktiv. Sie kennt den Brauch seit ihrer Kindheit. Mit fünf Jahren lauschte sie als Mädchen am Fenster den Sängerinnen. Das prägte sich tief ein.2013 musste das Ostersingen krankheits- und kältebedingt ausfallen. 2014 gab es nur noch vier Kantorki. Unterstützung kam vom Verein Kólesko. 2015 beteiligten sich auch erstmals vier Konfirmandinnen. Pfarrerin Jadwiga Malinkowa stellte den Kontakt zu den Jugendlichen her. Um das Ostersingen für die jungen Sängerinnen attraktiver zu machen, kam es nach einer Pause im Jahr 2016 zu einem Neuanfang mit geändertem Konzept. Elvira Rathner: Am Ostermorgen um 5 Uhr treffen sich die Sängerinnen an der Schleifer Kirche. Dort singen sie eine Stunde lang ihre Osterlieder. Im Anschluss findet in Rohne auf dem Friedhof die Auferstehungsfeier statt. „Wir haben zwar die Form des Brauches verändert, der Kern aber bleibt gewahrt“, sagt Elvira Rathner. „Wir verkünden die Auferstehungsbotschaft.“ Sie wünscht sich, dass die Erwachsenen zusammen mit den Vorkonfirmandinnen den Brauch Jahr für Jahr weiterpflegen.
In diesem Jahr will der Verein Kólesko in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchgemeinde Schleife ein Gesangbuch mit Kirchenliedern herausgeben. Enthalten soll es rund 50 Lieder, darunter auch 15 Oster- und Passionslieder, die die Frauen am Ostermorgen an der Schleifer Kirche singen können.
Pfarrerin Jadiwga Malinkowa unterstützt das Anliegen: „Wenn ich ganz früh am Morgen, wenn es noch dunkel ist, die Stimmen der Ostersängerinnen höre, dann beginnt für mich Ostern. Der ganze folgende Ostertag ist dann sehr gefüllt mit Gottesdiensten und vielen Begegnungen. Doch der Moment am Ostermorgen mit den Ostersängerinnen ist für mich die schönste Verkündigung der Osterbotschaft: feierlich und berührend.“ Dass die Jugend diese Tradition aufnimmt und weiterpflegt, freut sie dabei besonders.
Von Andreas Kirschke
25 Jahre Stiftung für das sorbische Volk
ONLINE - Minderheitensekretariat 24.Oktober 2016
Mit einer Festveranstaltung im Stadthaus Cottbus beging die Stiftung für das sorbische Volk letzte Woche Samstag, 22.10.2016, ihr 25-jähriges Gründungsjubiläum. Unter den Ehrengästen waren der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk, MdB als Vertreter der Bundesregierung, der Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Uwe Gaul und die Staatssekretärin des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg Dr. Ulrike Gutheil. Gutheil ist neue Beauftragte für Angelegenheiten der Sorben/Wenden des Landes Brandenburg. Darüber hinaus nahmen zahlreiche Regionalvertreter der Lausitz, Mitglieder des Bundestages und der beiden Landtage aus Sachsen und Brandenburg teil, wie auch zahlreiche Vertreter sorbischer Vereine und Institutionen.
Mit einem bunten kulturellen Programm wurde der Festakt begangen. Die Festansprache hielt der stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates und Bautzener Landrat Michael Harig. Vom Kammerstreichorchester des Sorbischen National-Ensembles bis zu den drei Kulturgruppen – des Niedersorbischen Kinder- und Jugendensemble, der sorbischen Volkstanzgruppe Schmerlitz aus der Oberlausitz sowie der Gesangsgruppe Kólesko aus Schleife/Mittellausitz waren alle Regionen der Lausitz vertreten und boten die kulturelle Vielfalt der Sorben/Wenden dar.
