Aktuell/Termine
Kólesko möchte mit CD Sprache verbreiten und Traditionen bewahren
Serbske Nowiny07. Juli 2018
Rohne (SN/JaW). Mit der neuen CD „Slěpe jena rjana wjeska – ludowe spiwy a kěrluše ze Slepjańskeje wósady“ möchte der Kólesko-Verein das „Erbe der Kantorkas in der Mittellausitz bewahren“, betonte das Vorstandsmitglied des Vereins Njepila-Hof Manfred Hermasch bei der Vorstellung des Tonträgers am vergangenen Sonnabend in Schleife. Die Scheibe ist das Ergebnis der fleißigen, akribischen Arbeit, die der Forscher Dieter Reddo aus Trebedorf und der Kólesko-Vorsitzende Hartmut Hantscho in den letzten fünf Jahren geleistet haben. „Die meisten Lieder stammen aus Halbendorf, Trebendorf, Rohne, Mulkwitz, Mühlrose und Neustadt. Wir haben alles, was nur möglich war, bewahrt“, sagte Dieter Reddo, der seit Ende der 1950-er Jahre über 200 Lieder gesammelt hatte. Als Hausschlachter war er oft zum Schweinschlachten in den Dörfern unterwegs gewesen, wo die „Kantorki freudvoll gesungen haben. Ich habe die Melodien und die Texte aufgeschrieben und sie gesammelt.“ Die aktuelle CD soll die Lieder bewahren, Lust zum Singen wecken und dazu anregen, das Schleifer Sorbisch anzuwenden. Der in einer Auflagenhöhe von 500 Exemplaren erschienene Tonträger umfasst 21 Volkslieder und fünf Choräle. „Das war uns besonders wichtig. Ohne die Kirche können wir die Volkskunst nicht retten“, legte Hartmut Hantscho dar. „Gerade die Choräle betrachte ich als einen besonderen Bestandteil des sprachlichen und kulturellen Erbes. Sie widerspiegeln die jahrhundertelange christliche Verbundenheit im Schleifer Kirchspiel, was das Fundament und die Quelle dafür ist, dass wir unsere Folklore und Gesangstradition weitergeben und fortsetzen.“
Die Musikgruppe des Kólesko-Vereins hat die Lieder, welche unter anderem Jan Chlebniček und Oksana Weingardt-Schön bearbeitet haben – unter der Leitung von Gerald Schön einstudiert und aufgenommen. Für das CD-Cover wurde ein Bild des Malers Jörg Tausch verwendet.
Lausitzer Sorben profitieren vom Kohleausstieg
Lausitzer Rundschau / moz.de11. Februar 2019
Cottbus (LR) Die Digitalisierung der beiden sorbischen Sprachen, ein sorbisches Kompetenzzentrum Wirtschaft und Strukturwandel, eine Schule für obersorbische Sprache und Kultur, die Verstärkung des Sorbischen Institutes sowie ein Infoportal Schleifer Sorbisch: Diese und weitere Projekte sind im Abschlussbericht der Kohlekommission festgehalten.
Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutet an, den Vorschlägen folgen zu wollen. Die sorbische Kultur soll damit vom Kohleausstieg profitieren.
Das Kirchspiel Schleife, das acht Dörfer, sieben in Sachsen und eines in Brandenburg, umfasst, wird seit Jahrzehnten durch den Tagebau Nochten beeinflusst. Mehrere Ortsteile mussten seit den 1950er-Jahren der Kohle weichen. Jetzt steht die Umsiedlung der 200 Einwohner von Mühlrose bevor. Die „Sprachlandschaft Schleife“, ein Vorhaben des Sorbisches Institutes, will dem Aussterben des Schleifer Sorbisch entgegenwirken. Die Regionalvariante der sorbischen Sprache mit Elementen aus dem Ober- und dem Niedersorbischen verfügt nach Angaben von Institutsdirektor Dr. Hauke Bartels bislang nur über vereinzelte Dokumentationen. Außerdem beherrschen lediglich einige Dutzend, vorwiegend ältere Menschen, diese Sprachvariante. „Wir planen daher, am Beispiel des Schleifer Sorbisch einen Prototyp für eine digitale Informationsplattform zu sorbischen Sprachlandschaften zu erstellen, die als erster Schritt zu einer die gesamte Lausitz umfassenden Dokumentation des regional vielfältigen Sprachwissens dienen kann“; erklärt Bartels. Damit solle die Identitätsbildung gefördert werden. Außerdem handele es sich um die Grundlage einer interkulturell angelegten Heimatkunde sowie den Schutz und die Vitalität der sorbischen Bräuche und Feste, die seit fünf Jahren im Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes verzeichnet sind.
Hauke Bartels lobt die guten Vorarbeiten des Schleifer Vereins „Kolesko“. Dessen Protagonisten haben erst im vergangenen Jahr das Schleifer Sagenbuch sowie das Auftaktwerk zu einer Trilogie über die Schleifer Trachten veröffentlicht. „Dadurch ist das sächsische Kulturministerium auf uns aufmerksam geworden und hat angefragt, ob unterstützt werden kann“, sagt Vereinsvorsitzender Hartmut Hantscho. Das Vorhaben trägt im Abschlussbericht der Kohlekommission die Nummer 132. „Allerdings ist diese Liste unverbindlich“, gibt Hauke Bartels zu bedenken. Sorbisches Institut und Kultusministerium werden sich darum bemühen, das Projekt auch tatsächlich zu realisieren. „Eine endgültige Entscheidung hierzu ist noch nicht gefallen“, so Bartels weiter.
Der sächsische Bundestagsabgeordnete Marian Wendt (CDU) begrüßt die Ergebnisse der Kohlekommission für die Sorben/Wenden. Wendt ist Mitglied des beratenden Ausschusses für Fragen des sorbischen Volkes im Bundesinnenministerium. „Die zahlreichen Umsiedlungen des Braunkohlenabbaus belasten auch das Volk der Sorben/Wenden im Lausitzer Revier in ihrem Bestreben, ihre Sprache, Kultur und Identität zu erhalten. Daher ist es nur folgerichtig, jetzt auch Projekte zu fördern, die den Erhalt unterstützen.“ Seinen Angaben zufolge sollten auch der Aufbau einer Schule für obersorbische Sprache und Kultur für Erwachsene gefördert werden. Das Niederlausitzer Pendant in Cottbus besteht bereits seit 1992.
Auch die Domowina als Dachverband sorbischer Vereine zeigt sich mit den Vorschlägen der Kohlekommission zufrieden. „Das Ergebnis spricht für unseren Erfolg. Stellen Bund und Länder die richtigen Weichen, haben wir die Lösungen für eine lebenswerte Zukunft in einer mehrsprachigen Lausitz“, kommentiert Vorsitzender David Statnik.
Im Endbericht der Kohlekommission wird erwähnt, dass im Lausitzer Revier mehr als 25 000 Menschen umgesiedelt wurden, darunter zahlreiche Sorben. Das stark sorbisch geprägte Dorf Neu-Laubusch, gegründet um 1830, musste als erster Lausitzer Ort bereits 1924 dem Tagebau weichen. Alt-Laubusch folgte zwischen 1939 und 1942. Weitere weit über 100 Siedlungen folgten bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Dies belaste auch das Volk der Sorben und Wenden im Lausitzer Revier im Bestreben, Sprache, Kultur und Identität zu erhalten. Daher existiere für die Belange der Sorben/Wenden eine besondere Verantwortung.
Torsten Richter-Zippack
Schleifer Sorbisch erklingt in Berlin
Lausitzer Rundschau24. März 2015
Leser schreiben. Mitglieder des Vereins Kólesko haben an einem besonderen Gottesdienst in Berlin teilgenommen. Bischof Dr. Markus Dröge ordinierte kürzlich 22 Pfarrer und zwei Gemeindepädagoginnen in einem Festgottesdienst in der St. Marienkirche in Berlin-Mitte. Das ist die höchste Zahl an Pfarrern, die seit der Gründung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in den kirchlichen Dienst übernommen wurden.
Unter ihnen befand sich auch die Pfarrerin der Kirchgemeinde Schleife, Jadwiga Mahling. Mit der Ordination wurden den Theologen das Recht und die Pflicht zur öffentlichen Verkündigung des Wortes Gottes und zur Verwaltung der Sakramente erteilt. Sie dürfen eigenverantwortlich Gottesdienste leiten, das Abendmahl austeilen und das Taufsakrament spenden.
Die Vokalgruppe des Vereins kólesko, die den Festgottesdienst mitgestaltete, ließ Kirchenlieder sowie Volkslieder im Schleifer Sorbisch erklingen. Die Frauen des Vereins trugen dabei die traditionellen sorbischen Kirchgangs-Trachten aus dem Kirchspiel Schleife.
Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo erhalten Zejler-Preis für sorbische Sprache
Medienservice Sachsen21. September 2018
Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange würdigt kulturelles und identitätsstiftendes Engagement
Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange hat heute in der Klosterkirche und Sakralmuseum St. Annen in Kamenz den dritten Zejler-Preis für sorbische Sprache des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst verliehen. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis prämiert seit 2014 alle zwei Jahre herausragende oder beispielhafte Leistungen auf dem Gebiet des Erwerbs, des Gebrauchs sowie der Vermittlung der sorbischen Sprache. Preisträger 2018 sind Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo, die von einer siebenköpfigen Jury für ihren herausragenden Beitrag zur Wiederbelebung des Schleifer Sorbisch empfohlen wurden.