In seinem Grußwort erklärte Bundesbeauftragter Koschyk, dass das Bemühen um den Erhalt und die Pflege der sorbischen Sprache und Kultur sich aus seiner Sicht nicht im Bewahren des Bestehenden, von Brauchtum und Traditionen erschöpfen dürfe. „Um die sorbische Sprache und Kultur für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zukunftsfest zu machen, sind weitere Anstrengungen erforderlich. Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen und eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Stiftung sind aus meiner Sicht hierfür unabdingbar. Nach meiner Wahrnehmung hat die Stiftung bereits begonnen, hier die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen“, so Bundesbeauftragter Koschyk.
Minderheitensekretariat der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands
Der Pinsel ist ihm ein liebgewordener Begleiter
Předźenak, Samstagsbeilage der sorbischen Tageszeitung Nowa Doba03.09.1966
Walther Ruhland, Mitglied des Trebendorfer Zirkels sorbischer Laienmaler
Über fünfzig ist er schon, von Beruf Friseur, und mit Enthusiasmus ist er, wenn die Dämmerung anbricht und der Arbeitstag beendet ist, Künstler. Er ist, wie gesagt, kein Berufskünstler. Er ist Friseurmeister in Schleife und heißt Walter Ruhland.
„Es ist nicht leicht, gut zu malen. Man braucht die Fähigkeiten und dazu, nun, um es so zu sagen, eine gewisse innere Explosion, die zur rechten Zeit die Fähigkeiten an die Oberfläche schleudert“, sagt er.
Mit der Explosion meint er den Ausbruch von Begeisterung. „Mir ist nicht immer nach Malen“, erzählt er, „aber ich weiß, dass man in der Kunst, auch in der Volkskunst, nicht ohne Fleiß, ohne Disziplin auskommt. Und deshalb freue ich mich, dass wir uns in Trebendorf in einen Zirkel zusammengefunden haben. Wir lernen zusammen. Das macht sich besser.“
Über Walter Ruhland wie über einen volkstümlich bildenden Künstler zu schreiben, ist eigentlich nur so eine Vereinfachung. Schließlich ist er Maler, Grafiker und Bildhauer; er ist vielseitig und dem zugetan, was die Welt um ihn herum ist: Dorfszenerien, sorbische Trachten, Leute aus Schleife, Kohlegruben usw. bildet er ab.
„Wir sind noch längst nicht dort, wohin wir wollen“, behauptet er vom Trebendorfer Künstlerzirkel. Aber sei es denn auch so, wir wissen, was wir wollen.“ Er lobt den sorbischen Künstler Jan Buk, der dem Trebendorfer Kreis getreu Pate steht – auch im Zusammenhang mit der Beharrlichkeit im künstlerischen Schaffen.
„Mir scheint, wir brauchen auch in der sorbischen Volkskunst beständige Arbeit. Wir Trebendorfer haben uns zum Beispiel auch an der Ausstellung anlässlich des Festivals der Sorbischen Kultur beteiligt und dabei gesehen, dass Vieles an der Ausstellung noch zu sehr ein Kind des Zufalls ist.“
So fasst er kritisch seinen Eindruck von der Laienkunst-Ausstellung zusammen – und in seinem künstlerischen Alltag geht er weiter seinen Weg, der zu besseren Fertigkeiten und zu größerer Begeisterung führt. Damit gebührt ihm Ehre, denn er geht nicht den Weg eines Einzelgängers.
S.K.
Trebendorfer singen mit der Gruppe "Kólesko" im Schuster-Haus
Lausitzer Rundschau24. März 2014
Trebendorf. So richtig gemütlich war es am Samstag zum musikalischen Nachmittag im Schuster-Haus in Trebendorf. Der Ofen wurde angefeuert, denn das Wetter zeigte sich an diesem Tag nicht mehr von der warmen Seite wie noch vergangene Woche.
Mehr als 40 Besucher aus den umliegenden Dörfern Mühlrose, Halbendorf, Rohne und natürlich aus Trebendorf hatten sich in dem Schuster-Haus eingefunden.
Zur Umrahmung des Nachmittags hatten sich die Organisatoren um Angelika Balzke als Vorsitzende der Domowina-Ortsgruppe die Singegruppe "kólesko" eingeladen. "Heute sind wir neun Mitwirkende. Für diese Gruppe hat sich Helmut Hantscho den Hut aufgesetzt. Es werden Lieder aus dem Schleifer Liederbuch gesungen. Gern können die Volkslieder auch mitgesungen werden", wandte sich Gerald Schön an das Publikum.