Dr. Eva-Maria Stange: „Den beiden Preisträgern gratuliere ich herzlich und danke für ihre unermüdliche und generationenübergreifende Arbeit an der Revitalisierung des Schleifer Sorbisch im Kirchspiel Schleife. Ich freue mich, dass mit dem Zejler-Preis der kulturelle, historische und identitätsstiftende Wert des Engagements von Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo offiziell gewürdigt wird. Der Zejler-Preis ist Teil des Maßnahmeplans der Staatsregierung zur Ermutigung und zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache und damit ein Beitrag zu der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, nationale und sprachliche Minderheiten in Europa zu schützen.“
Dieter Reddo hat mit seinem jahrzehntelangen Sammeln von Liedern, Sagen und Erzählungen sowie dem Initiieren und Leiten von Sprachkursen den Grundstock für eine Reihe von Veröffentlichungen gelegt. Seine Niederschriften öffnen einen Schatz an etwas 60 mündlich überlieferten Liedtexten. Die Slawistin Juliana Kaulfürst als Vertreterin der jüngeren Generation hat Dieter Reddo bei der Fertigstellung des Schleifer Liederbuchs „Daj mi jeno jajko, how maš hobej dwě – Slěpjański spiwnik“ unterstützt. Außerdem erarbeitete sie unter anderem das Buch „Erzählungen aus dem Grastuch – Schleifer Sorbisch in Wort und Schrift“ mit zwei CDs, arbeitete mit an der Herausgabe der Wortsammlung „Kak to jo było – 1000 Worte Schleifer Sorbisch“ sowie des zweisprachigen Schleifer Sagenbuchs „Slěpjańske ludowe powjesći“ mit 150 Sagen aus dem Kirchspiel Schleife und der Muskauer Heide, das 2018 von dem Verein Kólesko herausgegeben wurde.
In der Begründung der Jury heißt es in sorbischer Sprache: „Knjeni Julianje Kaulfürstowej a knjezej Dieterej Reddej spožči so myto za serbsku rěč Myto Zejlerja 2018 za jeju wusahowacy přinošk k wozrodźenju Slepjanskeje serbšćiny.“
Der Preis trägt den Namen des Dichters, Publizisten und Theologen Handrij Zejler (1804-1872), der als Begründer der modernen sorbischen Literatur gilt.
Ungleiches Duo kämpft für Schleifer Dialekt
Lausitzer Rundschau23. September 2018
Kamenz/Schleife. Der Handrij-Zejler-Preis für Verdienste um die sorbische Sprache ist in diesem Jahr an Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst aus der Schleifer Region verliehen worden.
„Schuster, bleib bei deinen Leisten“, heißt es oftmals. Leicht abgewandelt könnte man auch sagen: Fleischer, bleib bei deinen Schinken. Doch der Volksmund irrt auch manchmal. Denn glücklicherweise blieb Dieter Reddo nicht bei seinen Schinken. Als gelernter Fleischer hat er viele Jahre lang bei seinen Nachbarn in Klein Trebendorf und den umliegenden Dörfern Schweine geschlachtet. Dabei hörte er vieles, was außerhalb der geschlossenen Hoftore selten erklang. Erzählungen von bäuerlicher Arbeit und von Bräuchen, Volksweisheiten und Sprüche – und dies alles in einer Sprache, die schon damals im Schwinden begriffen war: im Schleifer Sorbisch.
Dieter Reddo hörte genau hin, fragte nach, notierte. „Acht Jahre habe ich gesessen und geschrieben, zusammen mit meinem Freund Hartmut Hantscho. Er ist in die Archive gegangen und hat Fehlendes ergänzt.“ 200 sorbische Volksweisen kamen so zusammen, blieben aber zunächst bei Dieter Reddo zuhause liegen.
Bis Juliana Kaulfürst kam. Die gebürtige Bautzenerin, aus einer deutschen Familie mit verschütteten sorbischen Wurzeln stammend, war als „Spracharbeiterin auf Montage“ nach Schleife gekommen, wie es in der Laudatio für die diesjährige Zejler-Preisträgerin hieß. Die studierte Slawistin ging im Auftrag des Domowina-Kreisverbandes in die Schulen und in den Njepila-Verein. Sie wollte erfahren, was vom Schleifer Sorbisch noch übrig war – und ob man es vielleicht, allen Unkenrufen zum Trotz, doch noch retten kann. In dieser Situation lernten sich Dieter Reddo und Juliana Kaulfürst kennen. Er, der heute 74-jährige Ur-Sorbe, der die Sprache mit der Muttermilch aufgesogen hatte, und sie, die nur halb so alte Wahlsorbin, die sich die Sprache mühsam, aber mit unendlichem Enthusiasmus mithilfe von Liedern erschloss, gaben anfangs sicher ein recht ungleiches Gespann ab. Und doch war es Dieter Reddo, der große Hoffnungen in die junge Geistesverwandte setzte – plante er doch, mit ihrer Hilfe ein Schleifer Liederbuch herauszugeben.
„Ich habe in Schleife ein weiches Nest gefunden, mit vielen lieben Menschen, die mir geholfen haben“, sagt Juliana Kaulfürst heute in der ihr eigenen poetischen Art. Sie verwendet gern Bilder von Vögeln, wenn sie von der sorbischen Sprache spricht, ebenso wie es schon der Dichter Jurij Koch tat, von dem der Satz stammt: „Ich wünsche mir, der schöne Vogel möge noch da sein. . . . Eine Farbe weniger.“ Der Verein Kólesko (Spinnrad) bietet ihr eine geistige Heimat, voller Mitstreiter, denen ebenso wie ihr der Erhalt des „schönen Vogels“ am Herzen liegt. Das Schleifer Liederbuch von Dieter Reddo und Hartmut Hantscho ist erschienen – und seitdem noch viele weitere Publikationen, von denen jede eine neue Feder für den arg gerupften Vogel darstellt.
Besonders bemerkenswert ist das Buch „Erzählungen aus dem Grastuch“, in dem Juliana Kaulfürst Gespräche mit Schleifer Sorben verarbeitete. 2018 erschienen ein Sagenbuch und eine CD mit Schleifer Liedern und Chorälen. „Das mehrt den Stolz auf das Eigene beträchtlich und lässt die Hoffnung aufkommen, dass sich der Schleifer Dialekt vielleicht doch wiederbeleben lässt“, wie es in der Laudatio hieß. Zum Beispiel, wenn Menschen, die noch nie sorbisch gesprochen haben, Lieder im Schleifer Dialekt singen. Oder auch die Knirpse in der Rohner Kita, die zuhause noch kein sorbisches Wort gehört haben. Dies haben eine junge Frau vollbracht, die schöne Vögel mag – und ein Fleischer, der nicht bei seinen Schinken blieb.
Uwe Menschner
Zwei Begeisterte für das Schleifer Sorbisch
Nowy Casnik04. Oktober 2018
Kamenz. Der Zejler-Preis wird in Sachsen als Anerkennung besonderer Leistungen im Interesse der sorbischen Sprache verliehen. In diesem Jahr wurden die Bemühungen für das Schleifer Sorbisch gewürdigt. Die Preisträger sind Juliana Kaulfürst (38) aus Dresden und Dieter Reddo (74) aus Klein Trebendorf. Die Festveranstaltung fand in der evangelischen St.-Annen-Kirche in Kamenz statt. Die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur Eva-Maria Stange (SPD) hat ihnen den Preis überreicht. Dieter Reddo wurde die Sprache in die Wiege gelegt und seit seiner Jugendzeit hat er sich vieles von dem notiert, was er aus den Mündern der Schleifer Menschen gehört hatte: Sprüche, Lieder und Bräuche. Hartmut Hantscho, Vorsitzender des Kólesko-Vereins hatte ihn angeregt, all das zu veröffentlichen. Juliana Kaulfürst hat die beiden unterstützt. Aber ihre Arbeit geht jetzt noch weiter. Demnächst soll ein Schleifer Sorbisch-deutsches Wörterbuch mit 3.000 Wörtern herausgebracht werden.
Die Preisträger geben ihre Begeisterung weiter
Laudatio: Božena Braumanowa und Andrea Paulik21. September 2018
Laudatio der Übersetzerin Božena Braumanowa und der Museumskuratorin Andrea Paulik für die Zejler-Preisträger 2018
„In der Muskauer Heide lässt sich bisweilen ein Vogel mit schönem, bunten Gefieder, goldenem Schwanz und Flügeln sehen … Wem er sich zeigt, dem bringt er Glück.“
Verehrte Anwesende, wir haben die Ehre, die Laudatio für einen Sorben und eine Sorbin zu halten, die beide nicht nur für die Schleifer Region Gold wert sind. Das Eingangszitat entstammt der neuesten Sammlung, dem „Schleifer Sagenbuch“, an der beide mit Fleiß gearbeitet haben. Unsere heutigen Preisträger sind bekannt wie ein bunter Vogel. Sie sind voller Begeisterung für das schöne Schleifer Sorbisch. Sie bringen Glück überall, wo sie mitwirken. Auf den ersten Blick scheinen sie vielleicht ein ungewöhnliches Paar zu sein: Dieter Reddo aus Klein Trebendorf – er wurde vor 74 Jahren in der Schleifer Region geboren und ist dort Zeit Lebens verwurzelt – und die halb so alte 38jährige Juliana Kaulfürst, eine geborene Bautznerin. Sie ist in die Schleifer Region erst später „eingeflogen“ und wohnt jetzt sozusagen mit einem Bein in Schleife und mit dem anderen in Dresden. Ein gewisser Zufall hat die beiden zusammengeführt, und heute sind sie der Motor der Aktivitäten, welche die Dokumentation des Schleifer Sorbisch zum Ziel haben. Und da hier also ein zweifaches Loblied anzustimmen ist, machen wir beide es im Duett.
Einen „Botschafter der sorbischen Kultur” hat man Dieter Reddo zu Recht genannt. Als geschickter Verzierer sorbischer Ostereier hat er sich u. a. um die Dokumentation typischer regionaler Muster gekümmert. Als Kenner der Trachten und Volkstänze sorgt er im Rahmen des Schleifer Hochzeitszuges für den Erhalt dieses Teils der Volkskultur. Beruflich hatte er vorwiegend in der Braunkohleindustrie – im Havariedienst in Schwarze Pumpe – gearbeitet. Es kann jedoch als Glücksfall gelten, dass Dieter Reddo auch gelernter Fleischer ist. So hat er viele Jahre bei Leuten zu Hause Schweine geschlachtet. Und er hatte ein Gespür für das, was er hörte und erfuhr – zumeist im Schleifer Sorbisch. War dies doch für die Generation seiner Eltern damals hinter den Hoftoren die tägliche Umgangssprache. Und er notierte sich alles, was er hörte – über die bäuerliche Arbeit und die Bräuchen, die Schleifer Tracht sowie verschiedene Volksweisheiten und Sprüche. Vor allem aber: die originären Schleifer Volkslieder. Dieter Reddo hat – beginnend ca. 1954 – vielleicht bewusster als so manch anderer empfunden, dass diese Schätze der Schleifer Kultur bedroht sind. Und so hat er an die 200 Schleifer Volksweisen gesammelt, die jedoch über Jahrzehnte bei ihm zu Hause lagerten, bis ...