Durch das Programm führten an diesem Nachmittag Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst in deutscher und sorbischer Sprache. Lieder wie "Dort hinter unseren Gärten", "Brüderchen, sag mir doch" oder "Komm du heute Abend zu mir" brachte die Gruppe den Gästen im Rahmen der musikalischen Darbietung zu Gehör. Gern stimmten die Besucher bei den alten Liedern aus der sorbischen Heimat mit ein.
Zu den fleißigen Helfern gehörten neben Angelika Balzke und Kathleen Reichert auch Ute Zeisig und Anna Lysk. "Dieser Singenachmittag soll bei uns in Trebendorf einmal eine Tradition werden. Die Gäste kommen gern zu uns, sie lieben die Gemütlichkeit, und darüber sind wir sehr froh", so Kathleen Reichert von der Domowina-Ortsgruppe. Angelika Balzke und Anna Lysk sorgten für leckeren Blechkuchen, der allen gut schmeckte.
Zu den nächsten kulturellen Höhepunkten der Trebendorfer Domowina-Ortsgruppe mit ihren 70 Mitgliedern gehören folgende Veranstaltungen: 26. April Frühlingskonzert mit dem Männerchor Bad Muskau in der Gaststätte "Kastanienhof"; 28. April Maibaum-Girlande wickeln auf dem Schuster-Hof; Ende April Kartoffeln stecken am Schuster-Hof; 25. Mai Musikalischer Sonntagvormittag auf dem Schuster-Hof.
Elf Jahre für Schleife gepowert
Lausitzer Rundschau12. Februar 2018
Schleife. Die Hantschos gehören zu Schleife wie die Sorben und die Struga. Mehrere von ihnen brachten es bis ins Bürgermeisteramt. Helmut Hantscho führte das Dorf vom Sozialismus in die Marktwirtschaft.
Was waren das für Jahre, damals direkt nach der Wende! Wenn Helmut Hantscho über diese Zeit des Aufbruchs spricht, beginnen seine Augen zu leuchten. Im Mai 1990 war der gebürtige Schleifer zum Bürgermeister gewählt worden. „Nach 40 Jahren war ich der Erste, der tatsächlich aus dem Dorf stammte“, erinnert sich der heute 79-Jährige nicht ohne Stolz.
„Damals saß das Geld lockerer als jetzt.“ Schließlich sei der Modernisierungsbedarf riesengroß gewesen. Beispielsweise in der Schule sowie in der Kindertagesstätte. Dort mussten zunächst die dringendsten Malerarbeiten erledigt werden. Darüber hinaus fädelte Hantscho zu Beginn der 1990er-Jahre den Bau von zwei Buswartehäuschen ein.
Das Jahr 1992 war für die deutsch-sorbische Gemeinde ein besonders gutes. „Damals wurden wir mithilfe des Weißwasseraner Landrates Erich Schulze als sächsisches Förderdorf ausgewählt. Außerdem gab es 3,5 Millionen Mark für die Erschließung des Gewerbestandortes Strugaaue“, berichtet Helmut Hantscho. Das Geld sei vom Dresdener Regierungspräsidium, dem Vorläufer der heutigen Landesdirektion, gekommen. „Klopfen Sie einfach an meine Tür“, habe der damalige Amtsleiter Hantscho geraten. So konnte die Finanzierung relativ zügig und unkompliziert vonstattengehen.
Darüber hinaus musste sich der Bürgermeister um seine 50 bis 60 ABM-Kräfte kümmern. „Arbeit gab es ja genug“, berichtet Helmut Hantscho, der seine wichtigsten Tätigkeiten als Gemeindeoberhaupt in einem handgeschriebenen Manuskript festhalten hat. Die tüchtigen Männer und Frauen hätten nicht nur das Ortsbild in Schuss gehalten, sondern ebenso im örtlichen Wald kräftig zugepackt.