... Juliana Kaulfürst in die Schleifer Region kam. 2010 kam die ausgebildete Slawistin, um als Koordinatorin für Sprachprojekte des Domowina- Regionalverbandes zu arbeiten. An den beiden Schulen sorgt sie jetzt dafür, dass die Schüler die sorbische Sprache auch außerhalb der Schule anwenden und erleben, so im Klubraum „Sorbische Höhle”, in Sprachcamps oder in der Theatergruppe, für die sie selbst die Stücke schreibt. In jenem Jahr 2010 wurde sie jedoch Dieter Reddo und Hartmut Hantscho aber auch gefragt, ob sie die gesammelten Schleifer Lieder sprachlich bearbeiten würde. Die beiden Männer hatten nämlich einen Plan: ein „Schleifer Liederbuch” herauszugeben. Und sie hat „Ja” gesagt. Was nicht weiter verwundert, wenn man um ihre Musikalität weiß und dass sie selbst gern singt. Schon 2013 konnte der Verein „Kólesko”, welcher sich der Pflege des Schleifer Spracherbes widmet, das fertige Liederbuch samt einer CD der Öffentlichkeit präsentieren. Natürlich ist Juliana Kaulfürst auch Mitglied des Njepila-Vereins, der sozusagen ein Sprachnest darstellt, indem er die Schleifer Sprache auf Veranstaltungen bewusst praktiziert. Jeder Realist sieht jedoch, dass diese Sprache allmählich verloren geht. Und daher haben sich die Mitglieder des Njepila-Vereins vorgenommen, die Wörter für die Bereiche zu sammeln, mit denen sich der Verein unter seinem Motto „Wie es einmal war“ beschäftigt, damit die Sprache nicht aus dem Gedächtnis der Menschen und somit aus der Welt verschwindet. Beim Zusammenstellen dieser Wortlisten waren die Sprachkenntnisse und Aufzeichnungen von Dieter Reddo eine unverzichtbare Quelle. Und als sich Juliana Kaulfürst hinzugesellte, wurde das Unterfangen neu angefacht. Erstens dank ihrer positiven Ausstrahlung, und zweitens, weil sie sich insbesondere um die sprachwissenschaftliche Seite des Materials und um die Korrekturen gekümmert hat. Was ursprünglich als Schleifer Sprachkurs auf dem Njepila-Hof begonnen hatte, daraus ist ein kleines Wörterbuch mit dem Titel „1.000 Wörter Schleifer Sorbisch” entstanden. Und jetzt wird – nach niedersorbischem Vorbild und mit Hilfe der Niedersorben – an einem großen Deutsch-Schleifer-Wörterbuch gearbeitet.
Dieter Reddo ist der Schleifer Dialekt in die Wiege gelegt geworden. In seiner Jugendzeit bekamen jene, die sorbisch sprachen, auch abfällige Bemerkungen zu hören. Auf welche Art und Weise man sich vor solchen Beleidigungen schützt, wissen wir. Und mit den Auswirkungen für die Sprache – die auch mit dem Braunkohlebergbau in Verbindung stehen – müssen wir jetzt umgehen. Juliana Kaulfürst hat sich das Schleifer Sorbisch durch die Lieder und mit Unterstützung älterer Sorben angeeignet, nachdem sie als „Spracharbeiterin auf Montage” nach Schleife gekommen war. Sie ist heute die einzige in ihrem Alter, die fließend das Schleifer Sorbisch spricht, obwohl sie aus einer Familie mit deutschen und erschütteten sorbischen Wurzeln stammt. Doch um ein Feuer zu entfachen, dafür genügt manchmal schon ein Funken Begeisterung, den ihr ihr Vater wohl bereits mitgegeben hat, als er seinen noch kleinen Kindern das Lied „Brězowka jo rjana wjeska“ (Halbendorf – schönes Dorf) vorgesungen hat. Und Begeisterung weitergeben, das kann Juliana Kaulfürst auch auf ganz besondere Art: Indem sie nämlich mit ihrer riesigen Blechtuba den Knirpsen im Kindergarten in Rohne die ersten sorbischen Worte vermittelt – nach dem Motto „Sorbisch lernen mit Musik”.