Eines seiner größten Vorhaben sei die Errichtung des Sorbischen Kulturzentrums gewesen. „Wir standen vor der riesigen Aufgabe, den heruntergekommenen Gasthof Eschenburg zu sanieren, zu erweitern und ihm eine neue Nutzung zu geben. „Im Vorfeld gab es gar keine Vorstellung, wie das SKC mal aussehen sollte.“ Für insgesamt sechs Millionen Mark wandelte sich die Gastwirtschaft zum Kulturzentrum. Dieses Jahr jährt es sich zum 20. Mal, dass das SKC eingeweiht wurde. „Wir haben richtig gepowert“, kommentiert Hantscho.
Ein weiteres Mammutprojekt sei die ehemalige Munitionsfabrik, kurz Muna, gewesen. Nach dem Abzug der russischen Streifkräfte im Jahr 1993 wollte ein Berliner Investor dort Klärschlämme entsorgen. Diesem ziemlich windigen Ansinnen, wie es Helmut Hantscho formuliert, sei die Gemeinde zuvorgekommen. Stattdessen wandelte sich die Muna zum Wald. Heute ist von der früheren Nutzung so gut wie nichts mehr zu sehen.
Übrigens: Helmut Hantscho ist nicht der erste Bürgermeister in seiner Familie. Jan Hantscho-Hano (1846 – 1901) war bereits ab 1882 Gemeindevorsteher in Schleife. Helmut Hantschos Sohn Hartmut wollte Anfang der 2000er-Jahre Vater als Bürgermeister beerben. Bei der Wahl unterlag er jedoch mit lediglich 37 Stimmen Unterschied seinem Konkurrenten Hans Hascha. „Ich bin eigentlich ganz froh, dass es nicht geklappt hatte. Denn Bürgermeister ist schon ein ziemlich hartes Brot“, kommentiert Helmut Hantscho.
Der 79-Jährige lebt noch immer auf dem elterlichen Gehöft, das die Hantschos nachweislich bereits im Jahr 1797 bewohnten. Sorbisch wird allerdings kaum noch gesprochen. „Ich verstehe zwar die Sprache, aber im Alltag sprechen wir deutsch.“ Froh sei Hantscho, dass sich seine beiden Kinder für das Sorbische interessieren. Sie engagieren sich im „Kolesko“-Verein, der sich unter anderem Schleifer Traditionen auf die Fahnen geschrieben hat.
Helmut Hantscho hat Zeit seines Lebens in der Landwirtschaft gearbeitet. Sein Heimatdorf musste er fast nie für länger verlassen. „Nur zur Armeezeit und in den Jahren von 1973 bis 1975.“ Damals, so erzählt der Schleifer, war er wegen angeblicher „Schädigung des sozialistischen Eigentums“ zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Immerhin zwei Jahre musste Hantscho im Gefängnis Berlin-Rummelsburg absitzen.
Seit dem Jahr 1978 engagiert sich Helmut Hantscho für die Fortführung der Schleifer Ortschronik. Ab 1990 wurde er als Bürgermeister auch formell dafür zuständig. Den Höhepunkt bildete anno 1997 die Herausgabe der Schleifer Chronik. Auf diesem Werk baut auch die erst Ende Januar 2018 erschienene Chronik des Autors Gerhard Fugmann auf.
Zum jetzigen Bürgermeister Reinhard Bork pflegt Helmut Hantscho ein gutes Verhältnis. Einen Rat will er dem Amtsinhaber jedoch nicht geben. „Während meiner Zeit hatten wir ganz andere Bedingungen. Das lässt sich mit heute kaum vergleichen“, lautet die plausible Begründung.
Stattdessen fröhnt der 79-Jährige regelmäßigen Treffen mit früheren Arbeitskollegen, dem Kartenspiel sowie Haus, Hof und Garten. Und natürlich seiner historischen Landgerätesammlung. Denn die Hantschos waren nicht nur clevere Bürgermeister und Landwirte, sondern auch tüchtige Zimmerleute. Helmut Hantscho ist seit Ende 2017 stolzer Besitzer eines ganz besonderen hölzernen Gegenstandes. Der 79-Jährige wurde nämlich für sein Lebenswerk mit dem „Schleifer Ehrenpreis“ geehrt. Die entsprechende Skulptur schuf allerdings keiner der Hantschos, sondern der örtliche Holzkünstler Thomas Schwarz.