Unsere beiden Preisträger sind also auf unterschiedlichen Wegen zum Schleifer Sorbisch gekommen, doch beide haben sich dieser Sprache mit Herz und Seele verschrieben. Sie leben die Schleifer Art in Bereichen, die sich heute dazu anbieten bzw. die sie durch ihre Sprachaktivitäten selbst mit gestalten. So gehört Dieter Reddo zu jenen Aktiven, die dem Njepila-Hof als lebendigem Dorfmittelpunkt die sorbische Seele einhauchen, denn er kann Sorbisch und spricht es auch. Juliana Kaulfürst wiederum bringt ihre Schleifer Saite dergestalt zum Klingen, dass sie in der Gesangsgruppe des Vereins „Kólesko” die Schleifer Lieder mit verbreitet. Uneigennützig zu geben und dankbar anzunehmen – das haben die Menschen der Schleifer Region im Blut. Juliana Kaulfürst hat dies auch im Rahmen eines Projektes erlebt, als sie – über fünf Jahre lang – Menschen besuchte, die den wohlklingenden Schleifer Dialekt authentisch sprechen, und sich aus deren Leben berichten ließ. Sie wählte dann Ausschnitte aus dem aufgenommenen Material aus, übertrug diese in die schriftliche Form und übersetzte sie ins Deutsche. Daraus entstand das Buch „Erzählungen aus dem Grastuch”. Auch akustisch kann man die Sprecher nun erleben – auf zwei CDs, die zum Buch gehören. Nicht nur bei diesem aufwendigen Projekt konnte sich Juliana Kaulfürst auf die Unterstützung von Dr. Hync Richter aus Leipzig verlassen. Denn er hat alle bisher erschienenen Schriften mit lektoriert, schließlich ist er in der Lage, das Schleifer Sorbisch bis zum letzten Buchstaben exakt zu verschriftlichen.
Manchmal verschlägt einem das Tempo, mit dem die Schleifer Sprachdenkmale dank der fleißigen und unermüdlichen Arbeit unserer heutigen Preisträger erscheinen, fast den Atem. Seit 2015 hat es jedes Jahr eine Neuerscheinung gegeben. In diesem Jahr im Juni war es das 250-seitige Buch mit Sagen aus dem Schleifer Kirchspiel und der Muskauer Heide, und im Juli erschien die neue CD mit Schleifer Liedern und Chorälen. Das fördert den Stolz der Schleifer Sorben auf das Eigene beträchtlich. Und lässt sogar die Hoffnung aufkeimen, dass das Schleifer Sorbisch vielleicht doch wieder belebt werden kann: Zum Beispiel auf Gesangsveranstaltungen, wenn Menschen, die noch nie einen ganzen Satz im Schleifer Dialekt gesprochen haben, sorbische Worte aus dem Mund kommen. Oder, wenn Schüler im Rahmen von Projekten vom einstigen Leben und Arbeiten auf dem Njepila-Hof erfahren und Dieter Reddo ihnen das in sorbischer Sprache beschreibt. Oder wenn Juliana Kaulfürst zu kulturellen Höhepunkten mit Moderationen im Schleifer Dialekt diese einst verpönte Sprache wieder ins öffentliche Leben trägt, natürlich in Schleifer Tracht. Oder wenn sie das Schleifer Sorbisch auf der Facebook-Seite „Slěpe lubujom” (Ich liebe Schleife) sogar als Kommunikationsmittel über Themen des heutigen Lebens verwendet.
Auch wir aus den umliegenden sorbischen Regionen blicken mit Bewunderung und Ehrfurcht darauf, wie eine Handvoll Enthusiasten Berge zu versetzen vermag. Sie machen uns bewusst, dass es in Zeiten der Globalisierung lohnt, auch kleine kulturelle Inseln zu erhalten, wie es auch das Schleifer Kirchspiel ist. Jurij Koch hat dies – gleichfalls mit dem Bild des Vogels – in der Reminiszenz „Die Schmerzen der sterbenden Art” auf ergreifende Weise beschrieben:
„Ich wünsche mir, dass der schöne Vogel noch im Land wäre. So, wie ich mir die Welt nur mit meiner ethnischen Art vorstellen kann ... Ihr Verschwinden würde Verlust bedeuten. Nach und nach wäre Verarmung im ganzen Land spürbar. Vielleicht sogar auf dem Kontinent, auf dem Planet. Eine Farbe weniger. Mehr Grau. Ein Klang weniger, eine Sprache weniger. Mehr Schweigen. Es ist nicht wahr, dass die Verständigung zwischen den Völkern zunehmen würde, wenn die Welt weniger Sprachen hätte ...“
Und so wünschen wir den Preisträgern und all denen, die bei der Revitalisierung des Schleifer Sorbisch mit ihnen an einem Strang ziehen, dass der Dokumentation die Phase der Aktivierung folgt, zumal auch die Sächsische Staatsregierung das Schleifer Sorbisch in ihrem Maßnahmenplan verankert hat, mit dem sie zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache ermutigt.
Herzlichen Dank!
Zejler-Preis 2018 ging in das Schleifer Kirchspiel
Pomhaj BóhNovember 2018
Aus den Händen der sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst nahmen Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo am 21. September in der ehemaligen St. Annen-Kirche in Kamenz den diesjährigen Zejler-Preis entgegen.
In ihren Glückwünschen verwies die Ministerin auf die Verdienste der Laureaten bei der Dokumentierung und dem zugänglichmachen der Schleifer Mundart und der sorbischen Traditionen in den Schleifer Dörfern. Die Laudationen zur Preisverleihung hielten die Übersetzerin Božena Braumanowa aus Luga und die Museumskuratorin Andrea Paulik aus Radibor. Die Sängerinnen und Sänger der Gruppe „Kólesko“ aus Schleife unter der Leitung von Gerald Schön umrahmten die würdevolle Veranstaltung mit sorbischen Chorälen und Liedern im Schleifer Sorbisch.
Der Laureat Dieter Reddo aus Klein Trebendorf stammt aus dem Schleifer Kirchspiel, wo er vor 74 Jahren geboren wurde und bis heute lebt. Er ist nicht nur als geschickter Ostereierverzierer bekannt, sondern er kennt sich auch mit den Schleifer Trachten und Volkstänzen aus. Beruflich hatte er in der Braunkohleindustrie gearbeitet. Außerdem hat er als gelernter Fleischer bei den Leuten zu Hause Schweine geschlachtet. Was er dabei – meistens auf Sorbisch – an Volksliedern und über die Arbeit und die Trachten, die Bräuche und Weisheiten der Menschen erfahren hat, hatte er sich nach Feierabend zu Hause gewissenhaft notiert. Dieser Schatz lag jahrzehntelang bei ihm zu Hause verborgen. Die Laureatin Juliana Kaulfürst ist Slawistin. Die 38-Jährige stammt aus Bautzen, lebt in Dresden und kümmert sich an den beiden Schleifer Schulen um außerschulische Projekte in sorbischer Sprache. Ihr Wirken in Schleife begann sie im Jahre 2010 als Koordinatorin für Sprachprojekte des dortigen Domowina-Regionalverbands. Damals wurde sie von Dieter Reddo und Hartmut Hantscho gefragt, ob sie die gesammelten Lieder und Notizen sprachlich bearbeiten würde. Aus diesem Anfang hat sich in den vergangenen Jahren eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt. Der Beleg dafür sind mehrere inzwischen herausgebrachte Bücher und CDs. An weiteren Publikationen wird bereits gearbeitet.
Der aufgearbeitete Fundus ist aber nicht nur in den herausgebrachten Materialien enthalten, sondern er bereichert zugleich auch das heutige Kulturleben, wenn in den Gesangs- und Folkloregruppen, in Schulen und Kindergärten oder auch auf dem Njepila-Hof in Rohne und auf dem Schuster-Hof in Trebendorf gesungen und gesprochen wird, die Trachten getragen und nach alter Schleifer Tradition getanzt wird. Die sorbischen Aktivitäten von Juliana Kaulfürst und Dieter Reddo sowie einer Handvoll weiterer Enthusiasten um sie herum war bis jetzt äußerst fruchtbar. Gottes Segen möge ihr Wirken für das Sorbische auch in den kommenden Jahren begleiten.
Trudla Mahling
Ein Friseur, der nach der Arbeit den Pinsel schwang
Nowy Casnik11. September 2013
Ausstellungseröffnung zu Ehren von Walter Ruhland im SKC
Schleife. Viele der Gäste, die ins SKC kamen, haben Walter Ruhland noch persönlich gekannt. Er war ein zurückhaltender, nachdenklicher Mensch und er war sehr fleißig. Zu Ruhlands 100. Geburtstag organisierte der Verein Kólesko eine Ausstellung. Walter Ruhland hat seinem Geburtsort als Künstler ein Denkmal gesetzt. Dieses hat Hartmut Hantšo, der Vorsitzende des Vereins Kólesko entdeckt. Er beschäftigt sich mit der Geschichte von Schleife. Sein Vater Helmut, früher in Schleife Bürgermeister, hat ihn dabei unterstützt. Immerhin hatte Walter Ruhland auch ihm die Haare geschnitten. Doch wenn der Friseurmeister nach der Arbeit Schere und Rasiermesser beseite legte, tauchte er in sein anderes Element – als Künstler. Er schnitzte, goss und formte Plastiken. Er malte, zeichnete und machte Holz- und Linolschnitte. Durch viel Probieren, Studieren und Lernen gelangte er zu künstlerischer Vollkommenheit. Das war seine Passion, obgleich ihn sein Lebensweg zunächst in Kriegsgefangenschaft, Vertreibung und Flucht führte.
Einer, der Ruhlands Kunst bestens beurteilen kann, ist der Maler Jan Buck, der in den 60er Jahren regelmäßig zwischen Bautzen und Trebendorf pendelte. Er war auch als Ehrengast bei der Ausstellungseröffnung anwesend. Damals gab es in Trebendorf einen Zirkel sorbischer Laien-Maler, den Buck künstlerisch begleitete. Auch Walter Ruhland gehörte zu seinen Schülern. In der obersorbischen Zeitung Nowa doba vom 3. September 1966 ist ein Portrait des Schleifer Frisuers veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: “Er ist schon über 50, von Beruf Friseur. Doch wenn sich der Tag zu Ende neigt und das Tageswerk vollbracht ist, dann wird er zum Künstler, mit Leib und Seele”. Walter Ruhland hatte damals dem Journalisten der Nowa doba gesagt: Gut zu malen, das ist nicht leicht. Man muss Talent haben. Es mus innerlich aus dir ausbrechen, so dass deine Fähigkeit zum richtigen Zeitpunkt an die Oberfläche dringt.” Mit diesem Ausbruch meint er die Leidenschaft, diese Art Rausch. Walter Ruhland malte alles: Szenen aus dem Dorfleben, sorbische Trachten, Bräuche, das Leben auf den Bauernhöfen, aber auch das Kraftwerk und den Tagebau. Im Jahre 1966 sagte er: “Ich finde, dass man sich auch im Bereich der Volkskunst ständig weiterbilden und arbeiten muss. Wir Trebendorfer waren in der Ausstellung beim Festival der sorbischen Kultur mit vertreten und haben dabei die Erfahrung gemacht, dass vieles nur durch Zufall entstanden oder Glückssache ist.”