Torsten Richter-Zippack
Kólesko möchte mit CD Sprache verbreiten und Traditionen bewahren
Serbske Nowiny07. Juli 2018
Rohne (SN/JaW). Mit der neuen CD „Slěpe jena rjana wjeska – ludowe spiwy a kěrluše ze Slepjańskeje wósady“ möchte der Kólesko-Verein das „Erbe der Kantorkas in der Mittellausitz bewahren“, betonte das Vorstandsmitglied des Vereins Njepila-Hof Manfred Hermasch bei der Vorstellung des Tonträgers am vergangenen Sonnabend in Schleife. Die Scheibe ist das Ergebnis der fleißigen, akribischen Arbeit, die der Forscher Dieter Reddo aus Trebedorf und der Kólesko-Vorsitzende Hartmut Hantscho in den letzten fünf Jahren geleistet haben. „Die meisten Lieder stammen aus Halbendorf, Trebendorf, Rohne, Mulkwitz, Mühlrose und Neustadt. Wir haben alles, was nur möglich war, bewahrt“, sagte Dieter Reddo, der seit Ende der 1950-er Jahre über 200 Lieder gesammelt hatte. Als Hausschlachter war er oft zum Schweinschlachten in den Dörfern unterwegs gewesen, wo die „Kantorki freudvoll gesungen haben. Ich habe die Melodien und die Texte aufgeschrieben und sie gesammelt.“ Die aktuelle CD soll die Lieder bewahren, Lust zum Singen wecken und dazu anregen, das Schleifer Sorbisch anzuwenden. Der in einer Auflagenhöhe von 500 Exemplaren erschienene Tonträger umfasst 21 Volkslieder und fünf Choräle. „Das war uns besonders wichtig. Ohne die Kirche können wir die Volkskunst nicht retten“, legte Hartmut Hantscho dar. „Gerade die Choräle betrachte ich als einen besonderen Bestandteil des sprachlichen und kulturellen Erbes. Sie widerspiegeln die jahrhundertelange christliche Verbundenheit im Schleifer Kirchspiel, was das Fundament und die Quelle dafür ist, dass wir unsere Folklore und Gesangstradition weitergeben und fortsetzen.“
Die Musikgruppe des Kólesko-Vereins hat die Lieder, welche unter anderem Jan Chlebniček und Oksana Weingardt-Schön bearbeitet haben – unter der Leitung von Gerald Schön einstudiert und aufgenommen. Für das CD-Cover wurde ein Bild des Malers Jörg Tausch verwendet.
Lausitzer Sorben profitieren vom Kohleausstieg
Lausitzer Rundschau / moz.de11. Februar 2019
Cottbus (LR) Die Digitalisierung der beiden sorbischen Sprachen, ein sorbisches Kompetenzzentrum Wirtschaft und Strukturwandel, eine Schule für obersorbische Sprache und Kultur, die Verstärkung des Sorbischen Institutes sowie ein Infoportal Schleifer Sorbisch: Diese und weitere Projekte sind im Abschlussbericht der Kohlekommission festgehalten.
Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutet an, den Vorschlägen folgen zu wollen. Die sorbische Kultur soll damit vom Kohleausstieg profitieren.