Die Ausstellung im SKC ist keinesfalls ein Zufallsprodukt, dafür hat der Verein Kólesko gesorgt. Juliana Kaulfürstowa sagte in ihrer zweisprachigen Laudatio: “Schleife als Ort von Inspiration birgt noch viele Schätze in sich. Sie, liebe Gäste, können auf weitere Ausstellungen gespannt sein”.
J. Schmidtchen
In Kindheitserinnerungen gekramt
Lausitzer Rundschau02. Mai 2014
Neue Ausstellung in Schleife zeigt erstmals Werke von Heinrich Hantscho
SCHLEIFE Die Malereien waren Geschenke. Es gab sie zu runden Geburtstagen oder zu Hochzeiten. Sie haben in Wohnungen einen besonderen Platz gefunden und so die Zeit von Heinrich Hantscho (1903-1985) überdauert. Seit Mittwoch werden einige seiner Werke erstmals in einer Ausstellung unter dem Motto "Schleife – das sorbische Worpswede" gezeigt.
"Es ist schon etwas besonderes", freut sich Helmut Hantscho. Gerade eben hat er im Sorbischen Kulturzentrum Schleife die Laudatio für seinen Vater halten dürfen, nun führt er die Besucher durch die Ausstellung und erklärt. "Hier ist ein schönes Bild mit einem Feld. Da sieht man die Blüten des Klatschmohns. Es sieht so natürlich aus", so Alt-Bürgermeister Hantscho. Vor dem geistigen Auge sieht man fast den Maler am Feldrain mit seiner Staffelei und den Ölfarben sitzen.
Heinrich Hantscho hat auf solchen Feldern als Landwirt gearbeitet. Aber nie am Rand gesessen, um dort zu malen. Motive seiner Malleidenschaft waren oft Postkarten oder Fotos. Und doch sehen die Arbeiten in ihrem feinen Pinselstrich und mit der Liebe zum Detail so aus, als wären sie am Objekt vor Ort entstanden. Seinen Sohn beeindruckt dies noch heute. Auch dass sein Vater, als Landwirt schwere Arbeit gewohnt, so feine Pinselstriche führen konnte. Es muss für Hanos Heinrich - so wurde er überall genannt - ein Ausgleich zu seiner Arbeit gewesen sein, sich an der Staffelei entspannen zu können. Einzutauchen in die Welt der Farben. "Ich kann mich erinnern, dass das Zuschauen interessant, aber langweilig war. Denn es dauerte je nach Format schon seine Zeit, ein Ölbild fertigzustellen", so Hantscho.
So sind über die Jahre zahlreiche Arbeiten entstanden, die vor allem in der Familie oder den Freunden geschenkt wurden. Für die erste Ausstellung des Heinrich Hantscho sind sie teilweise von Leihgebern zur Verfügung gestellt worden oder sind als Fotokopie nach Schleife zurückgekehrt. Die Idee für die Ausstellung hatte Hartmut Hantscho. Als Vorsitzender des örtlichen Kólesko-Vereins ist er seit Jahren Kunstwerken aus Schleife auf der Spur. Sein Vater Helmut Hantscho freut sich nun um so mehr darüber, dass seinem Vater posthum diese Ehre der Ausstellung erteilt wird. Für die Laudatio musste Helmut Hantscho in seinen Kindheitserinnerungen kramen und die Erzählungen der Mutter auffrischen. Nach diesen fing Heinrich Hantscho in der 1920er-Jahren an, Ölbilder zu malen. Das machte er gemeinsam mit dem Gastwirt Richard Lehmann. Lehmann und Hantscho kannten sich unter anderem aus dem Turnverein. Der Gastwirt war einige Jahre älter als der Landwirt. "Ich gehe davon aus, dass Lehmann das Maltalent bei meinem Vater entdeckt hat", erzählt Hantscho im proppenvollen Ausstellungsraum des SKC. Das Maltalent rührt aus Familienerzählungen aus einem besonderen Grund her. So soll Heinrich Hantscho als Kind den Kopf von William Krause gestreichelt bekommen haben. Der Künstler aus Dresden hatte eine besondere Beziehung zu Schleife, denn er verbrachte hier einige Sommer zwischen 1902 bis 1912. Nach dem Kriege war es schwer für Heinrich Hantscho, mit dem Malen fortfahren zu können. Wie alles, waren auch Mal-Utensilien Mangelware. Doch in Görlitz konnte der Engpass dank alter Malbestände überwunden werden. Das letzte Bild entstand 1963. Es wurde Gemeindeschwester Martha geschenkt. Dann konnte er wegen einer Operation nicht mehr malen. "Er hat es versucht, aber das Ergebnis war nicht das, was er erwartet hatte", so Hantscho.
Regina Weiß