Das Kirchspiel Schleife, das acht Dörfer, sieben in Sachsen und eines in Brandenburg, umfasst, wird seit Jahrzehnten durch den Tagebau Nochten beeinflusst. Mehrere Ortsteile mussten seit den 1950er-Jahren der Kohle weichen. Jetzt steht die Umsiedlung der 200 Einwohner von Mühlrose bevor. Die „Sprachlandschaft Schleife“, ein Vorhaben des Sorbisches Institutes, will dem Aussterben des Schleifer Sorbisch entgegenwirken. Die Regionalvariante der sorbischen Sprache mit Elementen aus dem Ober- und dem Niedersorbischen verfügt nach Angaben von Institutsdirektor Dr. Hauke Bartels bislang nur über vereinzelte Dokumentationen. Außerdem beherrschen lediglich einige Dutzend, vorwiegend ältere Menschen, diese Sprachvariante. „Wir planen daher, am Beispiel des Schleifer Sorbisch einen Prototyp für eine digitale Informationsplattform zu sorbischen Sprachlandschaften zu erstellen, die als erster Schritt zu einer die gesamte Lausitz umfassenden Dokumentation des regional vielfältigen Sprachwissens dienen kann“; erklärt Bartels. Damit solle die Identitätsbildung gefördert werden. Außerdem handele es sich um die Grundlage einer interkulturell angelegten Heimatkunde sowie den Schutz und die Vitalität der sorbischen Bräuche und Feste, die seit fünf Jahren im Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes verzeichnet sind.
Hauke Bartels lobt die guten Vorarbeiten des Schleifer Vereins „Kolesko“. Dessen Protagonisten haben erst im vergangenen Jahr das Schleifer Sagenbuch sowie das Auftaktwerk zu einer Trilogie über die Schleifer Trachten veröffentlicht. „Dadurch ist das sächsische Kulturministerium auf uns aufmerksam geworden und hat angefragt, ob unterstützt werden kann“, sagt Vereinsvorsitzender Hartmut Hantscho. Das Vorhaben trägt im Abschlussbericht der Kohlekommission die Nummer 132. „Allerdings ist diese Liste unverbindlich“, gibt Hauke Bartels zu bedenken. Sorbisches Institut und Kultusministerium werden sich darum bemühen, das Projekt auch tatsächlich zu realisieren. „Eine endgültige Entscheidung hierzu ist noch nicht gefallen“, so Bartels weiter.
Der sächsische Bundestagsabgeordnete Marian Wendt (CDU) begrüßt die Ergebnisse der Kohlekommission für die Sorben/Wenden. Wendt ist Mitglied des beratenden Ausschusses für Fragen des sorbischen Volkes im Bundesinnenministerium. „Die zahlreichen Umsiedlungen des Braunkohlenabbaus belasten auch das Volk der Sorben/Wenden im Lausitzer Revier in ihrem Bestreben, ihre Sprache, Kultur und Identität zu erhalten. Daher ist es nur folgerichtig, jetzt auch Projekte zu fördern, die den Erhalt unterstützen.“ Seinen Angaben zufolge sollten auch der Aufbau einer Schule für obersorbische Sprache und Kultur für Erwachsene gefördert werden. Das Niederlausitzer Pendant in Cottbus besteht bereits seit 1992.
Auch die Domowina als Dachverband sorbischer Vereine zeigt sich mit den Vorschlägen der Kohlekommission zufrieden. „Das Ergebnis spricht für unseren Erfolg. Stellen Bund und Länder die richtigen Weichen, haben wir die Lösungen für eine lebenswerte Zukunft in einer mehrsprachigen Lausitz“, kommentiert Vorsitzender David Statnik.
Im Endbericht der Kohlekommission wird erwähnt, dass im Lausitzer Revier mehr als 25 000 Menschen umgesiedelt wurden, darunter zahlreiche Sorben. Das stark sorbisch geprägte Dorf Neu-Laubusch, gegründet um 1830, musste als erster Lausitzer Ort bereits 1924 dem Tagebau weichen. Alt-Laubusch folgte zwischen 1939 und 1942. Weitere weit über 100 Siedlungen folgten bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Dies belaste auch das Volk der Sorben und Wenden im Lausitzer Revier im Bestreben, Sprache, Kultur und Identität zu erhalten. Daher existiere für die Belange der Sorben/Wenden eine besondere Verantwortung.
Torsten Richter-Zippack
Schleifer Sorbisch erklingt in Berlin
Lausitzer Rundschau24. März 2015
Leser schreiben. Mitglieder des Vereins Kólesko haben an einem besonderen Gottesdienst in Berlin teilgenommen. Bischof Dr. Markus Dröge ordinierte kürzlich 22 Pfarrer und zwei Gemeindepädagoginnen in einem Festgottesdienst in der St. Marienkirche in Berlin-Mitte. Das ist die höchste Zahl an Pfarrern, die seit der Gründung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in den kirchlichen Dienst übernommen wurden.
Unter ihnen befand sich auch die Pfarrerin der Kirchgemeinde Schleife, Jadwiga Mahling. Mit der Ordination wurden den Theologen das Recht und die Pflicht zur öffentlichen Verkündigung des Wortes Gottes und zur Verwaltung der Sakramente erteilt. Sie dürfen eigenverantwortlich Gottesdienste leiten, das Abendmahl austeilen und das Taufsakrament spenden.
Die Vokalgruppe des Vereins kólesko, die den Festgottesdienst mitgestaltete, ließ Kirchenlieder sowie Volkslieder im Schleifer Sorbisch erklingen. Die Frauen des Vereins trugen dabei die traditionellen sorbischen Kirchgangs-Trachten aus dem Kirchspiel Schleife.
Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo erhalten Zejler-Preis für sorbische Sprache
Medienservice Sachsen21. September 2018
Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange würdigt kulturelles und identitätsstiftendes Engagement
Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange hat heute in der Klosterkirche und Sakralmuseum St. Annen in Kamenz den dritten Zejler-Preis für sorbische Sprache des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst verliehen. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis prämiert seit 2014 alle zwei Jahre herausragende oder beispielhafte Leistungen auf dem Gebiet des Erwerbs, des Gebrauchs sowie der Vermittlung der sorbischen Sprache. Preisträger 2018 sind Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo, die von einer siebenköpfigen Jury für ihren herausragenden Beitrag zur Wiederbelebung des Schleifer Sorbisch empfohlen wurden.
Dr. Eva-Maria Stange: „Den beiden Preisträgern gratuliere ich herzlich und danke für ihre unermüdliche und generationenübergreifende Arbeit an der Revitalisierung des Schleifer Sorbisch im Kirchspiel Schleife. Ich freue mich, dass mit dem Zejler-Preis der kulturelle, historische und identitätsstiftende Wert des Engagements von Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo offiziell gewürdigt wird. Der Zejler-Preis ist Teil des Maßnahmeplans der Staatsregierung zur Ermutigung und zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache und damit ein Beitrag zu der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, nationale und sprachliche Minderheiten in Europa zu schützen.“
Dieter Reddo hat mit seinem jahrzehntelangen Sammeln von Liedern, Sagen und Erzählungen sowie dem Initiieren und Leiten von Sprachkursen den Grundstock für eine Reihe von Veröffentlichungen gelegt. Seine Niederschriften öffnen einen Schatz an etwas 60 mündlich überlieferten Liedtexten. Die Slawistin Juliana Kaulfürst als Vertreterin der jüngeren Generation hat Dieter Reddo bei der Fertigstellung des Schleifer Liederbuchs „Daj mi jeno jajko, how maš hobej dwě – Slěpjański spiwnik“ unterstützt. Außerdem erarbeitete sie unter anderem das Buch „Erzählungen aus dem Grastuch – Schleifer Sorbisch in Wort und Schrift“ mit zwei CDs, arbeitete mit an der Herausgabe der Wortsammlung „Kak to jo było – 1000 Worte Schleifer Sorbisch“ sowie des zweisprachigen Schleifer Sagenbuchs „Slěpjańske ludowe powjesći“ mit 150 Sagen aus dem Kirchspiel Schleife und der Muskauer Heide, das 2018 von dem Verein Kólesko herausgegeben wurde.
In der Begründung der Jury heißt es in sorbischer Sprache: „Knjeni Julianje Kaulfürstowej a knjezej Dieterej Reddej spožči so myto za serbsku rěč Myto Zejlerja 2018 za jeju wusahowacy přinošk k wozrodźenju Slepjanskeje serbšćiny.“
Der Preis trägt den Namen des Dichters, Publizisten und Theologen Handrij Zejler (1804-1872), der als Begründer der modernen sorbischen Literatur gilt.